Stufenaufstieg während Bestandsschutzklage?

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 Bild: Who is Danny/stock.adobe.com
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Die Klägerin begehrte über eine Befristungskontrollklage erfolgreich die Weiterbeschäftigung nach Befristungsende (31.12.2012) – und die Anerkennung der Stufenlaufzeit (§ 16 Abs. 4 TVöD-Bund) für die Zeit zwischen dem Befristungsende und der Rechtskraft des Urteils (7.4.2015). Während des Gerichtsverfahrens war der Kläger vom 2.12.2013 bis zum 29.1.2015 arbeitsunfähig erkrankt. Die Stufenlaufzeit der Stufe 3 begann zunächst am 1.12.2012, die Beklagte berücksichtigte die Zeit während des laufenden Gerichtsverfahrens jedoch nicht und setzte die Stufenlaufzeit der Stufe 3 ab dem 7.4.2015 fort. Die Klägerin begehrte sodann vor dem ArbG Magdeburg die Feststellung, dass sie so zu stellen sei, als hätte sie durchgehend gearbeitet – die Stufenlaufzeit müsse somit ebenfalls ohne Unterbrechung vollständig berücksichtigt werden.

Das BAG entschied dazu mit Urteil vom 12.9.2022 (6 AZR 261/21), dass Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis nur rechtlich bestehe, in denen Beschäftigte aber keine Arbeitsleistung erbringen, nach der tariflichen Konzeption grundsätzlich nicht auf die Stufenlaufzeit anzurechnen seien und nicht zu einem früheren Stufenaufstieg führen. Jedoch gebe es in § 17 Abs. 3 Satz 1 TVöD eine Ausnahmeregelung dazu, die abschließend sei. Nur die dort genannten Zeiten dürfen daher während eine Phase ohne tatsächliche Arbeitserbringung berücksichtigt werden. Nach diesem abschließenden tariflichen Regelungskonzept werden auch Zeiten, in denen Beschäftigte während der Dauer einer Bestandsschutzstreitigkeit nicht tatsächlich arbeiten, nicht auf die Stufenlaufzeit angerechnet. Eine analoge Anwendung des § 17 Abs. 3 Satz 1 TVöD scheide – so das BAG – mangels Regelungslücke aus. Das BAG berücksichtigte demnach gem. § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b TVöD i. V. m. den §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB 39 Wochen Arbeitsunfähigkeit und damit die Tage vom 2.12.2013 bis einschließlich zum 1.9.2014.

Wichtig: Für die Zeit der Bestandsschutzstreitigkeit wird lediglich der ursprüngliche Erfüllungsanspruch aufrechterhalten und nur dieser ist im Falle des Obsiegens der Klägerseite auszuzahlen. Die Stufenlaufzeit unterliegt den Regelungen der §§ 16, 17 TVöD/TV-L.

Der Kläger ist von der Beklagten jedoch im Wege des Schadensersatzes (§ 280 Abs. 1, §§ 249 ff. BGB i. V. m. dem vertraglichen Beschäftigungsanspruch) so zu stellen, als sei er vom 1. Januar bis zum 1. Dezember des Jahres 2013 sowie vom 30. Januar bis einschließlich 7. April des Jahres 2015 ununterbrochen in seiner Entgeltgruppe tätig gewesen und habe dadurch die für das Zurücklegen der Stufenlaufzeit in der Stufe 3 des § 16 Abs. 4 TVöD-Bund erforderliche Berufserfahrung erworben.

Die Beklagte war jedoch aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrags verpflichtet, den Kläger während des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses mit den vereinbarten Tätigkeiten zu beschäftigen. Diesen allgemeinen vertraglichen Beschäftigungsanspruch habe die Beklagte seit dem 1.1.2013 nicht mehr erfüllt, weil sie das Arbeitsverhältnis nach dem Befristungsablauf für beendet hielt. Damit habe sie zumindest eine vertragliche Nebenpflicht verletzt. Einen unverschuldeten Rechtsirrtum habe die Beklagte nicht dargelegt und der Kläger müsse sich kein Mitverschulden anrechnen lassen. Nur die Zeit vom 2.9.2014 bis zum 29.1.2015, in welcher der Kläger arbeitsunfähig erkrankt war und die über die 39 Wochen des § 17 Abs. 3 TVöD hinausgeht, unterfallen nicht dem Schadensersatz.

Sebastian Günther

Sebastian Günther
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner, GÜNTHER · ZIMMERMANN Rechtsanwälte, Berlin
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Stufenaufstieg während Bestandsschutzklage?
Seite 60 bis 61
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