Traue keiner Statistik ...

Arbeitslosigkeit und Beschäftigung
Immer mehr Beschäftigte, immer weniger Arbeitslose! Das zeigen die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA). Die Behörde legt aber auch andere Zahlen offen. Und die zeigen: Auf dem Arbeitsmarkt ist nicht alles Gold, was in einzelnen Statistiken glänzt. Nur wird darüber kaum berichtet.
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 Bild: denisismagilov/stock.adobe.com
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1 Erwerbstätigkeit in Deutschland

Die Erwerbstätigkeit hat nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2017 ihren höchsten Stand seit der Wiedervereinigung erreicht. Das schreibt die BA in dem im 3. Quartal des vergangenen Jahres erschienenen Bericht „Der Arbeitsmarkt in Deutschland 2017“. Insgesamt waren danach 44,29 Millionen Menschen erwerbstätig: 36,97 Millionen als Arbeitnehmer, 4,31 Millionen als Selbstständige und mithelfende Familienangehörige, die übrigen als Beamte (einschließlich Soldaten) oder in einem anderen Rechtsverhältnis.

Wie sich aus dem genannten Bericht ergibt, ist damit die Zahl der Erwerbstätigen im Vergleich zum Vorjahr um 653.000 oder 1,5 % gestiegen. Und das nachdem sie sich bereits 2016 um 569.000 oder 1,3 % erhöht hatte.

Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass auch die Zahl der Arbeitslosen gesunken ist – nach Angaben der BA wiederum auf einen Rekordwert seit der Wiedervereinigung.

2 Die offizielle Arbeitslosenstatistik

Nach der offiziellen Arbeitslosenstatistik waren im Jahresdurchschnitt 2017 2,53 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Das sind 158.000 oder 6 % weniger als im Jahr zuvor.

Die Arbeitslosenquote belief sich 2017 auf 5,7 % und verringerte sich damit um 0,4 Prozentpunkte. In den östlichen Bundesländern war die Quote mit 7,6 % allerdings deutlich höher als in den westlichen mit 5,3 %.

Und nicht nur zwischen „West“ und „Ost“ gibt es große Unterschiede, sondern auch zwischen den einzelnen Bundesländern: Die geringste Arbeitslosigkeit gab es 2017 in Bayern und Baden Württemberg mit einer Quote von 3,2 bzw. 3,5 %. Traurige Schlusslichter bildeten Berlin und Bremen mit 9,0 bzw. 10,2 %.

Geschlechtsspezifische Unterschiede gibt es bei der Arbeitslosenquote kaum. Sie lag 2017 nach dem Bericht der BA zum Arbeitsmarkt in Deutschland bei Männern mit 5,9 % leicht über dem Durchschnitt aller Erwerbspersonen (5,7 %). Bei Frauen lag sie mit 5,4 % leicht darunter.

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Arbeitslosenquote bei Männern um 0,5 Prozentpunkte gesunken, bei Frauen um 0,4.

3 Arbeitslosigkeit von Ausländern

Ein, wie es die BA in dem Bericht zum Arbeitsmarkt ausdrückt, „markanter Unterschied“ zeigt sich allerdings bei den Arbeitslosenzahlen von Deutschen und Ausländern.

Die Arbeitslosigkeit von Deutschen hat sich 2017 um 185.000 auf 1.871.000 verringert. Das entspricht einem Rückgang um 9 %. Die Arbeitslosenquote hat sich dadurch um 0,5 Prozentpunkte auf 4,7 % aller Deutschen reduziert.

Zugleich ist aber die Zahl ausländischer Arbeitsloser um 26.000 auf 655.000 gestiegen. Damit hat sich die Arbeitslosenzahl bei dieser Personengruppe um 4 % erhöht. Sie ist mit 14,6 % fast dreimal so hoch wie bei Deutschen.

Die BA führt den Anstieg in dem genannten Bericht fast allein auf die vermehrte Einwanderung aus nichteuropäischen Asylherkunftsländern zurück. Bei dieser Personengruppe hat sich die Zahl der Arbeitslosen um 43.000 oder 29 % auf insgesamt 192.000 erhöht.

