Teilzeitarbeit - Antrag auf befristete Verringerung

1. Verlangt ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber die Zustimmung zu einer befristeten Verringerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit, so liegt kein Antrag im Sinne des § 8 Abs. 1, 2 TzBfG vor.


2. Der Arbeitgeber kann frei entscheiden, ob er den Antrag auf Änderung des Arbeitsvertrags annimmt oder ablehnt. Lehnt er ihn nicht frist- und formgerecht ab, so tritt die Zustimmungsfiktion des § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG nicht ein.


3. Ohne weitere konkrete Anhaltspunkte ist der Antrag regelmäßig nicht entgegen seinem Wortlaut dahingehend auszulegen, dass der Arbeitnehmer auch eine unbefristete Verringerung der Arbeitszeit begehrt.
(Leitsätze der Bearbeiterin)

BAG, Urteil vom 12. September 2006 - 9 AZR 686/05 § 8 Abs. 1 TzBfG

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Bild: Stefan-Yang / stock.adobe.com
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Problempunkt

Der Kläger, ein stellvertretender Abteilungsleiter der Bürgschaftsabteilung einer Bank, beantragte im Februar 2004 bei seiner Arbeitgeberin die Verringerung seiner Arbeitszeit um 33% auf künftig 26 Wochenarbeitsstunden. Die reduzierte Arbeitszeit sollte vorerst bis Ende 2007 gelten. Im Übrigen wünschte er sich eine Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage Montag bis Mittwoch.

Die beklagte Arbeitgeberin lehnte den Antrag aus betrieblichen Gründen ab. Der Kläger müsse montags bis freitags ansprechbar sein. Andere Mitarbeiter könnten seine durch die Arbeitszeitverringerung entfallenden Tätigkeiten nicht mit übernehmen. Ein qualifizierter Arbeitnehmer, der diese Arbeit als Teilzeitkraft erledigen könne, sei auf dem Arbeitsmarkt nicht zu finden. Gleichzeitig bot sie dem Kläger aber die gewünschte Verringerung und Verteilung der vertraglichen Arbeitszeit an, wenn er von der "Kundenbetreuung" in die "Sachbearbeitung" wechsele. Seine Funktion als stellvertretender Abteilungsleiter, Handlungsvollmacht und Verantwortungszulage entfielen dann. Diese Regelung gelte zunächst unbefristet. Gegebenenfalls könne man sich aber nach Ablauf einiger Zeit über eine Veränderung des Modells unterhalten.

Der Kläger beantragte, die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag auf (unbefristete) Reduzierung der vertraglichen Arbeitszeit auf 26 Wochenarbeitsstunden mit Wirkung ab Juni 2004 zuzustimmen. Während das Arbeitsgericht Kiel dem Antrag entsprach, gab das LAG Schleswig-Holstein der Berufung der Beklagten statt.

Entscheidung

Das BAG wies die Revision des Klägers zurück. Zur Begründung führte es aus, dass sein Verlangen auf Verringerung der vertraglichen Arbeitszeit einen Antrag auf Abschluss eines Änderungsvertrags darstellt. Dieser ist vorliegend darauf gerichtet, abweichend von § 8 Abs. 1 TzBfG nur eine befristete Reduzierung der Arbeitszeit bis Ende 2007 zu erreichen. Einen solchen Anspruch gewährt § 8 TzBfG jedoch nicht. Es fehlt daher bereits an einem Antrag im Sinne des § 8 Abs. 1 TzBfG, so dass der Arbeitnehmer auch keine Ansprüche aus § 8 TzBfG herleiten kann. Der Arbeitgeber kann deshalb frei über den Antrag entscheiden, ohne an die Ablehnungsgründe nach § 8 Abs. 4 TzBfG oder an das Verfahren nach § 8 Abs. 5 TzBfG gebunden zu sein.

