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 Bild: beast01/stock.adobe.com
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RECHTSPRECHUNG - Kurz kommentiert

Verfahrensfehler bei der Durchführung eines BEM durch einen externen Dienstleister

Ein seit 2014 beschäftigter Transporteur wies seit dem Jahr 2018 erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten auf, die zwischen 65 und bis zu 121 Arbeitstagen pro Jahr betrugen. Das Unternehmen hatte mit der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) einen externen Dienstleister beauftragt. Dieser lud den Mitarbeiter im Januar 2023 zur Teilnahme an einem BEM ein. Gemäß einer Betriebsvereinbarung war im Unternehmen vorgesehen, dass das BEM sich aus einem ersten Informationsgespräch zusammensetzt, an das sich dann das eigentliche BEM anschließen kann, wenn der Betroffene dies möchte. Im Rahmen des Einladungsschreibens teilte der externe Dienstleister mit, dass die Teilnahme am BEM freiwillig sei und jederzeit beendet werden könne. Bei einer Ablehnung könnten jedoch die Grundlagen der Weiterbeschäftigung betroffen sein. Es könne auch sein, dass im Rahmen des BEM weitere Daten zu erheben sind, über deren Weitergabe allein der Betroffene entscheidet. Die Daten seien auch abgesichert, indem sie in einer gesonderten BEM-Akte geführt werden, auf welche nur das BEM-Team Zugriff hat.

Der Mitarbeiter kreuzte in dem vorgedruckten Antwortschreiben an, dass er an einem ersten Informationsgespräch interessiert sei und dazu den Betriebsratsvorsitzenden mitbringen werde. Im Zeitpunkt des Informationsgesprächs war der Mitarbeiter gesund. Er gab am Ende an, dass für ihn die Arbeit passe und keine Änderungen der Arbeitsbedingungen erforderlich seien. Der externe Dienstleister vermerkte sodann, dass das BEM nicht startet, da der Mitarbeiter mit seinem Arbeitsplatz zufrieden sei.

Im Juli 2023 hörte das Unternehmen den Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung an. Im Anschluss kündigte das Unternehmen den Kläger ordentlich zum 31.10.2023. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte in beiden Instanzen Erfolg (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 14.1.2025 – 15 Sa 22/24).

Zugunsten der Beklagten wurde unterstellt, dass die erheblichen Fehlzeiten des Klägers zu wiederum erheblichen Entgeltfortzahlungskosten geführt hatten und somit grundsätzlich eine krankheitsbedingte Kündigung in Betracht kommt. Allerdings hatte die Beklagte nicht dargelegt, dass keine zumutbare Möglichkeit bestand, die Kündigung durch mildere Maßnahmen zu vermeiden. Solche können etwa die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung auf einem anderen, dem Gesundheitszustand entsprechenden Arbeitsplatz sein. Zwar habe die Arbeitgeberin den BEM-Prozess durch Einladung zum Informationsgespräch gestartet, jedoch seien dabei erhebliche Verfahrensfehler unterlaufen. Erforderlich ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes BEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden welche Krankheitsdaten erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Nur bei entsprechender Unterrichtung kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines BEM die Rede sein.

  • Hier lag der erste Verfahrensfehler darin, dass der externe Dienstleister dem Kläger nicht mitgeteilt hatte, welche Krankheitsdaten erhoben und gespeichert und inwieweit sie für welche Zwecke dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Die Fehler des externen Dienstleisters müsse sich die Beklagte zurechnen lassen. Allein der Hinweis, dass sämtliche Dokumente in einer geschlossenen BEM-Akte geführt würden, auf die nur das BEM-Team Zugriff habe, war ungenügend. Es war schon unklar, welche Personen zum BEM-Team gehören.
  • Der zweite Verfahrensfehler lag darin, dass der Kläger nur zu einem ersten Informationsgespräch eingeladen wurde, so dass er davon ausgehen konnte, dass im Falle weiter Fehlzeiten das eigentliche BEM-Gespräch erst gestartet wird. Die Beklagte habe jedoch die beiden Verfahrensschritte Information und BEM vermischt. Die Konzeption, ein Informationsgespräch vorzuschalten ist zwar nicht generell für ein BEM notwendig, sie ist aber rechtlich zulässig.
  • Der dritte Verfahrensfehler lag in der irreführenden Kommunikation der Beklagten zum Thema der Konsequenzen eines Nichtstattfindens des BEM. Der Kläger musste den Eindruck gewinnen, dass er im Falle einer weiteren Erkrankung nicht eine Kündigung bekomme, sondern die Chance ein weiteres BEM zu starten.

Diese Verfahrensfehler waren auch kausal für die Nichtdurchführung des BEM. Es müssen schon besondere Umstände vorliegen, damit angenommen werden kann, dass eine unzureichende Aufklärung insbesondere über die Fragen der Datenerhebung und -weiterleitung nicht zur Nichtdurchführung eines BEM beigetragen haben.

Dr. Claudia Rid

Dr. Claudia Rid

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, CMS Hasche Sigle, München
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Verfahrensfehler bei der Durchführung eines BEM durch einen externen Dienstleister

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