Gewährung von Nachtarbeitszuschlägen für Betriebsratsmitglieder
Problempunkt
In zahlreichen Arbeitsverhältnissen bestehen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer häufig unterschiedliche Auffassungen um (vermeintlich oder tatsächlich) bestehende Vergütungsansprüche inklusive etwaiger Zuschläge. Auch im vorliegenden Verfahren stritten die Parteien über die Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Manteltarifvertrag umfasste die Nachtzeit den Zeitraum von 19:30 Uhr bis 6:00 Uhr. Die Arbeitszeit des späteren Klägers – ein in Vollzeit beschäftigter Logistikmitarbeiter – begann regelmäßig um 4:00 Uhr und entsprechende Nachtarbeitszuschläge wurden ordnungsgemäß ausgezahlt. Im Sommer 2011 wurde er schließlich zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt. Neben einer stundenweisen Freistellung zur Durchführung von Betriebsratsarbeit wurde auch vereinbart, dass sich dessen regelmäßiger Arbeitsbeginn nunmehr auf 6:00 Uhr verschiebt, um sämtlichen Mitarbeitern eine bessere Möglichkeit zur Kontaktaufnahme zu ermöglichen. Im Zuge dessen stellte der Arbeitgeber insoweit die Gewährung bisher geleisteter Zuschläge für Nachtarbeit vollständig ein. Daraufhin machte der Betriebsratsvorsitzende die Zahlung von Zuschlägen für je zwei Stunden pro Arbeitstag klageweise erfolgreich geltend.
Entscheidung
Nach Auffassung der Erfurter Richter hatte das zuständige LAG Köln den Rechtsstreit im Ergebnis allerdings unzutreffend entschieden. Insbesondere wurde durch die zweite Instanz verkannt, dass eine Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen grundsätzlich auch an das Vorliegen von Nachtarbeit geknüpft ist. Daher konnte der Betriebsratsvorsitzende keine Nachtarbeitszuschläge vom Unternehmen verlangen – vorliegend beruhte der Verlust der bisher geleisteten Nachtarbeitszuschläge insoweit ausschließlich auf dem einvernehmlich verschobenen Beginn der täglichen Arbeitszeit.
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Konsequenzen
Mit dem Urteil bestätigt das BAG konsequent seine bisherige Rechtsprechung zum in § 37 Abs. 2 BetrVG kodifizierten Verbot der Entgeltminderung (vgl. hierzu insbesondere auch BAG, Urt. v. 29.4.2015 – 7 AZR 123/13). Demnach sind Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Das hierin zu erkennende Verbot der Entgeltminderung ist insoweit doppelfunktionaler Natur: Einerseits soll es die Bereitschaft des jeweiligen Mitarbeiters zur Übernahme eines Betriebsratsamts dadurch fördern, indem es für diesen ggf. drohende Einkommenseinbußen infolge der Wahrnehmung eines derartigen Ehrenamts verhindert. Andererseits konkretisiert es im Hinblick auf die jeweilige Vergütung auch das betriebsverfassungsrechtliche Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG. Demgegenüber begründet § 37 Abs. 2 BetrVG keinen eigenständigen Vergütungsanspruch des jeweiligen Betriebsratsmitglieds, sondern sichert nur bereits bestehende (bspw. arbeits- oder tarifvertragliche) Entgeltansprüche. Dem Mitglied des Gremiums ist das Arbeitsentgelt fortzuzahlen, das es verdient hätte, wenn es keine Betriebsratstätigkeit geleistet, sondern entsprechend gearbeitet hätte.
Praxistipp
Bei der Handhabung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern können sich Arbeitgeber unversehens auf einem schmalen Grat zwischen strafbarer Betriebsratsbenachteiligung bzw. Betriebsratsbegünstigung bewegen. Einzelnen besonders prominenten Fällen von strafbarer Betriebsratsbegünstigung – etwa rechtsgrundlose Sonderbonuszahlungen in sechsstelliger Höhe sowie die Übernahme der bei Prostituierten angefallenen Kosten zum Vorteil eines Gesamtbetriebsratsvorsitzenden – dürfte regelmäßig eine beträchtliche Dunkelziffer nicht publik gewordener Verfehlungen entgegenstehen. Eher einfach gelagerte Fälle rund um die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern sind – anhand der zugrundeliegenden Entscheidung auch mehr als deutlich erkennbar – letztlich noch recht problemlos in den Griff zu bekommen. Gleichwohl wirft die (gesetzeskonforme) Vergütung häufig eine Vielzahl von rechtlichen Fragen auf, deren teils interdisziplinäre Komplexität oft unterschätzt wird: Einerseits kann eine strafbare Betriebsratsbegünstigung steuerrechtlich infolge des Betriebsausgabenabzugsverbots nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG etwa erhebliche Nachzahlungspflichten sowie ggf. auch die Einleitung von Steuerstrafverfahren auslösen. Andererseits ist im Falle von Doppelmandaten im Betriebs- und Aufsichtsrat denkbar, dass sich eine Betriebsratsbegünstigung im Ergebnis gleichzeitig auch als ein nach § 161 AktG i. V. m. Ziffer 5.5.3 des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) berichtspflichtiger Interessenkonflikt qualifiziert.
RA David Johnson, Eversheds Sutherland (Germany) LLP, München
Redaktion (allg.)
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Problempunkt
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Rechtliche Einordnung
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Das Schleswig-Holsteinische FG (Urt. v. 9.11.2022 – 4K145/20, rk.) hatte darüber zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für die steuerfreie Zahlung