Betriebsratsanhörung zur Kündigung

Nach § 102 Abs. 1 BetrVG sind dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung auch dann mitzuteilen, wenn das Arbeitsverhältnis nicht dem allgemeinen Kündigungsschutz unterliegt. Hat allerdings der Arbeitgeber keine auf Tatsachen gestützte und demgemäß durch die Mitteilung dieser Tatsachen konkretisierbaren Kündigungsgründe, so genügt es, wenn er dem Betriebsrat seine subjektiven Wertungen mitteilt, die ihn zur Kündigung veranlassen.

BAG, Urteil vom 3. Dezember 1998 - 2 AZR 234/98 § 1 Abs. 1 KSchG; § 102 Abs. 1 BetrVG

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Bild: Erwin-Wodicka / stock.adobe.com
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Problempunkt

Die Klägerin war bei der Beklagten seit August 1996 als Verkäuferin beschäftigt. Zum 28.Februar 1997, also noch innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses, kündigte die Beklagte. Als Grund gab sie gegenüber dem Betriebsrat folgendes an: ""Nach unserer allgemeinen, subjektiven Einschätzung genügt Frau A unseren Anforderungen nicht.""

Die Klägerin wandte sich gegen die Kündigung, da nach ihrer Ansicht der Betriebsrat fehlerhaft angehört worden sei. Sie ging davon aus, dass eine Einschätzung, ein Arbeitnehmer genüge den Anforderungen nicht, auf tatsächlichen Erkenntnissen beruhen müsse, die dem Betriebsrat vor seiner Anhörung mitzuteilen seien. Die Beklagte gab jedoch als Grund für die Kündigung eine allgemeine Beurteilung der Persönlichkeit und des Arbeitsverhaltens der Klägerin durch den Filialleiter an, nicht dagegen eine konkrete Fehlleistung.

Entscheidung

Die Revision der Klägerin blieb erfolglos.

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich mit der Verletzung des § 102 Abs. 1 BetrVG auseinander zu setzen. Dabei ging es zunächst um die Frage, ob diese Bestimmung auch außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG relevant ist. Im Gegensatz zum vorinstanzlichen Landesarbeitsgerichts ging der 2. Senat in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung (Urt. v. 18.5.1994 - 2 AZR 920/93, AP Nr. 64 zu § 102 BetrVG 1972) davon aus, dass der Wortlaut des § 102 Abs. 1 BetrVG die Mitteilung der Kündigungsgründe auch außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG fordert. Die Gesetzesformulierung mache die Beteiligung des Betriebsrats nicht vom Bestehen des allgemeinen Kündigungsschutzes nach dem KSchG abhängig. Nur durch die Mitteilung der Kündigungsgründe bleibt nach Ansicht des Senats dem Betriebsrat die Möglichkeit, auch außerhalb eines individualrechtlichen Kündigungsschutzes den Arbeitgeber gegebenenfalls mit besseren Argumenten von seinem Kündigungsentschluss abzubringen.

Nach dieser Grundsatzfrage musste sich der Senat in einem zweiten Schritt konkret mit der Anhörung befassen. Nach seiner Meinung hätte es zwar bei der Formulierung des Anhörungsschreibens Anlass geben können zu klären, ob objektive Anforderungen bestanden, denen die Klägerin nicht genügte. Doch hätte diese Klärung einen entsprechenden Vortrag der Klägerin vorausgesetzt. Sie hatte aber nicht aufgezeigt, dass ihre Leistung und ihr Verhalten an objektiven Maßstäben gemessen wurden. Mangels Darlegung dieser objektiven Maßstäbe konnte die Beklagte die Kündigung mit einer subjektiven Einschätzung begründen. Diesbezüglich war der Betriebsrat jedoch angehört worden.

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Konsequenzen

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Praxistipp

Prxistipp Die Entscheidung hat insoweit Bedeutung, als das Bundesarbeitsgericht klar stellt: Auch bei Kündigungen außerhalb des KSchG ist der Betriebsrat anzuhören. Es lässt sich aus der Argumentation des Senats und bei Zugrundelegen des Zwecks der Anhörung auch ableiten, dass es bei allen Kündigungen - also beispielsweise bei allen ordentlichen, außerordentlichen oder Kündigungen während der Probezeit - der Anhörung des Betriebsrats bedarf. Der zweite Teil des Urteils befasst sich mit dem Grundsatz der subjektiven Determinierung. Dieser für die Anhörung des Betriebsrats geltende Grundsatz, wonach ein Arbeitgeber nicht alle objektiven Gründe mitzuteilen braucht, sondern nur die, auf die er aus seiner Sicht die Kündigung stützen will, wurde weitergeführt.

Alexandra König, Halle (Saale)

Redaktion (allg.)

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