Rechtsgeprüfte Workations gestalten

Tapetenwechsel stärkt die Mitarbeiterzufriedenheit

Workations entwickeln sich zunehmend zu einem attraktiven Benefit, mit dem sich Unternehmen als attraktive und moderne Arbeitgeber positionieren können. Wenn Mitarbeiter an entfernten Orten arbeiten und sich erholen können, trägt das zu ihrer Zufriedenheit bei. Trotz der Vorteile schrecken Unternehmen vor der Einführung zurück. Gründe hierfür sind der vermeintlich hohe Planungs- und Organisationsaufwand und rechtliche Unsicherheiten.

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 Bild: Leo/stock.adobe.com
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Konzerne wie Otto und Allianz werben auf ihrer Karriere-Website für eine Workation. Weitere Großunternehmen und Mittelständler haben nachgezogen. Mit dem Angebot reagieren die Firmen auf ein steigendes Bedürfnis ihrer Belegschaft, für einen gewissen Zeitraum im Ausland arbeiten und gleichzeitig Urlaub machen zu können (vgl. Gaul/Pingen, AuA 3/23, S. 8 ff. mit einer ausführlichen rechtlichen Einordnung im Titelthema). „Eine Workation ist kein vorrübergehender Trend, sondern Realität, dem sich die Unternehmen stellen müssen“, sagt Dr. Kristine Johari, Geschäftsführerin von Whatever.Works. Mitarbeiter der jüngeren Generationen haben eine höhere Affinität für die Workation – zusammengesetzt aus Work und Vacation –, aber auch ältere Mitarbeiter wollen mehr Flexibilität und Arbeit mit Freizeit kombinieren. Diese Form des Remote-Work bietet nicht nur einen Tapetenwechsel, sondern lohnt sich z. B. im Anschluss an einen Urlaub oder für einen Familienbesuch im Ausland. So kann der Mitarbeiter tagsüber seiner Arbeit nachgehen und nach Feierabend oder am Wochenende Land und Leute kennenlernen, den Strand genießen oder Zeit mit seiner Familie verbringen. Workations gelten nicht nur als ein Ausdruck von Wertschätzung, sondern sind auch ein wichtiges Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb um begehrte Talente. Kristine Johari: „Unsere Kunden melden uns zurück, dass Workations sehr häufig ein Thema in Bewerbungsgesprächen sind. Für die Bewerbenden ist dieser Benefit oft ein wichtiges Entscheidungskriterium für den einen oder anderen Arbeitgeber.“

Diejenigen Unternehmen, die es anbieten, haben erkannt, dass die hohe Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsortes nicht nur zur Attraktivität als Arbeitgeber, sondern auch zur Mitarbeitermotivation und Bindung beiträgt. Das zeigt auch die aktuelle Studie von KPMG (Work from anywhere). Über 60 % der befragten rd. 300 Unternehmen bieten ihren Beschäftigten an, zeitweise aus dem Ausland zu arbeiten. „Die Workation ist nicht irgendein Goodie, sondern ist zum Must-have geworden. Viele Unternehmen haben die Scheu davor verloren, auch weil es mehr Wissen und Erfahrungswerte dazu gibt“, sagt Studienautor Dr. Tobias Preising, Partner im Bereich Tax, Global Mobility Services bei KPMG.

Die FINVIA Holding GmbH, ein 2019 in Frankfurt am Main gegründetes Multi Family Office mit über 70 überregional tätigen Mitarbeitern, hat Workations seit 2022 im Programm. „Als digitales Unternehmen sind wir es gewohnt, remote zu arbeiten. Wir wollen allen Mitarbeitenden ermöglichen, flexibel zu arbeiten. Das geht aber nur, wenn es keine Risiken sowohl für sie selbst, als auch die Firma gibt. Der Benefit wird sehr geschätzt und hat zu einer hohen Zufriedenheit beigetragen“, sagt Anja Wadzinski, Head of People & Culture.

Talente aus Drittländern gewinnen

Im Durchschnitt dürfen die Teilnehmer der KPMG-Studie rd. 30 Tage Workation machen. Besonders oft haben bislang vor allem Befragte aus der Industrie oder dem Dienstleistungssektor diese in Anspruch genommen. Bei FINVIA sind es sogar 40 Tage. „Viele Mitarbeitende, z. B. Investment-Controller oder Portfolio-Manager, hängen ein paar Workation-Tage an ihren Urlaub an, das heißt sie nehmen hierfür zusätzlich drei bis fünf Tage“, so die HR-Leiterin.

