Problempunkt
Der Kläger war bei der Beklagten seit 1971 beschäftigt. Er schied Mitte 2000 betriebsbedingt durch Aufhebungsvertrag mit 59 Jahren aus. Neben seiner Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht er seit November 2001 eine Betriebsrente der Beklagten.
Nach der Pensionsordnung der Beklagten setzt die Altersrente für Männer mit 65 Jahren und für Frauen mit 60 Jahren ein. Die monatliche Betriebsrente beträgt für jedes vollendete Dienstjahr 0,8, höchstens jedoch insgesamt 20 % des letzten Bruttoentgelts. § 4 der Pensionsordnung sieht vor, dass die Betriebsrente für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme um einen Abschlag von 0,5 % zu kürzen ist, wenn der Beschäftigte aufgrund der flexiblen Altersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung vor dem 65. Lebensjahr ausscheidet.
Im Weiteren verweist die Pensionsordnung für vorzeitig ausscheidende Arbeitnehmer auf das Betriebsrentengesetz. Die Beklagte errechnete unter Anwendung von § 4 der Pensionsordnung eine (gekürzte) Altersrente i. H. v. 304,22 Euro. Der Kläger begehrte die Zahlung einer ungekürzten Rente von 454,09 Euro rückwirkend ab November 2001.
Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Zahlung einer ungekürzten Betriebsrente. Scheidet ein Arbeitnehmer vorzeitig, also vor Erreichen des Versorgungsfalls, aus dem Arbeitsverhältnis aus und nimmt er seine Betriebsrente vorgezogen vor der festen Altersgrenze in Anspruch, ist die Vollrente in zwei Rechenschritten zu kürzen:
Zunächst ist die bei Betriebstreue bis zur festen Altersgrenze erreichbare Vollrente nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 1 und 5 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) zeitratierlich, d. h. entsprechend dem Verhältnis der tatsächlichen zu der bis zur festen Altersgrenze möglichen Betriebszugehörigkeit, zu kürzen. Die meisten arbeitgeberfinanzierten Versorgungszusagen sehen nämlich die Zahlung der vollen (ungekürzten) Betriebsrente nur für den Fall vor, dass der Arbeitnehmer mit Erreichen der in der Versorgungszusage bestimmten Altersgrenze ausscheidet. Er hat nur Anspruch auf die Rente, die dem Verhältnis der erbrachten Betriebstreue zu der rechtlich möglichen Betriebstreue entspricht. Scheidet der Mitarbeiter vor diesem Zeitpunkt mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft aus den Diensten des Arbeitgebers aus, erbringt er nur einen Teil der erwarteten Gegenleistung. Gemäß § 2 Abs. 1 BetrAVG ist die Betriebsrente dann im Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zur insgesamt bis zum Erreichen der Altersgrenze möglichen Betriebszugehörigkeit zu kürzen.
Darüber hinaus ist es nach der Entscheidung des BAG gerechtfertigt, die Betriebsrente noch weiter zu kürzen, da der Kläger sie vor Erreichen der festen Altersgrenze in Anspruch genommen hat. Die Höhe der Kürzung ergibt sich aus der Versorgungsordnung in Form eines festgelegten versicherungsmathematischen Abschlags. Den hier vorgesehenen Abschlag i. H. v. 0,5% pro Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme hat das BAG nicht beanstandet. Dies gilt auch, wenn die maximal erreichbare Rentenhöhe begrenzt ist, also die Versorgungsordnung für jedes Jahr der Beschäftigung einen festen Betrag oder einen bestimmten Prozentsatz des letzten Gehalts vorsieht, dies aber der Höhe nach begrenzt (sogenannte Kappungsgrenze).
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Konsequenzen
Das BAG bestätigte mit der Entscheidung seine Rechtsprechung der letzten Jahre, wonach bei Ausscheiden eines Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls und vorzeitiger Inanspruchnahme die Betriebsrente doppelt-ratierlich zu kürzen ist. Sieht die Versorgungsordnung für diesen Fall auch versicherungsmathematische Abschläge vor, führt dies dazu, dass die nicht erbrachte Betriebstreue zwischen der vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente und der festen Altersgrenze doppelt berücksichtigt wird.
Das BAG begründet dies damit, dass der Arbeitnehmer in das Gegenseitigkeitsverhältnis, das der Berechnung der Vollrente zugrunde liegt, eingreift, indem er die Betriebstreue bis zum Zeitpunkt der festen Altersgrenze nicht erbringt. Außerdem verschiebt sich das in der Versorgungsordnung festgelegte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, da der Mitarbeiter die erdiente Betriebsrente mit höherer Wahrscheinlichkeit früher und länger in Anspruch nimmt, als ihm der Arbeitgeber mit der Versorgungszusage versprochen hat.
Praxistipp
Unternehmen, die ihren Beschäftigten eine arbeitgeberfinanzierte Altersversorgung zugesagt haben, sollten ihre Versorgungsordnung überprüfen und ggf. anpassen bzw. ergänzen. Es empfiehlt sich, eine Obergrenze für den maximal erreichbaren Betriebsrentenanspruch sowie die Kürzung des Anspruchs bei vorzeitiger Inanspruchnahme zu vereinbaren, um die wirtschaftlichen Risiken von Betriebsrentenzusagen einzuschränken.
RA Thorsten Walter, Rechtsanwälte Bartsch und Partner, Karlsruhe
Redaktion (allg.)
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