Sozialplan ausgestalten: Herausnahme ausschließlich befristet Beschäftigter
Die Betriebsparteien verfügen bei der Ausgestaltung von Sozialplänen über Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume, die Typisierungen und Pauschalierungen einschließen. Allerdings müssen sie hierbei den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG beachten. Dieser Grundsatz, der auf das allgemeine Gleichheitsgrundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführen ist, zielt darauf ab, eine Gleichstellung von Personen in vergleichbarer Lage sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Hierbei ist der maßgebliche Sachgrund für eine Gruppenbildung regelmäßig der mit der jeweiligen Regelung verfolgte Zweck, weshalb sich die Gruppenbildungen in Sozialplänen an deren zukunftsbezogener Ausgleich- und Überbrückungsfunktion orientieren müssen.
Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede solcher Art und solchen Gewichts bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.
Schlechterstellung befristet beschäftigter Arbeitnehmer
In einem Streitfall hatten die Betriebsparteien eine Gruppenbildung vorgenommen, indem sie die Geltung des Sozialplans auf Arbeitnehmer beschränkten, die an einem bestimmten Stichtag (30.6.2012) in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber standen. Damit haben sie zugleich die danach eingestellten Arbeitnehmer von dem Geltungsbereich dieses Sozialplans ausgenommen.
Problematisch war hierbei allerdings, dass diese vom Sozialplan ausgenommenen Arbeitnehmer ausschließlich auf der Grundlage befristeter Arbeitsverhältnisse beschäftigt wurden.
Damit stellte sich die Frage nach der berechtigten oder unberechtigten Schlechterstellung der befristet beschäftigten Arbeitnehmer.
Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG darf ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer wegen der Befristung des Arbeitsvertrags nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigten. Das Verbot, das unter dem Vorbehalt der sachlichen Rechtfertigung grundsätzlich jede unterschiedliche Behandlung untersagt, umfasst auch eine mittelbare Benachteiligung befristet beschäftigter Arbeitnehmer. Es greift nur ein, wenn sich die befristet Beschäftigten in einer vergleichbaren Situation wie Dauerbeschäftigte befinden. Daher sind die Gesamtumstände, insbesondere
- die Art der Arbeit,
- die Ausbildungsanforderungen und
- die Arbeitsbedingungen,
zu würdigen.
Sachlicher Grund
Eine unterschiedliche Behandlung vergleichbarer unbefristeter und befristetet beschäftigter Arbeitnehmer ist zulässig, wenn dafür ein sachlicher Grund besteht. Der Rechtfertigungsgrund darf dabei weder unmittelbar noch mittelbar auf der Befristung selbst beruhen. Dagegen sind Umstände notwendig, die sich etwa aus der besonderen Art der Arbeit oder aus sonstigen sozialpolitischen Zielen ergeben. Die Ungleichbehandlung muss überdies geeignet und erforderlich sein, um das verfolgte Ziel zu erreichen. Die entsprechende Prüfung muss sich am Zweck der Leistung orientieren.
Ein Überblick über die drei Teilbereiche des „Kollektiven Arbeitsrechts“: Betriebsverfassungsrecht (BetrVG, SprAuG, EBRG), Unternehmensmitbestimmungsrecht (DrittelbG, MitbestG, Montan-MitbestG), Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht (TVG, Artikel 9 III GG)
Die Benachteiligung befristet beschäftigter Arbeitnehmer durch die von den Betriebsparteien vorgenommene Gruppenbildung ist mit Blick auf den vom Sozialplan verfolgten Zweck durch sachliche Gründe gerechtfertigt.
Der Sozialplan dient dem Ausgleich oder der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, die infolge der geplanten Betriebsänderung bei den betroffenen Beschäftigten entstehen. Dabei entspricht es einem allgemeinen sozialpolitischen Interesse, dass Sozialpläne danach unterscheiden können, welche wirtschaftlichen Nachteile den Arbeitnehmern drohen, die insbesondere dadurch entstehen, dass diese ihren Arbeitsplatz verlieren. Damit können die Betriebsparteien der Notwendigkeit Rechnung tragen, die nur begrenzt zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel gerecht zu verteilen.
Es handelt sich bei diesem Beitrag um eine teilweise wortgleiche stark verkürzte Darstellung der Entscheidungsgründe des BAG aus dem Urteil vom 30.1.2024 – 1 AZR 62/23.
Anm. d. Red.: Eine ausführliche Besprechung der Entscheidung durch den Arbeitgebervertreter in diesem Verfahren finden Sie auf S. 54 in dieser Ausgabe der AuA 6/24.
Dr. jur. Günter Schmitt-Rolfes
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