Vorbeschäftigung von sehr kurzer Dauer

§ 14 Abs. 2 TzBfG

Ein vor ca. 13 Jahren bestandenes Arbeitsverhältnis für die Dauer von acht Wochen als Aushilfe kann eine Vorbeschäftigung von sehr kurzer Dauer darstellen, welche die Unzumutbarkeit der Anwendung von § 14 Abs. 2Satz 2 TzBfG bedingt.

(Leitsatz des Bearbeiters)

BAG, Urteil vom 15.12.2021 – 7 AZR 530/20

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Problempunkt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung. Zwischen dem Kläger und der Beklagten bestand in der Zeit vom 21.6.2004 bis 14.8.2004 ein Arbeitsverhältnis als Aushilfe. Vom 1.10.2012 bis 28.2.2014, 4.8.2016 bis 31.8.2016 sowie ab dem 10.2.2017 war der Kläger im Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei der Beklagten eingesetzt. Im Frühjahr/Sommer 2017 suchte die Beklagte ca. 40 Arbeitnehmer als befristete Aushilfen. Noch während seines Einsatzes als Leiharbeitnehmer bewarb sich der Kläger mit Schreiben vom 8.6.2017 um einen Arbeitsplatz als Maschinenbediener. Er wies in dem Bewerbungsschreiben darauf hin, dass er in einem Zeitarbeitsverhältnis steht und aktuell bei der Beklagten als Maschinenführer eingesetzt ist. Der Kläger fügte seinem Bewerbungsschreiben einen – bezogen auf seine Berufstätigkeit teilweise lückenhaften – Lebenslauf bei, in dem er angab, in der Zeit vom 1.1.2004 bis 31.12.2004 als Maschinenführer für die „Firma M GmbH“ tätig gewesen zu sein und in der Zeit vom 1.10.2012 bis 28.2.2014 über das Zeitarbeitsunternehmen A bei der „Firma H“ gearbeitet zu haben.

Die Beklagte lud den Kläger zu einem „Bewerber-Informationstag“ am 20.7.2017 ein. Die gestellte Frage, ob er bereits einmal „in unserem Unternehmen (F GmbH) oder deren Rechtsvorgängern (J, AS, H GmbH)“ beschäftigt war, kreuzte der Kläger mit „nein“ an. Die Frage, ob er schon einmal über ein Zeitarbeitsunternehmen bei der Beklagten beschäftigt war, bejahte er. Die Parteien schlossen am 21.7.2017 einen befristeten Arbeitsvertrag für tarifliche Arbeitnehmer beginnend ab 1.9.2017 mit einer Tätigkeit als Maschinenführeraushilfe. Das Arbeitsverhältnis war zunächst befristet bis 31.12.2017 und wurde durch Zusatzverträge bis 31.8.2019 verlängert. Mit seiner Klage macht er die Unwirksamkeit der Befristung zum 31.8.2019 geltend. Das LAG wies die Klage ab.

Entscheidung

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Nach dem BAG hat das LAG rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Befristung des Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 TzBfG ohne Vorliegen eines Sachgrunds zulässig war. Die in § 14 Abs. 2Satz 1 TzBfG genannten Voraussetzungen wurden mit der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von zwei Jahren sowie der zweimaligen Vertragsverlängerung beachtet.

Die achtwöchige Vorbeschäftigung des Klägers 2004 – also vor 13 Jahren – steht der sachgrundlosen Befristung nicht nach § 14 Abs. 2Satz 2 TzBfG entgegen. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung ist unzumutbar, soweit keine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten besteht und das Verbot nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist (BVerfG, Beschl. v. 6.6.2018 – 1BvL7/14, 1BvR1375/14, Rz. 62). So liegt es nach dem BVerfG etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudenten und studentischen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung (BAG, Urt. v. 6.4.2011 – 7 AZR 716/09) oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiografie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht. Da das BVerfG nicht näher ausgeführt hat, wann eine Vorbeschäftigung „sehr lang“ zurückliegt, „ganz anders“ geartet oder „von sehr kurzer“ Dauer ist, bedarf es einer Würdigung des Einzelfalls (BAG, Urt. v. 21.8.2019 – 7 AZR 452/17, Rz. 23). In der Revision unterliegt diese Würdigung der Tatsachengerichte nur einer eingeschränkten Nachprüfung darauf, ob der Rechtsbegriff selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände bei der Würdigung übersehen wurden.

Entscheidend ist vorliegend, dass die achtwöchige Vorbeschäftigung des Klägers bei der Beklagten im Sommer 2004 von kurzer Dauer war und immerhin lange zurücklag. Bei gemeinsamer Wertung beider Kriterien ist anzunehmen, dass die Anwendung von § 14 Abs. 2Satz 2 TzBfG in diesem Fall für beide Parteien unzumutbar war. Damit hat das LAG weder den Rechtsbegriff der Unzumutbarkeit noch jenen der sehr kurzen Beschäftigung verkannt.

Die frühere Beschäftigung des Klägers als Leiharbeitnehmer ist bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Anwendung von § 14 Abs. 2Satz 2 TzBfG unbeachtlich, da die Vorbeschäftigung bei demselben Vertragsarbeitgeber erfolgt sein muss (BAG, Urt. v. 12.6.2019 – 7 AZR 429/17, Rz. 34). Vertragsarbeitgeber des Leiharbeiters ist der Verleiher und nicht der Einsatzbetrieb.

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Konsequenzen

Das BAG hatte früher die Vorbeschäftigung analog der Verjährungsfrist auf drei Jahre begrenzt. Diese Rechtsprechung wurde vom BVerfG 2018 aufgehoben. Hierzu enthält die Entscheidung wichtige Konkretisierungen: Die Beschäftigung lag zwar nicht sehr lange (22 Jahre), aber immerhin lange (13 Jahre) zurück und war zudem von sehr kurzer Dauer (acht Wochen). Das BAG stellt fest, dass eine Vorbeschäftigung von mehr als sechs Monaten jedenfalls nicht als „sehr kurz“ angesehen werden kann. Eine Vorbeschäftigungsdauer von drei Monaten (vgl. § 8Abs. 1Nr. 2SGB IV) könne noch als „sehr kurz“ betrachtet werden.

Trotz dieser Festlegung, dass immerhin acht Wochen als „sehr kurz“ angesehen werden können, stellt das BAG dennoch klar, dass besondere Umstände des Einzelfalls möglicherweise trotzdem zu einer Anwendung des Befristungsverbots nach § 14 Abs. 2Satz 2 TzBfG führen. Das könnte etwa im Falle von mehreren, sehr kurzfristigen Vorbeschäftigungen angenommen werden. Während das BAG (Urt. v. 12.6.2019 – 7 AZR 429/17) neun Jahre nicht als „sehr lange“ betrachtete, scheint es 13 Jahre nunmehr ausreichen zu lassen, denn 13 Jahre sind mehr als ein Viertel des Erwerbslebens.

Praxistipp

Vorbeschäftigungen von acht Wochen bis maximal drei Monate sind nach dem BAG als sehr kurz anzusehen. Jedenfalls in Kombination mit einem langen Zurückliegen, hier 13 Jahre, besteht kein Vorbeschäftigungsverbot nach § 14 Abs. 2Satz 2 TzBfG gegen eine neue sachgrundlose Befristung.

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Vorbeschäftigung von sehr kurzer Dauer
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