In einem Rechtsstreit vor dem LAG Mecklenburg-Vorpommern stritten die Parteien darüber, ob sich die Beschäftigung der Klägerin rechtlich als Arbeitnehmerüberlassung darstellt und ihr deshalb Auskunft über die Arbeitsbedingungen, insbesondere die Vergütung anderer, ebenfalls überlassener Arbeitnehmer zu erteilen ist.
Die Klägerin war aufgrund eines Arbeitsvertrags als Callcenteragentin beschäftigt. Die monatliche Vergütung betrug 1.394,66 Euro brutto bei einer 30-Stunden-Woche. Die Arbeitgeberin beschäftigt bundesweit rund 2.500 Mitarbeiter an 21 Standorten, von denen sie mit etwa 900 selbst einen Arbeitsvertrag geschlossen hat. Im Übrigen setzt das Unternehmen Leiharbeitnehmer ein sowie abgeordnete Beamte einer Konzerngesellschaft. Gegenstand des Unternehmens ist die Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Kundenkommunikation und Prozessmanagement, Customer-Relationship-Management sowie der Betrieb von Customer-Servicecentern. Die Leiharbeitnehmer werden deutlich besser vergütet als die Klägerin. Die unmittelbare Vorgesetzte der Klägerin ist eine Leiharbeitskraft, die hierarchisch weiter übergeordneten Vorgesetzten sind entweder Leiharbeitnehmer oder abgeordnete Beamte.
Die Klägerin argumentierte, sie sei in die Arbeitsorganisation des Verleihers eingegliedert. Als Leiharbeitnehmerin könne sie deshalb Auskunft über die für vergleichbare Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen, um ihre Ansprüche auf Gleichstellung geltend machen zu können.
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Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG handelt es sich um Arbeitnehmerüberlassung, wenn ein Arbeitgeber Arbeitnehmer einem Dritten (Entleiher) zur Arbeitsleistung überlässt. Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen. Nach Auffassung des Gerichts unterlag die Klägerin nicht den Weisungen des Verleihunternehmens. Die Vorgesetzten stehen zwar nicht in einem Arbeits- oder Beamtenverhältnis zur Beklagten, sie verfolgen jedoch mit ihrer Tätigkeit die Betriebszwecke der Beklagten, indem sie den Betrieb des Servicecenters organisieren und absichern. Ihre Weisungsbefugnisse sind von den Geschäftsführern der Beklagten abgeleitet. Der Verleiher nimmt seinerseits keinen Einfluss auf die Ausübung der Tätigkeit als Kundencenterleiter, als Abteilungsleiter oder als Teamleiter.
Aus diesem Grund hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Auskunft über die wesentlichen Arbeitsbedingungen der anderen Callcenteragenten. Der Auskunftsanspruch nach § 13 AÜG, wonach ein Leiharbeiter von seinem Entleiher Auskunft über die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen verlangen kann, schützt Leiharbeitnehmer vor einer Schlechterstellung gegenüber einem vergleichbaren Stammarbeitnehmer. Er schützt jedoch nicht die Stammbelegschaft. Ein Anspruch auf Gewährung des Entgelts der besservergüteten Leiharbeitnehmer ergibt sich daraus nicht. Auch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergibt sich ein solcher Anspruch nicht. Denn die Klägerin befindet sich nicht in einer mit den Arbeitnehmern und Beamten des Verleihers vergleichbaren Lage. Sie steht in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zu ihrem Arbeitgeber. (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 9.1.2024 – 5Sa37/23)
Dr. Claudia Rid
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