Und dennoch: Auch hier gibt es gute Nachrichten. Die Zahl arbeitsloser Ausländer ist trotz der Probleme durch die starke Einwanderung aus nichteuropäischen Asylherkunftsländern insgesamt um 0,7 Prozentpunkte gesunken. Nach Angaben der BA erklärt sich das dadurch, dass die Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften stärker gestiegen ist als ihre Arbeitslosigkeit.

4 Was die Arbeitslosenstatistik zeigt – und was nicht

Auch wenn es damit zwischen einzelnen Bundesländern und Personengruppen erhebliche Unterschiede gibt: Insgesamt klingen die Arbeitslosenzahlen recht gut – jedenfalls im Vergleich zu den Vorjahren. Und so verwundert es nicht, dass viele (Regierungs-)Politiker freudig auf die sinkenden Zahlen hinweisen.

Das ist durchaus verständlich. Ganz so einfach ist es aber nicht. Denn die aktuellen Zahlen lassen sich nur schwer mit älteren Statistiken zur Arbeitslosigkeit vergleichen.

Die BA legt in ihrem Bericht zum Arbeitsmarkt dar, dass durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente ab 2009 eine Reihe solcher Instrumente verändert, abgeschafft oder neu gestaltet wurden. Und diese Neuausrichtung hat, wie die Behörde weiter ausführt, Auswirkungen auf die Vergleichbarkeit der Arbeitslosenzahlen.

Von Bedeutung für die Bewertung der Arbeitslosenstatistik ist insofern insbesondere die Regelung des § 16 Abs. 2 SGB III. Danach gelten Teilnehmer an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik nicht als arbeitslos. Zu diesen Maßnahmen gehören die in § 45 SGB III genannten zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung. An solchen Maßnahmen haben allein im Jahresschnitt 2017 208.000 Menschen teilgenommen. Sie alle finden sich nicht in der Arbeitslosenstatistik.

Darüber hinaus gibt es weitere arbeitsmarktpolitische Instrumente, die die Arbeitslosenzahl statistisch verringern. Dazu gehören insbesondere:

  • Maßnahmen des „zweiten Arbeitsmarktes“, also Arbeitsgelegenheiten, Beschäftigungszuschüsse und die Förderung von Arbeitsverhältnissen,
  • die berufliche Weiterbildung (einschl. Reha) sowie Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung,
  • die sog. Fremdförderung. Sie umfasst die nicht von den Arbeitsagenturen bzw. Jobcentern durchgeführten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, z. B. die Integrationskurse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Und nicht nur das: Seit Januar 2009 führt die Regelung des § 53a Abs. 2 SGB II zu einer weiteren Verringerung der Arbeitslosenzahl – allerdings wiederum nur statistisch. Vorschrift – § 53a Abs. 2 SGB II Erwerbsfähige Leistungsberechtige, die nach Vollendung des 58. Lebensjahres mindestens für die Dauer von zwölf Monaten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende bezogen haben, ohne, dass ihnen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten worden ist, gelten nach Ablauf dieses Zeitraums für die Dauer des jeweiligen Leistungsbezugs nicht als arbeitslos.

162.000 Erwerbsfähige galten aufgrund dieser Regelung 2017 nicht als arbeitslos. Das Problem: Sie waren es trotzdem.

5 Bedeutung der „entlastenden Arbeitsmarktpolitik“

Insgesamt wurden durch die „entlastende Arbeitsmarktpolitik“ (ohne Kurzarbeit) 2017 984.000 Menschen ohne oder ohne reguläre Arbeit nicht in der Arbeitslosenstatistik aufgeführt – eine beachtlich hohe Zahl, hinter der sich viele Einzelschicksale verbergen. Und sie ist in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen: 2015 umfasste sie noch 837.000, 2016 886.000 Menschen.

Das trübt das Bild von der sinkenden Arbeitslosigkeit erheblich. Und auch die Eingliederung von Menschen aus nichteuropäischen Asylherkunftsländern ist bei genauerer Betrachtung leider noch schlechter, als es sich aus der Arbeitslosenstatistik ergibt. Denn auch hier wirken Effekte, die zu einer lediglich statistischen Entlastung der Arbeitslosenzahl führen.

