Wer kennt es nicht: Am Ende eines Meetings steht nicht die beste Idee, sondern ein Machtwort der ranghöchsten Führungskraft, die bewusst oder unbewusst erwartet, dass das Team ohne Widerworte folgt. Autoritätsbias und Gruppendenken verstärken diese Dynamik, indem wir Aussagen von Führungspersonen höheres Gewicht beimessen und aus dem Streben nach Harmonie einmal mehr auch schlechteren Ideen zustimmen. Macht kann in vielfältigen Formen stattfinden – vom einfachen Machtwort bis hin zur Gewalt durch individuellen, strukturellen oder institutionellen Machtmissbrauch.
Doch wie ist Macht eigentlich definiert? Zunächst ist es eine physische und psychische Handlungsmöglichkeit. Macht heißt, in der Lage zu sein, etwas zu tun oder zu lassen, etwas nicht tun oder lassen zu müssen. Jeder von uns ist eingewebt in diese unsichtbaren Netzwerke von Handlungsmöglichkeiten und Unterdrückung – in der Gesellschaft, in Organisationskontexten und im Team. Stellen wir uns zwei Personen in einem Unternehmen vor: der weiße, deutsche Chef und die Schwarze Frau ohne EU-Pass, deren Aufenthaltsgenehmigung an diesen Arbeitsplatz geknüpft ist. Dabei ist das Zusammenspiel von verschiedenen Macht- oder Nicht-Machtaspekten entscheidend.
Deutlich wird das im Begriff der Intersektionalität, den die US-amerikanische Rechtswissenschaftlerin Kimberley Crenshaw Ende der 1980er-Jahre einführte, um die spezifischen Benachteiligungserfahrungen Schwarzer Frauen im US-Rechtssystem erfassen zu können. Denn Schwarze Frauen sind nicht nur als Frau benachteiligt, sondern auch als Schwarze Person. Sie haben eine besondere Kombination an Benachteiligungen, die in vielfältigen Kontexten wirksam werden können.
Es ist wichtig, diese Machtstrukturen in unserem Alltag zu reflektieren. Dabei hilft ein Verständnis verschiedener Ansätze von Machtausübung – denn Hierarchien und Machstrukturen sind nun einmal da. Jede*r ist eingeladen, daran zu arbeiten, diese Hierarchien kritisch zu hinterfragen und zum Wohle aller positiv zu verändern. Führungskräfte haben hierbei eine besondere Verantwortung.
Die Forscherin Brené Brown bezieht sich bspw. im Kontext inklusiver Führung auf die vier Arten von Macht der Organisation Just Associates – ein Zusammenschluss von Frauen aus dem globalen Süden:
„Power over“ ist eine Art der Top-down-Führung, bei der eine Seite Macht über eine andere hat. Meist wird mit Kontrolle, Dominanz und Zwang gearbeitet. Entscheidungen trifft die Führungskraft allein und erwartet Gehorsam, so wie im einführenden Beispiel.
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„Power with“ meint Co-Kreation und Zusammenarbeit. Führungskräfte agieren als Dienstleistende und behandeln andere mit Empathie und Respekt. In unserem Meeting würde das bedeuten, kein Machtwort zu sprechen, sich zurückzuhalten, zuzuhören oder höchstens moderierend aktiv zu sein, bevor die höchste Führungskraft sich einbringt. Das Ziel ist die beste Idee – nicht als Führungskraft Recht zu haben.
„Power within“ heißt, in einer inklusiven Kultur strukturelle Diskriminierung anzuerkennen und den Selbstwert diskriminierter Beschäftigter zu stärken. Führungskräfte, die selbst marginalisiert sind, kennen möglicherweise den Anpassungsdruck. Es ist wichtig, eigene Abwehrstrategien zu reflektieren und sich selbst zu empowern, also der eigenen Macht und Einflussmöglichkeiten bewusster zu werden.
„Power to“ bedeutet, Mitarbeitenden zu vertrauen, ihr individuelles Potenzial anzuerkennen und in organisierten Netzwerken (Employee Ressource Groups) auszudrücken. Ihre Entscheidungen können in unternehmensstrategischen Fragen einbezogen werden.
Wir müssen lernen, Macht in unseren Entscheidungen zu erkennen, zu teilen und abzugeben. Eine machtkritische Kulturtransformation erfordert Veränderungen auf allen Ebenen – beginnend bei uns selbst. Also: weniger Machtworte, mehr Selbstreflexion, Kollaboration, Wertschätzung, Chancengerechtigkeit und Verantwortungsübernahme.
Floria Moghimi

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