Bei der Länderauswahl gibt es mittlerweile weniger Einschränkungen. Erlaubten laut der KPMG-Studie im Jahr 2023 nur rd. 44 % der Firmen Workations innerhalb der EU, der Schweiz und des EWR, haben viele Firmen mittlerweile ihr Angebot auf Nicht-EU-Länder ausgebaut. So wurden sog. „stay-at-home“- Workations für Menschen aus Drittstaaten ermöglicht, damit sie auch von ihren Heimatländern, z. B. der Türkei oder Indien, arbeiten können. Johari: „Nehmen die Firmen die Gleichbehandlung ihrer Mitarbeitenden ernst, dann erweitern sie das Angebot in Bezug auf die Zielländer. Gleichzeitig vergrößern sie dadurch den Wettbewerbsvorteil im Recruiting neuer Talente.“

Standardisierter Genehmigungsprozess

Allerdings bringt die mobile Arbeit im Ausland organisatorische und rechtliche Herausforderungen mit sich, die HR-Abteilungen und Geschäftsführungen beachten müssen. Zwar haben im letzten Jahr mehr Unternehmen verbindliche Regelungen eingeführt, wie die aktuelle KPMG-Studie zeigt. „Doch trauen sich viele aus internen Gründen nicht, den Prozess zu standardisieren, und vielfach gibt es immer noch komplizierte Einzelfallprüfungen“, sagt Preising. Ein Genehmigungsprozess lasse sich vor allem innerhalb der EU gut standardisieren, führe zu einer höheren Akzeptanz und wenig administrativem Aufwand.

Grundsätzlich gilt: Eine Workation ist keine Auslandsentsendung, da der Arbeitnehmer auf eigenen Wunsch hin im Ausland arbeitet. Solche kurzfristigen, zeitlich begrenzten Remote-Einsätze sind deutlich leichter zu gestalten als ein Auslandseinsatz. Dennoch unterschätzen viele Unternehmen den Aufwand, der mit der Planung von Workation-Programmen verbunden ist. Denn die korrekte Umsetzung erfordert eine sorgfältige Berücksichtigung verschiedenster Aspekte, wie u. a. der Klärung rechtlicher Rahmenbedingungen sowie der Einhaltung von Einreisebestimmungen und arbeitsrechtlichen Vorgaben. Insbesondere ist bei dieser Form der Remote Work darauf zu achten, dass keine Risiken für Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den Rechtsbereichen Einkommen-/Lohnsteuer, Betriebsstätten-Risiko, Sozialversicherung sowie Aufenthalts- und Arbeitsrecht entstehen. Johari: „Ignorieren beide Parteien diese Risiken, kann es schnell zu Compliance-Verstößen und zu empfindlichen Strafen kommen. Diese können z. B. fünfstellige Bußgelder für die Missachtung von Arbeitsschutzvorschriften sein.“

Das jeweilige Unternehmen sollte, so der Rat der Experten, daher Rahmenbedingungen aufstellen, die sicherstellen, dass in diesen Rechtsgebieten durch den Auslandsaufenthalt keine Verpflichtungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer entstehen. Diese beinhalten insbesondere eine klare Regelung zur Anzahl der erlaubten Tage, um das Entstehen von Lohnsteuer- sowie einer Sozialversicherungspflicht im Ausland und das damit einhergehende Risiko einer Betriebsstättengründung zu vermeiden. Weitere Rahmenbedingungen, bspw. zu Arbeitszeiten und Erreichbarkeit sollten in einer Zusatzvereinbarung im Arbeitsvertrag geregelt werden. Whatever.Works stellt Unternehmen eine entsprechende Richtlinie für mobiles Arbeiten zur Verfügung (vgl. hierzu die Übersicht S. 44).

Steuerrechtliche Pflichten

Steuerlich ist darauf zu achten, dass Arbeitnehmer durch eine Workation im anderen Land nicht einkommensteuerpflichtig werden. Dies kann z. B. dann geschehen, wenn sie sich dort länger als 183 Tage aufhalten, aber auch schon bei kürzeren Aufenthalten, etwa, wenn sie im jeweiligen Land eine Ferienwohnung besitzen, die sie häufig nutzen, oder wenn die Familie im Workation-Land lebt. Besteht zwischen Deutschland und dem Workation-Land kein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), so kann sie bereits ab dem ersten Aufenthaltstag dort einkommensteuerpflichtig werden, da dann nur die nationalen Regeln gelten. Preising: „Dies ist insbesondere außerhalb der EU zu beachten, da Deutschland mit vielen Nicht-EU Ländern (z. B. Brasilien) kein Doppelbesteuerungsabkommen hat.“

Für den Arbeitgeber könne dies bedeuten, dass er im Workation-Land verpflichtet ist, sich steuerlich zu registrieren und für die betroffenen Arbeitnehmer Lohnsteuer abzuführen. „Schlimmstenfalls kommt es dann zu einer Doppelbesteuerung, wenn in Deutschland für die im Ausland verbrachten Workation-Tage ebenfalls Einkommen- und Lohnsteuer fällig wird“, sagt der KPMG-Partner. Generell gilt: Kurzfristige Aufenthalte von bis zu 40 Tagen sind weniger risikobehaftet. Längere Aufenthalte, vor allem, wenn sie über drei Monate hinausgehen, erfordern eine eingehende Prüfung und ggf. eine steuerliche Beratung.