Das Verlangen des Klägers nach einer "vorerst" bis Ende 2007 befristeten Herabsetzung seiner Arbeitszeit musste von der Beklagten auch nicht so verstanden werden, dass er hilfsweise eine unbefristete Verringerung wünscht. Der auf Abschluss eines Änderungsvertrags gerichtete Antrag ist zwar grundsätzlich wie jede empfangsbedürftige Willenserklärung gemäß §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Die Auslegung scheitert vorliegend auch nicht schon an dem klaren und eindeutigen Wortlaut, mit dem der Kläger die zeitlich befristete Reduzierung seiner Arbeitszeit beantragt hat. Vielmehr ist auf die Gesamtumstände abzustellen. Die Auslegung in einen Antrag auf eine unbefristete Verringerung entspricht jedoch nicht dem erkennbaren Willen des Klägers.

Wird von einem Arbeitnehmer die Herabsetzung der Arbeitszeit für einen bestimmten Zeitraum verlangt, so ist regelmäßig nur von seiner Bereitschaft auszugehen, die Verdienstminderung für den von ihm genannten Zeitraum - sozusagen als "Gegenleistung" für die ihm gewährte Arbeitszeitverringerung - in Kauf nehmen zu wollen. Ohne konkrete Anhaltspunkte kann dagegen nicht unterstellt werden, dass er diese Einschränkungen für die restliche Dauer seines Arbeitsverhältnisses hinnehmen will oder nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 TzBfG wieder in ein Vollzeitarbeitsverhältnis zurückkehren möchte. Eine solche Auslegung entspricht nicht der Interessenlage des Mitarbeiters und erfolgt daher in der Regel gegen seinen mutmaßlichen Willen.

An diesem Ergebnis ändert auch die später vom Kläger mit seiner Klage begehrte Zustimmung der Beklagten zur unbefristeten Reduzierung der vertraglichen Arbeitszeit ab Juni 2004 nichts. Für die Auslegung ist vielmehr auf die Umstände zum Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung des Arbeitnehmers abzustellen.

Unerheblich ist des Weiteren, dass die Beklagte mit dem Kläger die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit nicht gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 TzBfG mit dem Ziel erörtert hat, zu einer Vereinbarung zu gelangen. Dazu war sie bei der vorliegend beantragten befristeten Herabsetzung nicht verpflichtet. Das Erörterungsverfahren setzt nämlich die Geltendmachung eines von § 8 TzBfG erfassten Verringerungsanspruchs voraus.

Ein Anspruch des Klägers auf die gewünschte Arbeitszeitverringerung folgt ferner nicht daraus, dass die Beklagte seinen Antrag aus betrieblichen Gründen abgelehnt hat, ohne sich auf das Fehlen der Voraussetzungen des § 8 TzBfG zu berufen.

Die Arbeitgeberin war nach Auffassung des BAG schließlich auch nicht zu dem Hinweis verpflichtet, dass der geltend gemachte Verringerungsanspruch wegen der gewünschten Befristung nicht den Anforderungen des § 8 TzBfG entspricht. Weder hat sie den Kläger in eine "Falle" laufen lassen noch musste sie ihn als stellvertretenden Abteilungsleiter darüber belehren, wie er mit Erfolg ein ordnungsgemäßes Verringerungsverlangen stellt.

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Konsequenzen

Der 9. Senat des BAG führt mit dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung zum Inhalt des Teilzeitanspruchs nach § 8 TzBfG fort (vgl. BAG, Urt. v. 18.3.2003 - 9 AZR 126/02; v. 19.8.2003 - 9 AZR 542/02).

Anders als das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), welches in § 15 BEEG die befristete Herabsetzung der Arbeitszeit während der Elternzeit regelt, ist die Möglichkeit einer Befristung in § 8 TzBfG nicht vorgesehen. Hätte der Gesetzgeber auch einen Anspruch auf eine nur vorübergehende Verringerung einführen wollen, so wäre eine ausdrückliche Regelung notwendig gewesen. Der Anspruch auf Teilzeit nach § 8 TzBfG besteht nur unbefristet. Befristet verringert werden kann die Arbeitszeit daher nur einvernehmlich.