Diese statistische Entlastung beruht – worauf die BA ausdrücklich hinweist – gerade bei dieser Personengruppe auf dem Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente. Große Bedeutung haben dabei Maßnahmen der sog. Fremdförderung, zu der die Teilnahme an Integrationskursen beim BAMF zählt.

Insgesamt gab es 2017 248.000 Menschen, die an Maßnahmen der Fremdförderung teilnahmen und deshalb nicht als arbeitslos galten. Interessant ist, dass die Zahl dieser Maßnahmen allein 2017 um 93.000 gestiegen ist, nachdem sie bereits im Vorjahr um 57.0000 erhöht wurde. Das ist eine Steigerung um 150.000 allein innerhalb der letzten zwei Jahre. Zum Vergleich: 2008 gab es gerade einmal 34.000 solcher Maßnahmen.

Aber nicht nur Personen, die sich in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen befinden, und die in § 53a Abs. 2 SGB II genannten älteren Menschen werden aus der Statistik „herausgerechnet“. Nicht als arbeitslos gelten darüber hinaus auch Personen, die

  • arbeitsunfähig erkrankt sind,
  • nicht arbeiten dürfen oder können,
  • ihre Verfügbarkeit ohne zwingenden Grund einschränken oder
  • als Nichtleistungsempfänger die Pflichten eines Arbeitsuchenden nicht erfüllen.

6 Die „Stille Reserve“

Schwierig ist die Quantifizierung bei der sog. Stillen Reserve. Unter diesen Begriff fasst die BA

  • Personen, die beschäftigungslos sowie verfügbar sind und Arbeit suchen, ohne als Arbeitslose registriert zu sein,
  • Personen, die die Arbeitsuche entmutigt aufgegeben haben, aber bei guter Arbeitsmarktlage Arbeitsplätze nachfragen würden,
  • Personen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und in Warteschleifen des Bildungs- und Ausbildungssystems sowie
  • Personen, die aus Arbeitsmarktgründen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind.

Wie viele Erwerbsfähige das sind, kann nur geschätzt werden. Die BA geht davon aus, dass diese Gruppe 1.046.000 Menschen umfasst. Z. T. handelt es sich dabei allerdings um beschäftigungslose Personen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Deren Zahl lässt sich aus Geschäftsstatistiken der BA gewinnen. Zieht man von der geschätzten Zahl der Stillen Reserve insgesamt diejenigen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ab, gelangt man zur Stillen Reserve im engeren Sinne. Dazu gehören 182.000 Menschen.

7 Die Unterbeschäftigungsstatistik

Besonders aussagekräftig sind die Zahlen der Arbeitslosenstatistik also nicht – schon weil viele Menschen, die keiner oder keiner regulären Beschäftigung nachgehen, nach den gesetzlichen Vorgaben einfach als nicht arbeitslos gelten. Und ein Vergleich mit den Vorjahren wird durch die Maßnahmen zur entlastenden Arbeitsmarktpolitik erheblich erschwert.

Das alles ist indes nicht das Verschulden der BA. Sie stellt in der Arbeitslosenstatistik lediglich dar, was „die Politik“ für die Ermittlung der Arbeitslosigkeit in Gesetzesform gegossen hat. Und das bildet den tatsächlichen Beschäftigungsbedarf eben nicht wirklich realistisch ab.

Die BA veröffentlicht aber nicht nur die Arbeitslosenstatistik. Um mehr Transparenz zu schaffen, erarbeitet die Behörde auch eine „Statistik zur Unterbeschäftigung“. Und die zeigt deutlich(er), wie groß der Beschäftigungsbedarf tatsächlich ist.

In dieser Statistik werden zusätzlich zu den registrierten Arbeitslosen auch die Personen erfasst, die nach den gesetzlichen Vorgaben nicht als arbeitslos gelten, weil sie an einer Maßnahme der Arbeitsförderung teilnehmen oder in einem arbeitsmarktbedingten Sonderstatus sind. Zu Letztgenannten gehören auch ältere Arbeitnehmer, die im Hinblick auf die Vorgaben des § 53a Abs. 2 SGB II nicht in der Arbeitslosenstatistik auftauchen. Eingerechnet werden zudem Personen, die zeitweise arbeitsunfähig erkrankt waren und deshalb nicht als arbeitslos gezählt wurden.

