So werden Rechtsanwältinnen in der Google-Suche benachteiligt

Stefan David, Head of Online Marketing beim deutschen Start-up Jurebus, hat mit uns darüber gesprochen, warum sich Google hierzulande mit dem Gendern so schwertut und wie in der Folge Anwältinnen bei der Google-Suche benachteiligt werden.

1105
 Bild: pixabay.com
Bild: pixabay.com

Inwiefern werden Rechtsanwältinnen bei der Google-Suche benachteiligt? Wo genau liegt das Problem?

Rechtsanwältinnen sind in der Google-Suche insgesamt unterrepräsentiert – ebenso wie Vertreterinnen vieler anderer Berufsgruppen auch. Das bedeutet konkret: Suchen mögliche Mandanten per Google nach einem Anwalt, bekommen sie in der Regel keine oder kaum Anwältinnen angezeigt. Und zwar selbst dann, wenn sie explizit nach einer Rechtsanwältin mit einem bestimmten Fachgebiet googeln und bspw. „rechtsanwältin arbeitsrecht köln“ eingeben. Denn auch in diesem Fall werden meist unverhältnismäßig viele Treffer für männliche Anwälte angezeigt und die Websites von Anwältinnen teils sogar von den vordersten Plätzen verdrängt – also entgegen der eigentlichen Suchintention! Als Experten für die Online-Mandatsakquise sehen wir darin einen potenziellen Wettbewerbsnachteil für frauengeführte Kanzleien und konnten diese Ungleichbehandlung durch eigene Recherchen hinlänglich belegen. Zwar variiert das „Phänomen“ je nach Rechtsgebiet oder Stadt leicht, aber unterm Strich ändert das nichts an der Benachteiligung. Mittlerweile weist Google bei betreffenden Anfragen aber hin und wieder darauf hin, dass das Suchergebnis auch männliche Anwälte enthält und bietet ein bereinigtes Suchergebnis an. Aber das zeigt eigentlich nur, dass es sich hier um ein strukturelles Problem handelt. So kommen Rechtsanwältinnen etwa auch bei den Vorschlagslisten der „verwandten Suchanfragen“ zu kurz.

Was steckt hinter dieser Ungleichbehandlung? Welche Ursachen liegen unmittelbar bei Google, welche bei den Nutzern?

Verantwortlich dafür ist der Google-Algorithmus. Denn dieser nutzt nur scheinbar das generische Maskulinum „Anwalt“ und behandelt „Anwältin“ in lexikalischer Hinsicht offensichtlich synonym, was dann zu den Verzerrungen im Suchergebnis führt. Als US-amerikanische Suchmaschine verfolgt Google damit sicherlich keine böse Absicht. Vielmehr ergibt sich das Problem zum einen aus der unterschiedlichen Sprachpraxis im deutsch- und englischsprachigen Markt, wo sich für beide Geschlechter „lawyer“ durchgesetzt hat. Google differenziert da also nicht weiter – auch nicht im DACH-Raum. Zum anderen kommt wohl hinzu, dass Googles KI sehr genau weiß, dass es hierzulande mehr Anwälte als Anwältinnen gibt und daher weitaus öfter nach „Anwalt“ gesucht wird. Zumal viele User bei ihren Suchanfragen ebenfalls nicht geschlechterspezifisch vorgehen und den lernfähigen Algorithmus dadurch „falsch anfüttern“. Dieser zieht daraus dann die aus seiner Sicht folgerichtigen Schlüsse und passt die Suchergebnisse entsprechend an. Insofern trägt auch undifferenziertes Suchverhalten dazu bei, dass männliche Rechtsanwälte von Google alles in allem priorisiert werden. Der springende Punkt bleibt allerdings, dass es für gewöhnlich selbst bei der gezielten Suche nach Rechtsanwältinnen hakt. Sie haben es im Web somit ungleich schwerer als männliche Mitbewerber. Kurzum, Google strauchelt beim Gendern bzw. weiß es schlichtweg (noch) nicht besser.

Welche Konsequenzen zieht das für Rechtsanwältinnen nach sich? Ist das Ranking wirklich so ausschlaggebend?