Die Entscheidung des BAG bringt weitere Rechtssicherheit für Arbeitgeber, die sich mit Anträgen von Arbeitnehmern auf eine befristete Herabsetzung ihrer Arbeitszeit konfrontiert sehen. Ihrer Unsicherheit, ob solche Anträge nach dem in § 8 TzBfG vorgesehenen Verfahren zu behandeln sind, trägt das BAG Rechnung. Es macht insbesondere deutlich, dass ein Anspruch auf eine befristete Verringerung auch nicht aus der Ablehnung eines entsprechenden Antrags wegen betrieblicher Gründe und einer insoweit erfolgten Berücksichtigung der Vorgaben des § 8 TzBfG folgt.

Noch wichtiger im Zusammenhang mit der Frage, wie mit einem solchen Antrag in der Praxis umzugehen ist, ist indes die Aussage, dass er ohne weitere konkrete Hinweise regelmäßig auch nicht dahingehend auszulegen ist, dass der Arbeitnehmer zugleich - hilfsweise - eine unbefristete Herabsetzung der Arbeitszeit im Sinne des § 8 TzBfG beantragt. Zu diesem Ergebnis kam das BAG im vorliegenden Fall, obgleich der Antrag des Arbeitnehmers lautete, die reduzierte Arbeitszeit solle "vorerst" bis Ende 2007 gelten. Die Schwelle für Anhaltspunkte, die eine andere Auslegung zulassen würden, war hiermit also noch nicht überschritten.

Richtigerweise weist das BAG abschließend darauf hin, dass es nicht Aufgabe des Arbeitgebers ist, den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass sein Teilzeitantrag nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Da es hierbei aber mehrmals die Position des Klägers als stellvertretender Abteilungsleiter betont, erscheint es nicht völlig ausgeschlossen, dass es in einem anderen Fall zu einem abweichenden Ergebnis kommen könnte. Maßgeblich dürfte im vorliegenden Fall wohl vielmehr gewesen sein, dass sich auch die Arbeitgeberin nicht völlig darüber im Klaren war, dass § 8 TzBfG nicht anwendbar ist. Folglich konnte sie den Kläger hierauf auch nicht hinweisen.

Abseits des vom BAG zu entscheidenden Falls muss in der Praxis in ähnlichen Fallkonstellationen aber darauf geachtet werden, ob ggf. der BAT oder nun der TVöD - insbesondere kraft individualvertraglicher Inbezugnahme - auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Nach § 11 Abs. 1 TVöD (§ 15b Abs. 1 BAT) soll mit Beschäftigten auf Antrag eine geringere als die regelmäßige Arbeitszeit vereinbart werden, wenn sie mindestens ein Kind unter 18 Jahren tatsächlich betreuen und dringende dienstliche bzw. betriebliche Belange nicht entgegenstehen. Die Teilzeitbeschäftigung ist hiernach auf Antrag auf bis zu fünf Jahre zu befristen und kann spätestens sechs Monate vor Ablauf der vereinbarten Teilzeitbeschäftigung (erneut befristet) verlängert werden. § 11 Abs. 1 TVöD ermöglicht es dem Arbeitnehmer also, abweichend von § 8 TzBfG die Arbeitszeit befristet herabzusetzen.

Praxistipp

Auf der Grundlage der Rechtsprechung des BAG können Anträge von Arbeitnehmern auf eine nur befristete Verringerung der vertraglichen Arbeitszeit ohne Beachtung der engen Vorgaben des § 8 TzBfG abgelehnt werden, soweit nicht der TVöD Anwendung findet.

RAin und FAin ArbR Dr. Anja Lingscheid, Lovells, Frankfurt

Redaktion (allg.)

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