Ausländische Betriebsteile und die Kleinbetriebsklausel

1. Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes ist nur auf Betriebe anzuwenden, die in Deutschland liegen.

2. Im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nicht dem deutschen Recht unterliegt, zählen auch dann bei der Berechnung des Schwellenwerts nicht mit, wenn die ausländische Arbeitsstätte mit einer deutschen einen Gemeinschaftsbetrieb bildet.

(Leitsätze der Bearbeiterin)

BAG, Urteil vom 26. März 2009 – 2 AZR 883/07

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Bild: Kzenon/stock.adobe.com
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Problempunkt

Der zweite Senat hatte über die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes gemäß § 23 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) zu entscheiden. Bei dem betreffenden Betrieb stellte sich aufgrund ausländischer Betriebsteile die Frage, ob der Schwellenwert nach § 23 Abs. 1 KSchG erreicht wurde oder nicht. Die Beklagte mit Sitz in Deutschland ist ein Tochterunternehmen eines dänischen Unternehmens mit Sitz in Dänemark. Der Betrieb in Deutschland besteht lediglich aus einem Verkaufsbüro mit einer Mitarbeiterin. Die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer in Dänemark unterfallen dänischem Recht, die in Deutschland richten sich nach deutschem Recht. Streitig waren die Fragen,

> ob der deutsche Betrieb mit der dänischen Muttergesellschaft einen Gemeinschaftsbetrieb unterhält und

> ob es bei der Bestimmung des Schwellenwerts nach § 23 Abs. 1 KSchG nur auf die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer ankommt oder auch auf die dänischen Kollegen. Mit ihnen wären mehr als zehn Arbeitnehmer bei der Beklagten tätig gewesen.

Entscheidung

§ 23 Abs. 1 KSchG regelt die Anwendbarkeit des KSchG und entscheidet darüber, ob der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess Kündigungsgründe i. S. d. § 1 KSchG vorzutragen hat oder nicht. Für Betriebe, die i. d. R. weniger als zehn (bzw. für Arbeitsverhältnisse, die alle vor dem 31.12.2003 in dem Betrieb bestanden: fünf) Arbeitnehmer beschäftigen, gelten die Regeln des KSchG nur teilweise. Der 2. Senat des BAG legte in seiner Entscheidung die Grenzen des § 23 Abs. 1 KSchG für internationale Gemeinschaftsbetriebe fest.

Die Richter stellten mit aller Deutlichkeit fest, dass § 23 Abs. 1 KSchG nur Betriebe erfasst, die in der Bundesrepublik liegen. Es ist nicht möglich, die in Dänemark beschäftigten Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnisse dänischem Recht unterfallen, mit den in Deutschland tätigen Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse sich nach deutschem Recht richten, zusammenzurechnen. Damit wären die in Dänemark beschäftigten Mitarbeiter dem deutschen Betrieb selbst dann nicht hinzuzurechnen gewesen, wenn dieser mit der dänischen Beschäftigungsstätte einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet hätte. Ausdrücklich offengelassen hat das Gericht die Frage, wie die Sache zu beurteilen gewesen wäre, wenn für die Beschäftigten im Ausland ebenfalls das deutsche Arbeitsrecht gegolten hätte. Darauf kam es im entschiedenen Fall nicht an.

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Konsequenzen

Das Urteil bedeutet Klarheit für die Personalverantwortlichen ausländischer Unternehmen, die auch Betriebe in der Bundesrepublik haben, in denen sie Arbeitnehmer nach deutschem Arbeitsrecht beschäftigen. Erreichen diese Betriebe nicht den gesetzlichen Schwellenwert nach dem KSchG, sind Kündigungen unproblematisch möglich, ohne dass sie die Hürden des § 1 KSchG nehmen müssen und ohne dass es auf (Gemeinschafts-)betriebe im Ausland ankommt. Personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe sind in einem solchen Fall nicht nötig.

Praxistipp

Beratungsbedarf besteht allerdings, wenn auch die im Ausland tätigen Arbeitnehmer deutschem Arbeitsrecht unterfallen. Das kommt insbesondere in Grenzgebieten, etwa zu den Niederlande oder Belgien, häufig vor. In diesem Fall ist sorgfältig zu untersuchen, ob der Schwellenwert durch Zusammenrechnen zweier Betriebe, die möglicherweise einen Gemeinschaftsbetrieb bilden, überschritten wird oder nicht.

RAin Dr. Dorothea Roebers, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln

Redaktion (allg.)

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