„Junior Consultant“ und „Berufsanfänger“ in Stellenanzeigen

1. Die Bezeichnungen „Junior Consultant“ in der Überschrift und „Berufsanfänger“ im Profil einer Stellenanzeige sind je für sich und zusammen keine Indizien für eine Benachteiligung wegen des Alters.

2. „Junior Consultant“ ist ein altersunabhängiger betriebshierarchischer Begriff.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. November 2015 – 6 Sa 68/14, rk.

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Foto: WavebreakmediaMicro/stock.adobe.com
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Problempunkt

Die Beklagte betreibt in Europa eine Supermarktkette mit mehr als 9.000 Filialen mit rund 190.000 Mitarbeitern, davon allein in Deutschland 65.000. Die Hauptverwaltung schreibt freie Stellen aus und besetzt sie. So inserierte sie in Heft 18 der NJW 2013 die Stelle eines „Junior Consultants/Jurist (w/m) Projekte kaufmännische Verwaltung“. Deren Anforderungsprofil lautete wie folgt auszugsweise: „Sie sind Volljurist (w/m) mit überdurchschnittlichen Staatsexamina (mindestens „befriedigend“) und haben Ihren Schwerpunkt im Wirtschaftsrecht gesetzt. Sie sind Berufseinsteiger oder konnten bereits erste Erfahrungen in einer Rechtsanwaltskanzlei oder in einem Unternehmen sammeln. Sie verfügen über gute Kenntnisse im Handels- und Gesellschaftsrecht und haben Interesse am Steuerrecht sowie bilanziellen Fragestellungen.“

 

Der Kläger ist promovierter Rechtsanwalt und betreibt seit März 1988 eine Rechtsanwaltskanzlei in R., zuletzt unter seiner Wohnadresse. Mit Schreiben vom 14.8.2013 forderte er von der Beklagten 60.000 Euro Schadensersatz. Mit der der Beklagten am 12.9.2013 zugestellten Klage begehrt er Schadensersatz in unbezifferter Höhe. Ausweislich der Klagebegründung stellt er sich mindestens 15.000 Euro vor.

 

Der Kläger hat behauptet, er habe sich auf die ausgeschriebene Stelle als Junior Consultant mit E-Mail vom 2.5.2013 unter Beifügung von Bewerbungsunterlagen bei der Beklagten beworben und per E-Mail vom 15.7.2013 an seine Bewerbung erinnert. Die Bewerbungs-E-Mail sei der Beklagten zugegangen. Er ist der Auffassung, er sei aufgrund seines Lebensalters diskriminiert worden. Dies ergebe sich aus der Stellenanzeige und den dort verwendeten Begriffen „Junior Consultant“ und „Berufseinsteiger“. Eine sachliche Rechtfertigung für die Nichtberücksichtigung liege nicht vor.

 

Die Beklagte hat die Klage für rechtsmissbräuchlich gehalten, weil der Kläger eine Vielzahl von Entschädigungsklagen betreibe. Eine ernsthafte Bewerbung liege nicht vor. Der Begriff „Junior Consultant“ beziehe sich auf die Berufserfahrung und Hierarchie im Unternehmen.

 

Das ArbG Heilbronn hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe den Zugang seiner Bewerbungs-E-Mail nicht bewiesen. Es beständen Bedenken, ob die Stellenanzeige ein Indiz für eine Diskriminierung sei. Die Klage sei rechtsmissbräuchlich. Der Kläger habe sich nicht ernsthaft beworben. Ihm sei es nur um die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegangen.

 

In der Berufungsbegründung vertieft der Rechtsanwalt seine Ausführungen zum Zugang seiner E-Mail. Seine Bewerbung sei ernsthaft gewesen. In der Verwendung der Begriffe „Junior Consultant“ und „Berufseinsteiger“ in der Stellenanzeigesieht er nach wie vor ein Indiz für eine Altersdiskriminierung. Das Maßregelungsverbot des § 16 AGG verdränge die Kostenregelungen der §§ 91 ff. ZPO.

