Problempunkt
Den beiden Entscheidungen lagen ähnliche Sachverhalte zugrunde. Im ersten Fall hatte ein Rundfunkunternehmen, im zweiten ein Zeitungsverlag die Arbeitszeiten für bestimmte Berufsgruppen neu geregelt. Beim Rundfunk waren u. a. Redakteure von der Neuregelung betroffen, die nunmehr ihre Arbeit in dem wegen veränderter Sendeformate neu eingeführten Zwei-Schichten-Dienst zu versehen hatten. Beim Zeitungsverlag führte die durch die Einführung des Nachthandels bedingte Vorverlegung des Spätdiens-tes bei Korrektoren, Produktionsassistenten und Boten zu einem teilweisen Wegfall von Zulagen.In beiden Fällen waren die Betriebsräte nicht beteiligt, wogegen sie gerichtlich vorgingen, da sie ihre Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verletzt sahen. Gegen die letztinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Entscheidungen (zum einen des LAG, im anderen Fall des BAG), welche den Betriebsräten Recht gaben, erhoben die Unternehmen Verfassungsbeschwerde. Sie sahen ihre Grundrechte auf Presse- bzw. Rundfunkfreiheit beeinträchtigt und meinten, die Ausnahmeklauseln des § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hätten Anwendung finden müssen.
Entscheidung
Die Verfassungsbeschwerden wurden von BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen.Zunächst wird in beiden Beschlüssen klargestellt, dass die Auslegung von § 118 BetrVG eine einfachgesetzliche Frage ist, über die die Fachgerichte zu entscheiden haben. Das BVerfG kann insoweit nur überprüfen, ob bei der Auslegung grundrechtliche Normen und Maßstäbe beachtet worden sind.
Nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG sind Angelegenheiten in sog. Tendenzbetrieben dann von der Mitwirkungspflicht ausgeschlossen, wenn der Betriebsrat über eine Mitwirkung nach § 87 BetrVG Einfluss auf die Tendenz des Unternehmens nehmen könnte. Hierbei handelt es sich um eine einfachgesetzliche Ausgestaltung der Grundrechte solcher Tendenzunternehmen (z. B. aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG). Die Grundrechte auf Presse- und Rundfunkfreiheit garantieren nämlich auch das Recht, die (beispielsweise politische) Tendenz des Unternehmens festzulegen und zu verwirklichen. Würde das Gesetz dem Betriebsrat das Recht einräumen, hierauf Einfluss zu nehmen, so läge ein unzulässiger Eingriff in die Pressefreiheit des Verlegers oder in die Rundfunkfreiheit des Rundfunkunternehmens vor.
Allerdings ist damit nicht jede Entscheidung in einem Tendenzunternehmen mitwirkungsfrei. Zu differenzieren ist zwischen dem technisch-organisatorischen Ablauf des Herstellungsprozesses und tendenzbezogenen Bereichen, wie etwa die Themen oder die Aktualität der Berichterstattung.
Dass die Fachgerichte in den vorliegenden Fällen insoweit die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG missachtet hätten, verneinte das BVerfG. Die Entscheidungen, einen Zwei-Schicht-Dienst einzuführen bzw. den Nachthandel aufzunehmen, seien selbst zwar von der Mitwirkungspflicht des Betriebsrats nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ausgenommen. Dies gelte aber nicht für die technisch-organisatorische Umsetzung; jedenfalls so lange nicht, wie nicht hierdurch die zuvor getroffene Tendenzentscheidung selbst beeinträchtigt würde. Dies könnte zum Beispiel dann der Fall sein, wenn die Tendenzentscheidung kurzfristig getroffen würde und eine Beteiligung des Betriebsrats eine diese Entscheidung in Frage stellende Verzögerung bewirkte. Dafür lagen aber keine Anhaltspunkte vor.
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Konsequenzen
Praxistipp
Gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG sind Tendenzentscheidungen selbst zwar mitwirkungsfrei. Dies gilt aber nicht für ihre technisch-organisatorische Umsetzung. Eine Gegenausnahme besteht , wenn durch eine Beteiligung des Betriebsrats hieran wiederum Einfluss auf die Tendenzentscheidung selbst genommen wird. Diese Ausnahme dürfte aber regelmäßig allenfalls bei kurzfristig umzusetzenden Tendenzentscheidungen zu bejahen sein.
RiLG Dr. Jens Peglau, Herdecke/Berlin
Redaktion (allg.)
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