Meinung: Wir müssen Onboarding emotionaler denken

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Bild: Mystery Minds GmbH
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Die ersten Tage in einem neuen Unternehmen sind entscheidend – im Positiven wie im Negativen. Viele HR-Abteilungen setzen auf strukturierte Onboarding-Prozesse mit Willkommensmails, IT-Einweisungen und Einarbeitungsplänen. Doch trotz aller organisatorischen Perfektion bleibt oft das Wichtigste auf der Strecke: das Gefühl, wirklich willkommen zu sein.

Gerade in Zeiten hybrider und remoter Arbeit entstehen Zugehörigkeit und Vertrauen nicht automatisch. Neue Mitarbeitende machen keinen Bürorundgang, treffen keine Kolleg:innen auf dem Flur und erleben somit die Unternehmenskultur nicht beiläufig im Arbeitsalltag. Stattdessen sehen sie viele ihre Kolleg:innen das erste Mal in einem Videocall – ohne Händeschütteln, ohne Körpersprache, sondern lediglich in 2D auf einem Bildschirm. Der emotionale Aspekt des Ankommens ist somit minimal.

Dabei zeigen aktuelle Zahlen deutlich: 88% der Beschäftigten vermissen ein gutes Onboarding-Erlebnis – mit direkten Folgen für Engagement und Bindung (Gallup, 2018: Why the Onboarding Experience Is Key for Retention). Gleichzeitig scheitert jedes fünfte Arbeitsverhältnis bereits in der Probezeit (Personio, 2024: Probezeit – Definition, Dauer & Kündigung). Zwei Kennzahlen, die verdeutlichen: Wer neue Mitarbeitende nicht vom ersten Tag an abholt, riskiert viel.

Onboarding ist weit mehr als die koordinierte Abarbeitung von Aufgaben. Es ist der erste Berührungspunkt mit der gelebten Kultur eines Unternehmens – ein Moment, in dem aus Bewerber:innen Mitgestaltende und zukünftige Corporate Influencer werden können. Strukturierte Einarbeitungspläne reichen hierbei nicht aus. Es braucht Beziehungen.

Dennoch wird die emotionale Seite des Onboardings bislang oft unterschätzt. Wer sich vom ersten Tag an gesehen, willkommen und verbunden fühlt, integriert sich schneller – nicht nur fachlich, sondern auch sozial. Genau diese Bindung hat Auswirkungen: Sie fördert langfristig Motivation, Engagement und Loyalität. Umgekehrt hinterlassen kalte Abläufe, fehlender Austausch oder Orientierungslosigkeit einen bleibenden Eindruck – und gefährden die erfolgreiche Integration.

Besonders in hybriden Organisationen zeigt sich: Kultur muss aktiv gestaltet und Begegnung bewusst und gezielt ermöglicht werden. Persönliche Willkommensgespräche, Buddy-Programme oder digitale Formate wie regelmäßige Team-Check-ins helfen, erste Verbindungen zu knüpfen. Auch strukturierte Netzwerkformate wie Onboarding-Tandems, standortübergreifende Coffee-Chats oder ein monatliches „Ask-me-anything“ mit Führungskräften fördern informellen Austausch – und verhindern frühes Silodenken.

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Zudem lohnt es sich, das Onboarding nicht als Einmal-Ereignis, sondern als Prozess über mehrere Wochen hinweg zu begreifen. Entscheidend ist nicht nur der erste Tag, sondern die kontinuierliche Begleitung in den ersten 90 Tagen. Reflexionsgespräche, Feedbackformate und gezielte Begegnungen mit Kolleg:innen aus anderen Teams können des Weiteren dabei helfen, Orientierung zu geben – und das Unternehmen kennenzulernen.

Gutes Onboarding bietet die Chance, gleich zu Beginn eine Brücke zwischen Menschen, Teams und Themen zu schlagen. In Zeiten des Fachkräftemangels und steigender Fluktuation sollte es nicht nur um effiziente Abläufe gehen, sondern um einen echten Kulturmoment. Wer Onboarding emotional denkt, zeigt nicht nur Professionalität – sondern Weitsicht.

Denn Mitarbeitende werden zwar durch Aufgaben eingebunden, doch durch Beziehungen gehalten.

Isabelle Zimmer

Isabelle Zimmer
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Meinung: Wir müssen Onboarding emotionaler denken
Seite 7
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