Entscheidung

Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Es kann dahinstehen, ob dieser sich auf die Stellenanzeige der Beklagten überhaupt beworben hat und ob die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs rechtsmissbräuchlich ist, denn die Stellenanzeige enthält schon keine ausreichenden Indizien, die eine Benachteiligung wegen des Alters vermuten lassen. Die vom Kläger beanstandeten Begriffe indizieren jeweils weder für sich noch zusammen eine Altersdiskriminierung. Schon gar nicht lässt sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass aufgrund der Verwendung dieser Begriffe die Benachteiligung wegen des Alters erfolgt ist. Das altersneutrale Kriterium „Berufseinsteiger“ mag auch derjenige erfüllen, der ungewöhnlich lange studiert und erst im vorgerückten Alter einen Abschluss gemacht hat.

 

Das LAG Baden-Württemberg bezieht sich dabei auf ein Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 10.2.2014 (3 Sa 27/13), wo es heißt: Wird das Wort „Junior“ im Zusammenhang mit der Betriebsorganisation verwendet, bedeutet es „von geringerem Dienstalter“, also mit geringerer spezifischer beruflicher Erfahrung, ohne Bezug zum Alter des Betreffenden.

 

Die Revision gegen sein Urteil ließ das LAG Baden-Württemberg nicht zu. Auch die vom Klä ger angestrengte Nichtzulassungsbeschwerde blieb erfolglos (BAG, Beschl. v. 19.5.2016 – 8 AZN 1/16, n. v.). Das Berufungsurteil wirft keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung i. S. v. § 72a Abs. 1 und § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG auf. Die vom Kläger formulierte Frage „Folgt aus § 16 AGG und § 134 BGB, dass dem Arbeitgeber keine Kostenerstattungsansprüche gegen den Bewerber zustehen?“ sieht der 8. Senat nicht als klärungsbedürftig an. Das im Maßregelungsverbot des § 16 Abs. 1 Satz 1 AGG enthaltene Verbot der Benachteiligung von Arbeitnehmern wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach den Bestimmungen des AGG ist an den Arbeitgeber adressiert und bezieht sich nicht auf den gerichtlichen Kostenausspruch.

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Konsequenzen

Zur Stützung seines Ergebnisses verweist das LAG Baden-Württemberg noch auf folgendes Praxisbeispiel: „Junior Consultant“ stellt beim Beratungsunternehmen Roland Berger die zweite Hierarchieebenenach dem „Consulting Analyst“ dar. Nach dem „Junior Consultant” folgen „Consultant”, „Senior Consultant”, „Project Manager”, „Principal” und „Partner”. Ähnliche Bezeichnungen für Hierarchieebenen werden in allen in Deutschland tätigen Beratungsunternehmen und Großunternehmen verwendet. Es sind feststehende Begriffe, die mit dem Alter nichts zu tun haben.

 

Für die Beratungsbranche wird das wahrscheinlich zutreffen. Ob das aber auch auf andere Branchen und dort auf „alle“ Großunternehmen zutrifft, kann der Verfasser nicht beurteilen. Hier ist Vorsicht angeraten.

Praxistipp

Werden „diskriminierungsverdächtige“ Stellen- oder Tätigkeitsbezeichnungen in der Personalwerbung verwendet, sollte, um (ggf. auch bewusste) „Missverständnisse“ zu vermeiden, erläutert werden, was genau gemeint ist.

Im Übrigen gilt in unserem Zusammenhang: Will ein Arbeitgeber einen Arbeitsplatz, der keine höheren Anforderungen stellt, möglichst passgenau besetzen und deshalb vermeiden, einen überqualifizierten Bewerber einzustellen, ist es erforderlich, die Ausschreibung auf Berufsanfänger zu beschränken und die Auswahlentscheidung entsprechend zu treffen. Die Maßnahme ist also objektiv vorgegeben und – da eine gleich effiziente Alternative nicht erkennbar ist – auch angemessen. Das dürfte grundsätzlich für jede entsprechende Stellenausschreibung gelten.

Dr. Wolf Hunold, Unternehmensberater, Neuss

Redaktion (allg.)

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