8 Die Zahlen hinter den Zahlen

Als „unterbeschäftigt“ galten 2017 3,52 Millionen Erwerbsfähige. Das sind 984.000, also fast eine Million Menschen mehr, als sich in der Arbeitslosenstatistik finden. Die Unterbeschäftigungsquote beträgt 7,8 % und ist damit um mehr als ein Drittel größer als die Arbeitslosenquote.

Wie die nebenstehende Statistik zeigt, ist die Unterbeschäftigungsquote in den westlichen Bundesländern 2,1 Prozentpunkte höher als die Arbeitslosenstatistik. In den östlichen Bundesländern übersteigt sie die Arbeitslosenquote sogar um 2,8 Prozentpunkte.

Auf der Ebene der Bundesländer nehmen auch bei der Unterbeschäftigung Bayern und Baden Württemberg die Spitzenplätze ein. Und ebenso wie bei der Arbeitslosenstatistik bilden Berlin und Bremen die traurigen Schlusslichter. Zwischen anderen Ländern ergeben sich aber teilweise Verschiebungen. Während z. B. das Saarland bei einem Vergleich der Arbeitslosenquote gemeinsam mit Sachsen auf Rang 8 liegt, liegt es beim Vergleich der Unterbeschäftigungsquote nur auf Rang 12 – vier Plätze hinter Sachsen.

Besonders deutliche Unterschiede zeigen sich beim Vergleich von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung von Staatsangehörigen aus den zuzugsstärksten nichteuropäischen Asylherkunftsländern. Während die jahresdurchschnittliche Arbeitslosigkeit bei dieser Personengruppe um 29 % auf 192.000 stieg, hat sich die Unterbeschäftigung um 52 % auf 426.000 erhöht.

9 Ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigte

Aber nicht nur ein genauer Blick auf die Arbeitslosenstatistik trübt die Freude. Auch bei den Beschäftigungszahlen zeigt sich neben Licht viel Schatten.

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Von den in der Statistik aufgeführten 36,97 Millionen Arbeitnehmern standen 2017 nur 32,17 Millionen in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. 4,8 Millionen sind ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigte. Sie verdienten pro Monat also nur 450 Euro oder weniger.

Diese Gruppe stellt 10,8 % aller Erwerbstätigen – also aller Arbeitnehmer, Selbstständigen, Beamten und sonstigen Beschäftigten – dar. Und auch hier gibt es erhebliche Unterschiede: zwischen den Geschlechtern ebenso wie zwischen den westlichen und östlichen Bundesländern.

2017 gab es 2,99 Millionen ausschließlich geringfügig entlohnte Frauen und 1,81 Millionen derartig entlohnter Männer. Im Westen waren 4,19 Millionen Menschen ausschließlich geringfügig beschäftigt, im Osten 612.417. Im westlichen Teil Deutschlands waren es 2,66 Millionen Frauen und 1,53 Millionen Männer, im östlichen Teil 332.165 Frauen und 280.252 Männer – ein deutlich anderes Geschlechterverhältnis.

10 Geringfügig entlohnte Nebenjobber

Aber auch wer in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht, hat nicht immer ein ausreichendes Einkommen. Das zeigt die Zahl derer, die zusätzlich zu ihrem Hauptberuf einen geringfügig entlohnten Nebenjob ausüben.

2017 waren das 2,7 Millionen Arbeitnehmer – 8,4 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Das sind 112.000 (4,3 %) mehr als 2016. Und das nachdem die Zahl bereits im Vorjahr um 105.000 (4,2 %) gestiegen war.

Diese Steigerung spiegelt nicht nur eine kurzfristige, sondern eine langfristige Entwicklung wider. Zum Vergleich: 2007 betrug die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die zusätzlich einen geringfügig entlohnten Nebenjob ausübten, lediglich 6,4 %.

11 Teilzeitbeschäftigung

Interessant ist ebenso die Zahl der Teilzeitbeschäftigten. Und auch hier zeigt sich eine deutliche Tendenz: Es gibt immer mehr solcher Beschäftigungsverhältnisse.

