Verwertung der Aussage von Telefonzeugen

1. Das Recht am gesprochenen Wort als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützt vor der Nutzung einer Mithöreinrichtung, die ein Gesprächsteilnehmer einem nicht an dem Gespräch beteiligten Dritten (sog. Telefonzeugen) bereitstellt.

2. Vernimmt ein Gericht einen solchen Telefonzeugen und verwertet dessen Aussage, wird damit das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht am gesprochenen Wort des Gesprächsteilnehmers verletzt, wenn dieser dem Mithören nicht ausdrücklich zugestimmt hat. Aussagen, die auf dem rechtswidrigen Mithören von Telefongesprächen Dritter beruhen, dürfen in Zivilverfahren nicht verwertet werden.

3. Auf das Recht am gesprochenen Wort kann sich auch eine juristische Person des Privatrechts berufen.

(redaktionelle Leitsätze)

BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 und 1 BvR 805/98

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Bild: Erwin-Wodicka / stock.adobe.com
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Problempunkt

Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat sich im Rahmen zweier Verfassungsbeschwerden mit der Frage der zivilgerichtlichen Verwertbarkeit von Zeugenaussagen über den Inhalt von Telefongesprächen befasst. Die Zeugen hatten die Telefonate zwischen dem jeweiligen Beschwerdeführer und dessen Vertragspartner über eine Mithörvorrichtung mitverfolgt, ohne dass die Betroffenen davon wussten. In den inhaltlich umstrittenen Telefonaten ging es um die Rückabwicklung eines Kaufvertrags zwischen einem der Beschwerdeführer und seinem Käufer sowie um Abfindungsansprüche aus einem Mietverhältnis zwischen dem anderen Beschwerdeführer und dessen Vermieter. Die jeweiligen Gegner hatten sich in den folgenden Zivilprozessen zum Beweis für ihre Darstellung des Inhalts der Telefongespräche jeweils auf die Zeugen berufen, die die Telefonate über eine Freisprechanlage mitgehört hatten. Aufgrund der betreffenden Zeugenaussagen sind die Beschwerdeführer antragsgemäß verurteilt worden. Die Beschwerdeführer haben sich mit Verfassungsbeschwerden gegen die Verwertung der Aussagen der Telefonzeugen gewandt.

Entscheidung

Das BVerfG hat beide angegriffenen Entscheidungen aufgehoben und an das jeweilige Berufungsgericht zur Neuverhandlung zurückverwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass zwar das Grundrecht auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses nicht verletzt worden ist, da dieses nicht das Vertrauen der Kommunikationspartner untereinander, sondern - nur - die Vertraulichkeit der Nutzung des eingesetzten technischen Mediums schützt. Der 1. Senat sieht aber eine Verletzung des Rechtes am gesprochenen Wort als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Vernehmung von ""Telefonzeugen"" und der Verwertung deren Aussagen. Zum Recht am gesprochenen Wort gehört, selbst die Auswahl der Personen zu bestimmen, die Kenntnis vom Gesprächsinhalt erhalten sollen. Das Grundgesetz schützt deshalb davor, dass Gespräche heimlich aufgenommen und ohne Einwilligung des Sprechenden oder gar gegen dessen erklärten Willen verwertet werden. Derjenige, der Dritte unerkannt mithören lässt, missachtet das Selbstbestimmungsrecht seines Gesprächspartners, wobei dessen Schutz unabhängig von den Kommunikationsinhalten oder einer Vertraulichkeitsvereinbarung besteht. Hieraus folgt, dass auch die Erhebung und Verwertung derartiger Zeugenaussagen durch Gerichte in den Schutzbereich des Rechts am gesprochenen Wort eingreift.