Wer in Deutschland einen Rechtsbeistand sucht, der nutzt in erster Linie das Internet. Dort spielt heute die Musik. Das spiegelt sich auch in der erheblichen Zunahme einschlägiger Suchanfragen während der vergangenen zehn Jahre wider. Umfragen sowie unsere eigenen Erkenntnisse untermauern dies. Zudem hat sich der Wettbewerb signifikant verschärft, was u. a. damit zusammenhängt, dass sich die Anzahl zugelassener Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Deutschland seit 1990 in etwa verdreifacht hat. Auch drängen verstärkt andere Anbieter in den lukrativen Markt. Man denke etwa an Rechtsschutzversicherer. Die Online-Mandatsakquise wird für Kanzleien damit immer wichtiger, vor allem wenn sie wachsen möchten. Da aber die allermeisten Nutzer nur die obersten Treffer bei Google & Co. anklicken, sind optimale Rankings für die Gewinnung neuer Mandanten unabdingbar. Denn alle anderen Suchtreffer bekommen sehr viel weniger Traffic ab. Der Wettbewerbsnachteil für Rechtsanwältinnen ist daher evident.

Sie möchten unsere Premium-Beiträge lesen, sind aber kein Abonnent? Testen Sie AuA-PLUS+ 2 Monate inkl. unbegrenzten Zugriff auf alle Premium-Inhalte, die Arbeitsrecht-Kommentare und alle Dokumente der Genios-Datenbank.

Sind bereits Nachbesserungen von Google geplant?

Dazu können wir nichts sagen, außer dass es absolut wünschenswert wäre, wenn Google seinen Algorithmus baldmöglichst auf die deutschen Gendergepflogenheiten trimmt, weil eine solche Geschlechterungerechtigkeit natürlich völlig unzeitgemäß ist. Ganz zu schweigen von den wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Rechtsanwältinnen.

Wir haben deswegen bereits vor einigen Monaten bei Google nachgefragt, leider bisher ohne Erfolg. Denn während der Google Support Deutschland nicht zuständig ist, wie er uns mitteilte, bearbeitet die Dubliner Pressestelle ausschließlich reguläre Presseanfragen. Als Unternehmen sind wir da also außen vor.

Was raten Sie Ihren Kundinnen? Wie sollten sie mit diesem Problem umgehen, um ihre Nachteile möglichst gering zu halten?

Wir empfehlen, sich auf den von uns betreuten Websites bis auf Weiteres nicht nur als „Rechtsanwältin“, sondern auch als „Rechtsanwalt“ zu bezeichnen. Sprich: dort einen den Gendergedanken unterwandernden Mix zu fahren. Eine andere Lösung gibt es bislang nicht, um ihre Kanzleien adäquat in der Google-Suche performen zu lassen und dort gegenüber männlichen Anwälten nicht ins Hintertreffen zu geraten. Wirklich glücklich sind damit weder unsere Kundinnen noch wir selbst. Freundlich ausgedrückt.

Stefan David

Stefan David
Head of Online Marketing, Jurebus, Karlsruhe
AttachmentSize
Beitrag als PDF herunterladen100.68 KB

· Artikel im Heft ·

So werden Rechtsanwältinnen in der Google-Suche benachteiligt
Seite 62
Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

Die Arbeitswelt ist seit der Coronapandemie tüchtig in Bewegung: Arbeiten im Homeoffice wird zur Regel, künstliche Intelligenz ersetzt Routinearbeiten

Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

„Bewusstsein“ von KI

Der beurlaubte Google-Mitarbeiter Blake Lemoine, der viel Zeit mit dem Testen von LaMDA verbrachte, scheint

Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

gendern Sie? Diese Frage polarisiert – aus den unterschiedlichsten Gründen: Die einen tun sich schwer mit Veränderungen – das ist kein

Premium
Bild Teaser
Body Teil 1

Überblick

Der unbereinigte Gender Pay Gap zeigt die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Frauen und

Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

Kainz (Hrsg.), Verlag C.H.Beck, 1. Auflage 2022, Hardcover (in Leinen), 367 Seiten, Preis: 99 Euro

Der vorliegende

Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

Das umfangreiche Buch „Praxis des Arbeitsrechts“ ist jüngst in Auflage Nr.7 erschienen. Es kann als eines der Standardwerke im Arbeits-