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Ohne A1-Antrag kann es teuer werden

Darüber hinaus sollte HR darauf achten, dass der Arbeitnehmer im Workation-Land nicht sozialversicherungspflichtig wird. Hier ist es wichtig, beim deutschen Rentenversicherungsträger einen sog. A1-Antrag zu stellen, um gegenüber den Behörden im Ausland nachweisen zu können, dass weiterhin deutsches Sozialversicherungsrecht Anwendung findet. Kann der Arbeitnehmer im Ausland keinen gültigen A1-Antrag vorweisen, so kann es zu Geldbußen kommen. Preising: „Darüber hinaus kann die deutsche Versicherung im Schadensfall, z. B. wenn es zu einem Arbeitsunfall kommt, den Versicherungsschutz verweigern.“ Daher sollten Unternehmen ihre Mitarbeiter zu diesen Punkten aufklären und unterstützen. Zwar ist die Einkommensteuer Privatsache der Mitarbeiter, Lohnsteuer und Sozialversicherung jedoch auch Pflichten des Arbeitgebers. „Es besteht somit zum einen eine Fürsorge- und Aufklärungspflicht des Arbeitgebers, zum anderen aber auch eigene gesetzliche Verpflichtungen, Lohnsteuer und Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung abzuführen.“

Risiko einer Betriebsstätte

Ein kritischer Faktor bei Workations ist die potenzielle Begründung einer Betriebsstätte im Ausland. Dies betreffe vor allem Geschäftsführer und Inhaber von Vollmachten und Vertriebsmitarbeiter. Unternehmen müssen daher, so der KPMG-Partner, Rahmenbedingungen aufstellen, bzw. erlaubte Tätigkeiten im Vorfeld regeln, um das Risiko auszuschließen. Beispielsweise sollten Inhaber von Vollmachten während der Workation keine Geschäftsführungsentscheidungen treffen oder an Boardmeetings teilnehmen.

Will der Arbeitgeber auch Workations in Drittländern anbieten, so sollte vorher geklärt sein, ob es ein Doppelbesteuerungsabkommen und ein Sozialversicherungsabkommen gibt, da ansonsten die lokalen Vorschriften gelten und Mitarbeiter durch die Workation im jeweiligen Land steuer- und sozialversicherungspflichtig werden können. Zusätzlich können für den Arbeitgeber Registrierungs- und Lohnsteuerpflichten entstehen. Aus diesem Grund lassen viele Arbeitgeber Workation nur innerhalb der EU zu. Preising: „Seit diesem Jahr führen Arbeitgeber jedoch zunehmend sog. „stay-at-home“-Workations ein, bei denen Mitarbeitenden aus Nicht-EU Ländern erlaubt wird, in ihrem Heimatland Workations zu machen und dies mit Familienbesuchen zu verbinden.“ Insbesondere für Unternehmen mit vielen Arbeitnehmern aus Nicht-EU-Staaten sei dies eine wichtige Ergänzung und führe zu gesteigerter Zufriedenheit und Akzeptanz der jeweiligen Angebote. In rechtlicher Hinsicht habe dies den Vorteil, dass die Arbeitnehmer i.d.R. keinen gesonderten Aufenthaltstitel benötigen, da sie Staatsbürger des Workation-Landes sind. Trotzdem sind steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Pflichten zu prüfen.

Hush-Trips vorbeugen

Die Verantwortung, Compliance sicherzustellen, obliegt den Unternehmen. Mithilfe spezialisierte Anbieter können alle Prozesse standardisiert werden. Johari beispielhaft zum hauseigenen Produkt: „Ein Antrag kann innerhalb von fünf Minuten erstellt werden. Daraufhin erhält HR eine automatische Risikobewertung für das jeweilige Zielland.“ Nachdem diese von HR geprüft wurde, kann die Workation genehmigt und das A1-Zertifikat beantragt werden. In Zusammenarbeit mit KPMG wird der Prüfprozess regelmäßig aktualisiert. Für Anja Wadzinski ist die operative, digitale Abwicklung sehr komfortabel: „Der ganze Genehmigungsprozess mit Ampelsystem ist sehr einfach, und die Plattform lässt sich per Schnittstelle an unser System anbinden.“

Trotz automatisierter Prozesse muss jede Workation gut vorbereitet werden. Sie zu verbieten, ist keine Option. „Dann werden sie heimlich gemacht“, ist die Erfahrung von Kristine Johari. „Hush Trips“ nennt man auch die nicht genehmigte Verlegung des heimischen Arbeitsplatzes ins Ausland. Um dem vorzubeugen, sollte HR individuelle Angebote schaffen, „die den Lebensrealitäten der Mitarbeitenden entsprechen“. Der KPMG-Partner rät dazu, im Vorfeld eine Bedarfsanalyse durchzuführen. So könne das Unternehmen bspw. feststellen, welche Länder gefragt sind und mit wie vielen Anträgen zu rechnen ist. Wer klein anfangen will, startet am besten mit einer Pilotphase und beschränkt sich z. B. auf die EU oder ausgewählte Länder und nimmt dann später weitere Länder hinzu.

Annette Neumann

Annette Neumann
freie Journalistin, Berlin
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· Artikel im Heft ·

Rechtsgeprüfte Workations gestalten
Seite 42 bis 44
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