Ordnungsmittel bei mitbestimmungswidrigem Verhalten

§ 85 Abs. 1 Satz 3 ZPO; § 23 Abs. 3 BetrVG Es ist unzulässig, gegen einen Arbeitgeber, der sich nicht an Betriebsvereinbarungen hält, zur Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs Ordnungshaft anzudrohen und festzusetzen.

(Leitsatz der Bearbeiterin)

BAG, Urteil vom 5. Oktober 2010 – 1 ABR 71/09

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Bild: schemev / stock.adobe.com
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Problempunkt

Im Rahmen von Unterlassungsklagen gegen den Arbeitgeber beantragt der Betriebsrat i. d. R., für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld anzudrohen, um seine Ansprüche durchzusetzen. Kommt der Arbeitgeber dann entgegen dem Beschluss des Arbeitsgerichts der Unterlassungsverpflichtung nicht nach, kann der Betriebsrat beim Vollstreckungsgericht beantragen, das Ordnungsgeld festzusetzen. Das Höchstmaß beträgt dabei 10.000 Euro. Problematisch sind Fälle, in denen sich das Ordnungsgeld nicht beitreiben lässt. Hier hatte die Arbeitgeberin gegen die Betriebsvereinbarung "Jahresarbeitszeit" verstoßen. Der Betriebsrat beantragte neben der Unterlassung für den Fall, dass die Vollstreckung des Ordnungsgelds scheitert, Ordnungshaft gegen die Geschäftsführung zu verhängen. Die Vorinstanzen gaben dem Antrag in vollem Umfang statt und drohten den beiden Geschäftsführern Ordnungshaft an.

Entscheidung

Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass die Androhung oder Verhängung der Ordnungshaft unzulässig ist. Zwar ist § 890 ZPO, der die Möglichkeit der Ordnungshaft vorsieht, grundsätzlich auch im arbeitsgerichtlichen Prozess anwendbar. Jedoch geht die spezialgesetzliche Vorschrift des § 85 Abs. 1 Satz 3 ZPO vor. Diese bestimmt, dass auch bei grob betriebsverfassungswidrigem Verhalten des Arbeitgebers (§ 23 Abs. 3 BetrVG) keine Ordnungs- oder Zwangshaft festgesetzt werden darf. Da der allgemeine Unterlassungsanspruch kein grob betriebsverfassungswidriges Verhalten erfordert, sondern eine einfache Verletzung ausreicht, ist es in diesem Fall daher erst recht nicht möglich, Ordnungshaft festzusetzen.

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Konsequenzen

Insbesondere bei finanzstarken Unternehmen ist die Androhung bzw. Festsetzung von 10.000 Euro Ordnungsgeld nicht immer Erfolg versprechend. Dies ist jedoch das gesetzliche Höchstmaß bei Verstößen des Arbeitgebers gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten, § 23 Abs. 3 BetrVG. Daher haben Betriebsräte bis zur aktuellen Entscheidung des BAG immer wieder versucht, durch die Androhung von Ordnungshaft zusätzlich Druck gegenüber dem Arbeitgeber zu erzeugen. Diesem Versuch hat das BAG nunmehr eine klare Absage erteilt. In betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten gibt es keine Rechtsgrundlage, um Ordnungshaft zu verhängen.

Für die Unternehmensleitung bedeutet dies, dass zukünftig kein Geschäftsführer mehr befürchten muss, allein wegen Nichtbeachtung einer Betriebsvereinbarung bzw. einer darauf basierenden Unterlassungsanordnung in Ordnungshaft genommen zu werden. Damit steigt jedoch das Risiko, dass der Arbeitgeber das festgesetzte Ordnungsgeld gar nicht erst zahlt.

Praxistipp

Der Betriebsrat kann seine Rechte in Zukunft nur noch durch die gerichtliche Androhung bzw. Verhängung eines Ordnungsgelds durchsetzen. Die Verhängung einer Ordnungshaft für die Geschäftsleitung ist nach der vorliegenden Entscheidung nicht mehr zulässig.

RAin Cornelia Klüting, Trier

Redaktion (allg.)

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