 

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Konsequenzen

Die Entscheidung des BVerfG hat - auch - Folgen für arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen. Zum einen ist mit der Entscheidung ein jahrelanger Streit zwischen den verschiedenen Bundesgerichten über die Behandlung von Telefonzeugen beendet worden. Der Bundesgerichtshof und damit die Zivilgerichte haben bislang die Vernehmung von Telefonzeugen mit der Argumentation für zulässig gehalten, aufgrund der technischen Entwicklung müsse ein Fernsprechteilnehmer damit rechnen, dass auch bei privaten Telefonanschlüssen Mithörgeräte angeschlossen seien. Im Übrigen komme eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des nicht über die Benutzung der Mithöreinrichtung in Kenntnis gesetzten Fernsprechteilnehmers dann nicht in Betracht, wenn der Inhalt des Gesprächs keinen vertraulichen Charakter habe und der Gesprächspartner damit auch nicht ersichtlich Wert auf Vertraulichkeit lege. Diese Auffassung berücksichtigt aber das Selbstbestimmungsrecht der Gesprächsteilnehmer nur unzureichend. Allein die Kenntnis vom eventuellen Vorhandensein einer Mithöreinrichtung kann ohne ausdrückliche Erklärung des Gesprächsteilnehmers keinesfalls als stillschweigende Einwilligung in ein heimliches Mithören Dritter verstanden werden. Aus diesem Grunde hat sich auch das Bundesarbeitsgericht bereits seit der Entscheidung vom 30. August 1995 auf den Standpunkt gestellt, es komme für die Zulässigkeit des Eingriffs in das Recht des Arbeitnehmers am gesprochenen Wort auf eine Abwägung der je nach Fallgestaltung betroffenen Interessen an. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung ist das heimliche Mithörenlassen von Telefongesprächen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Allgemeinen wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts als unzulässig angesehen worden. Auf diese Weise erlangte Beweismittel unterlagen nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung einem Beweisverwertungsverbot. Das BVerfG stützt nunmehr die sicherlich richtungsweisende Auffassung der Arbeitsgerichtsbarkeit und hat insofern für arbeitsgerichtliche Streitigkeiten zumindest klarstellenden Charakter. Zum anderen bezieht das BVerfG das Recht am eigenen Wort aber nicht nur auf natürliche Personen, sondern auch auf juristische Personen des Privatrechts. Die Frage, ob juristische Personen sich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen können, war bis dahin streitig. Mit seinem klarstellenden Hinweis schafft der 1. Senat jedoch eine Art Waffengleichheit, da nunmehr auch in arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten feststeht, dass sich nicht nur der Arbeitnehmer, sondern auch der Arbeitgeber, wenn er als juristische Person organisiert ist, auf die gleichen Schutzrechte berufen kann.

Praxistipp

Im Ergebnis folgt aus der Entscheidung des BVerfG, dass ein Mithören Dritter über eine Mithöranlage am Telefon sowie auch das Mitschneiden des Gespräches auf Band nur dann zulässig und damit in einem späteren Rechtsstreit verwertbar ist, wenn der Gesprächspartner vorher um Erlaubnis gebeten worden ist und diese Erlaubnis auch erteilt hat. Wird später der Inhalt des Telefonates streitig, muss auch damit gerechnet werden, dass der andere Gesprächsteilnehmer die Erteilung der Erlaubnis bestreitet. Demjenigen, der einen Dritten mithören lässt, ist es deshalb aus Gründen der Beweiserleichterung anzuraten, nicht nur den Inhalt des Telefonates nebst Zeitangabe, sondern auch die Erteilung der Erlaubnis durch den anderen Gesprächsteilnehmer schriftlich, etwa in Form eines Aktenvermerks, festzuhalten und diese schriftliche Unterlage durch den mithörenden Dritten gegenzeichnen zu lassen. Ein derartiger Aktenvermerk stellt zwar keine Beweisurkunde dar, kann aber zumindest bei der Vernehmung des mithörenden Dritten vor Gericht als Gedächtnisstütze herangezogen werden.

RA und Notar Dr. Ralf Laws, Fachanwalt für Arbeitsrecht und für Steuerrecht, Brilon

Redaktion (allg.)

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