Verlängerung der Probezeit um Zeiten einer Unterbrechung der Ausbildung
Problempunkt
Die beklagte Arbeitgeberin betreibt eine Kfz-Werkstatt. Sie schloss mit dem Auszubildenden unter Verwendung eines Formulars der Handwerkskammer F einen Berufsausbildungsvertrag zum Kfz-Mechatroniker ab 1.1.2014. In dem Berufsausbildungsvertrag wurde eine Probezeit von vier Monaten vereinbart. Weiterhin war vereinbart: „Wird die Ausbildung während der Probezeit um mehr als ein Drittel dieser Zeit unterbrochen, so verlängert sich die Probezeit um den Zeitraum der Unterbrechung.“ Der Kläger war während der Probezeit sieben Wochen wegen Krankheit aufgrund eines Sportunfalls arbeitsunfähig. Die Arbeitgeberin kündigte das Berufsausbildungsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 6.5.2014 – und damit nach Ablauf der Probezeit von vier Monaten – fristlos.
Der Auszubildende erhob Kündigungsschutzklage und meint, die Kündigung sei unwirksam, da sie nicht innerhalb der gesetzlichen Probezeit erklärt worden sei. Aus diesem Grund habe es eines wichtigen Grundes bedurft, um die Kündigung zu rechtfertigen. Die Probezeit sei nicht durch die vertragliche Vereinbarung verlängert worden. Die in dem Berufsausbildungsvertrag formularmäßig vorgesehene Verlängerung der Probezeit weiche zu seinen Ungunsten von den gesetzlichen Regelungen der Probezeit in § 20 BBiG ab und sei deshalb gem. § 25 BBiG nichtig. Das ArbG wies die Klage ab, das LAG gab ihr statt.
Entscheidung
Nach dem BAG hat die Kündigung das Berufsausbildungsverhältnis mit sofortiger Wirkung zum 6.5.2014 nach § 22 Abs. 1 BBiG aufgelöst. Die Kündigung bedurfte nicht des Vorliegens eines wichtigen Kündigungsgrundes nach § 22 Abs. 2 BBiG, § 626 Abs. 1 BGB. Die Probezeit war zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung noch nicht abgelaufen. Zwar wäre die viermonatige Probezeit (§ 20 Satz 2 BBiG) an sich mit Ablauf des 30.4.2014 beendet. Aufgrund der vertraglichen Vereinbarung hat sich die Probezeit jedoch um die Dauer der krankheitsbedingten Abwesenheit von sieben Wochen verlängert.
Die vertragliche Verlängerungsabrede wurde auch wirksam vereinbart. Sie ist weder gem. § 25 BBiG nichtig noch handelt es sich um eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB. Obwohl die Verlängerung der Probezeit vorliegend zu einer Überschreitung der gesetzlichen Maximaldauer einer Probezeit von vier Monaten führt, ist diese Abweichung von der gesetzlichen Regelung nach dem BAG nicht zuungunsten des Auszubildenden. Auch der Auszubildende hat ein Interesse daran, während der Probezeit das Ausbildungsverhältnis nach § 22 Abs. 1 BBiG jederzeit lösen zu können, denn sein Kündigungsrecht ist nach Ablauf der Probezeit, falls kein wichtiger Grund vorliegt, sowohl an eine Frist als auch an abschließend im Gesetz festgelegte sachliche Gründe – Berufsaufgabe oder Berufswechsel, nicht aber bloßer Wechsel der Ausbildungsstätte – gebunden (§ 22 Abs. 2 BBiG). Aus Sicht des Auszubildenden verringert sich durch eine Verlängerungsvereinbarung zudem das Risiko, dass der Ausbildende das Ausbildungsverhältnis zum Ende der ansonsten nicht verlängerten Probezeit gem. § 22 Abs. 1 BBiG kündigt, weil ihm die Dauer der tatsächlichen Erprobung wegen erheblicher Fehlzeiten des Auszubildenden als nicht ausreichend erscheint und er die Geltung des § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG verhindern möchte – der Azubi erhält also eine „zweite Chance“.
Die Probezeit, die in Berufsausbildungsverhältnissen anders als in regulären Arbeitsverhältnissen gesetzlich verpflichtend ist, dient auch der Prüfung, ob der gewählte Beruf den Vorstellungen und Anlagen des Auszubildenden entspricht. Bei einer erheblichen tatsächlichen Unterbrechung der Probezeit, wie hier vertraglich vereinbart von einem Drittel, wäre dieser Zweck gefährdet. Die getroffene Regelung ist deshalb nicht zu beanstanden (Leinemann/Taubert, BBiG, 2. Aufl., § 20 Rdnr. 14). Die Problematik einer Erweiterung der Dauer der tatsächlichen Erprobung auf insgesamt mehr als vier Monate stellt sich nicht, wenn der Zeitraum der Verlängerung wie hier dem der tatsächlichen Unterbrechung der Ausbildung entspricht. Die Dauer der tatsächlichen Erprobung bleibt damit unverändert.
Die Beklagte war schließlich nicht gehindert, sich auf die verlängerte Probezeit zu berufen und die Kündigung war auch nicht treuwidrig. Grundsätzlich kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen die Ausbildung ausgefallen ist und aus wessen Sphäre sie stammen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben kann sich der Ausbildende aber nicht auf die vertragliche Verlängerung der Probezeit berufen, wenn er die Unterbrechung selbst vertragswidrig herbeigeführt hat (vgl. BAG, Urt. v. 15.1.1981 – 2 AZR 943/78, NJW 1982, S. 2628). Dies war bei der Arbeitsunfähigkeit infolge der Sportverletzung nicht der Fall.
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Konsequenzen
Das BAG stellt klar, dass die Verlängerung der Probezeit in einem Berufsausbildungsverhältnis wirksam vereinbart werden kann, wenn die Probezeit um mehr als ein Drittel unterbrochen wird. Damit kann sichergestellt werden, dass beide Parteien ausreichend Zeit haben, die Eignung und damit die Erfolgsaussichten der Berufsausbildung abzusichern.
Auf reguläre Arbeitsverhältnisse ist die Entscheidung dagegen nicht übertragbar, was das BAG ebenfalls klarstellt. Die gesetzliche Maximaldauer der Wartezeit von sechs Monaten (§ 1 Abs. 1 KSchG) kann in Arbeitsverhältnissen also auch im Falle einer längeren Erkrankung nicht – auch nicht einvernehmlich – verlängert werden.
Praxistipp
Die vom BAG anerkannte Verlängerungsklausel sollten Ausbilder aus praktischen Gründen verwenden. Wenn Vertragsvorlagen der IHK oder anderer Kammern für das Berufsausbildungsverhältnis genutzt werden, ist zu prüfen, ob diese Vorlagen eine solche Verlängerungsmöglichkeit enthalten. Ansonsten kann diese im Wege eines separaten Ergänzungsvertrags vereinbart werden. Die Vorgaben des BAG von einem Drittel der Probezeitdauer für eine maßgebliche Unterbrechung dürfen nicht unterschritten werden.
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