BR-Mitglieds bei Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung
Problempunkt
Der Kläger ist Mitglied im Betriebsrat der beklagten Arbeitgeberin. Er begehrt Vergütung für Zeiten, in welchen ihm aufgrund von Betriebsratstätigkeiten die Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung wegen fehlender Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Ruhezeiten unzumutbar gewesen wäre. Der Arbeitnehmer ist im Drei- Schicht-Betrieb tätig. In einer für ihn arbeitsfreien Zeit hat er an einer Betriebsratssitzung teilgenommen, die um 13.00 Uhr tagsüber stattfand. In der Nacht zuvor hatte er eine Nachtschicht zu leisten, die bis 6.00 Uhr andauerte. Der Kläger hatte seine Arbeit jedoch bereits um 2.30 Uhr eingestellt, damit er die gesetzliche Ruhezeit von elf Stunden bis zur Betriebsratssitzung einhalten kann. Von 2.30 Uhr bis 3.00 Uhr war für den Kläger eine reguläre Pause vorgesehen. Die Beklagte hat die Nachschicht nur teilweise vergütet. Der Kläger verlangt die noch restliche Vergütung. Die Erbringung der Arbeitsleistung sei jedenfalls ab 3.00 Uhr unzumutbar gewesen. Die Vorinstanzenhaben der Klage stattgegeben.
Entscheidung
Das BAG hat das Berufungsurteil bestätigt. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats dann von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts befreit, wenn eine außerhalb der Arbeitszeit liegende erforderliche Betriebsratstätigkeit die Arbeitsleistung unmöglich oder unzumutbar macht. Das ist hier der Fall. Dem Kläger war jedenfalls ab 3:00 Uhr wegen der um 13:00 Uhr an demselben Tag beginnenden Betriebsratssitzung die Erbringung der Arbeitsleistung unzumutbar gewesen. Dies folgt aus der arbeitsgesetzlichen Ruhezeit (§ 5 Abs. 1 ArbZG). Diese Ruhezeit ist auch zwingend vor der Betriebsratssitzung zu gewähren. Das BAG hat zwar ausdrücklich offen gelassen, ob Betriebsratstätigkeiten Arbeitszeiten i. S. v. § 2 Abs. 1 ArbZG sind. Für die gesamte Nachtschicht besteht ein Vergütungsanspruch.
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Konsequenzen
Das BAG hatte den Grundgedanken der Unzumutbarkeit insbesondere im Zusammenhang mit vorausgehenden und nachfolgenden Schichtdiensten bereits vor langer Zeit entwickelt (Urt. v. 7.6.1989 – 7 AZR 500/88). Klarheit schafft die vorliegende Entscheidung insbesondere hinsichtlich des Umfangs der Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung, indem direkt auf die arbeitszeitrechtlichen Mindestruhezeiten abgestellt wird. Darüber hinausgehend wären Ausführungen zum Charakter der Betriebsratstätigkeit als Arbeitszeit wünschenswert gewesen. In Bezug auf eine Einordnung von Betriebsratstätigkeit als Arbeitszeit hat der 7. Senat jedoch bewusst keine abschließenden Worte verloren. Im Ergebnis wird lediglich der unbestimmte Rechtsbegriff der Unzumutbarkeit dahingehend konkretisiert, dass die arbeitszeitrechtliche Wertung des § 5 Abs. 1 ArbZG zugrunde zu legen ist. Das Ergebnis überzeugt. Zwar sieht das BAG von der Qualifizierung von Betriebsratstätigkeit als Arbeitszeit noch ab. Jedenfalls für Betriebsratssitzungen dürfte sich das aber bereits aufdrängen. Das BAG nimmt von einer entsprechenden Einschätzung jedoch so ausdrücklich Abstand, dass mit einer abschließenden Entscheidung der Fragestellung derzeit nicht zu rechnen sein dürfte. Für die hier gegenständliche Fragestellung der Arbeitsbefreiung und des Vergütungsanspruchs sind die richterlichen Ausführungen gleichwohl hinreichend klar. Betriebsratsmitglieder dürfen ihre Arbeitszeit insoweit vorzeitig beenden oder später aufnehmen, als eine zwischenzeitliche Betriebsratstätigkeit die Einhaltung der arbeitszeitgesetzlichen Ruhezeit hindern würde. Der Vergütungsanspruch wird dadurch nicht tangiert. Wie in allen anderen Fällen der Arbeitsbefreiung nach § 37 BetrVG auch, ist es dann Sache des Betroffenen, sich ordnungsgemäß unter Bezugnahme auf die ehrenamtliche Betriebsratstätigkeit abzumelden.
Praxistipp
Arbeitgeber sollten dafür Sorge tragen, dass sie so früh wie möglich eine entsprechende Abmeldung des betroffenen Arbeitnehmers erhalten, um ggf. noch personell reagieren zu können. Im Rahmen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit sollte eine schnelle Kommunikation auch in dieser Frage möglich sein. Der im BetrVG normierte grundsätzliche Vorrang der Betriebsratstätigkeit vor der eigentlichen Arbeit findet auch hier seinen Ausdruck. Vereinzelt stellen Arbeitgeber die Erforderlichkeit der Befreiung inhaltlich mit dem Argument in Frage, dass gar keine Betriebsratstätigkeit vorliegen würde. Im Ergebnis geht dies regelmäßig ins Leere, da die weite Einschätzungsprärogative des Betriebsrats hinsichtlich seiner Aufgaben und Wahrnehmung entgegensteht. Unternehmen sind deshalb gut beraten, das vorliegende Urteil in ihrer Abrechnungspraxis möglichst geräuschlos umzusetzen.
RA und FA für Arbeitsrecht Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FOM Hochschule Bremen, Direktor KompetenzCentrum für Wirtschaftsrecht, Hamburg
Redaktion (allg.)
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Rechtliche Einordnung
Während die Beantwortung der eingangs aufgeworfenen Fragen grundsätzlich einen vertieften Blick in die Systematik des § 37
Ausgangslage
Wenn in der betrieblichen Praxis Eilfälle auftreten sollten, veranlasst durch Krankheitsfälle eigentlich benötigter
Problempunkt
Die beklagte Arbeitgeberin ist ein Handels- und Vertriebsunternehmen mit einem Betrieb in C-Stadt, in dem die Klägerin im
Vergütung nach der (richtigen) Vergleichsgruppe
Ausgangspunkt für die Bestimmung einer rechtskonformen Betriebsratsvergütung ist die
Vergütung von Betriebsratsmitgliedern
Zunächst gilt es jedoch, die allgemeinen Grundsätze anlässlich der Vergütung von
Problempunkt
Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Kostenübernahme für die Schulungsteilnahme eines Betriebsratsmitglieds