2017 waren 8,94 Millionen Menschen in Teilzeit tätig. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten lag damit bei 27,8 %. 2016 lag die Quote noch bei 27,3 %, im Jahr davor bei 26,6.

Dieser Trend nach oben spiegelt ebenfalls eine langfristige Entwicklung wider: 2007 waren 19 %, 1997 gerade einmal 13,3 % der Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Zahlen nur die Entwicklung bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zeigen. Dazu kommen diejenigen, die als Beamte, Richter oder in einem ähnlichen Rechtsverhältnis in Teilzeit arbeiten.

Ein negativer Trend ist das aber nicht unbedingt. Zwar gibt es sicherlich einige, die – schon im Hinblick auf ihr Einkommen – gerne mehr arbeiten würden. Für viele Menschen gibt es aber nur durch die Teilzeitarbeit überhaupt die Möglichkeit, am Erwerbsleben teilzuhaben, insbesondere weil sie oftmals die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht. Und es gibt natürlich auch etliche andere Gründe, die Teilzeitarbeit aus Sicht der Beschäftigten vorteilhaft erscheinen lässt.

Klar ist aber auch, dass die Entwicklung sich statistisch auswirkt – und zwar erheblich: Je mehr Vollzeit- in Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse umgewandelt werden, umso mehr steigt die Zahl der Erwerbstätigen und sinkt die Zahl der Arbeitslosen und Unterbeschäftigten – ohne dass sich das vorhandene Arbeitsvolumen und das daraus zu verteilende Einkommen insgesamt ändert.

12 Fazit

Mit Statistiken ist es bekanntlich so eine Sache. Je nach Sichtweise kann man aus der gleichen Statistik oftmals eher Positives oder eher Negatives herauslesen. Das gilt natürlich in besonderem Maße bei den Zahlen zum Arbeitsmarkt. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, Regierung und Opposition sowie viele andere können hier unterschiedliche Schwerpunkte bei der Interpretation setzen.

Die aus dem Bericht der BA zum Arbeitsmarkt in Deutschland entnommenen Zahlen belegen aber eines sehr deutlich: Eine Fokussierung auf die Arbeitslosenstatistik und die Erwerbstätigenzahl zeigt bestenfalls ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit.

Der Gesetzgeber hat Instrumente geschaffen, die die Zahl der Arbeitslosen zwar statistisch, aber eben nicht tatsächlich verringern. Und diese Instrumente laden die jeweils Regierenden teilweise geradezu zum Missbrauch ein – eben weil der Blick der Öffentlichkeit vor allem auf die Arbeitslosenstatistik gerichtet ist.

Aber auch bei der Erwerbstätigkeit lohnt sich „ein Blick hinter die Kulissen“. So zeigen bspw. die Zahlen über die ausschließlich geringfügig Entlohnten und die hohe Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die zusätzlich einen geringfügig entlohnten Nebenjob ausüben, dass Quantität bei der Erwerbstätigkeit nicht alles ist.

Ob der Gesetzgeber die Vorgaben zur Erfassung der Arbeitslosigkeit jemals ändert ist fraglich – schon weil jede Regierung ein großes Interesse daran hat, möglichst positiv wirkende Zahlen kommunizieren zu können. Umso mehr sind die Medien gefordert, ihren Blick nicht nur auf die Arbeitslosenstatistik zu werfen, sondern diese ebenso kritisch zu hinterfragen wie die Zahlen zur Erwerbtätigkeit.

Die BA liefert in ihren Berichten zum Arbeitsmarkt fundierte und wertvolle Statistiken und viele weitere Informationen, die eine sachgerechte Einschätzung der tatsächlichen Lage ermöglichen. Diese Transparenz ist wichtig und mehr als nur lobenswert. Sie muss aber auch genutzt werden.

Prof. Dr. Arnd Diringer

Prof. Dr. Arnd Diringer
Leiter Forschungsstelle für Arbeitsrecht, Hochschule Ludwigsburg, Kolumnist, Welt am Sonntag
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Traue keiner Statistik ...
Seite 84 bis 87
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