Vorsicht Falle bei Vergleichsangeboten im Streit um Befristungen

Ein gerichtlicher Vergleich ist i. d. R. ein Sachgrund für eine Befristung, wenn das Gericht den Vergleich selbst vorschlägt. Wird hingegen ein Vergleichsangebot von den Parteien vorgelegt und vom Gericht lediglich der entsprechende Vergleichsschluss per Beschluss festgestellt, fehlt es an der verantwortlichen gerichtlichen Mitwirkung, so dass kein hinreichender Sachgrund vorliegt und eine darauf gestützte Befristung unwirksam sein kann.
(Leitsatz des Bearbeiters)

BAG, Urteil vom 21. März 2017 – 7 AZR 369/15

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Bild: schemev / stock.adobe.com
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Problempunkt

Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses kann gem. § 14 Abs. 1 TzBfG durch Vorliegen eines Sachgrundes (z. B. ein nur vorübergehender betrieblicher Bedarf oder die Notwendigkeit einer Vertretung) gerechtfertigt sein. Eine Alternative ist die kalendermäßige Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG. Der Nachteil dabei ist allerdings, dass diese nur einmal (bzw. nach umstrittener Ansicht des BAG erst wieder nach einer Beschäftigungsunterbrechung von mind. drei Jahren) möglich ist. Daher bleibt ohnehin oftmals nur der Rückgriff auf eine Sachgrundbefristung. Liegt kein Sachgrund oder nur eine unzulässige kalendermäßige Befristung vor, ist die Befristung insgesamt unwirksam – mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis als unbefristet gilt (§ 16 TzBfG).

Entsteht zwischen den Arbeitsvertragsparteien ein Streit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, endet dieser oft in einem Vergleich. Üblich ist es auch, sich so auf eine Befristung zu einigen. Hier bietet sich § 14 Abs. 1 Nr. 8 TzBfG an. Danach liegt ein Sachgrund vor, wenn die Befristung „auf einem gerichtlichen Vergleich beruht“ (sog. Vergleichsbefristung). Das BAG hat die Anforderungen daran nun präzisiert.

Die Klägerin war zwischen 2000 und 2012 aufgrund zahlreicher befristeter Verträge bei der Beklagten beschäftigt. Hinsichtlich der letzten Befristung erhob sie eine Befristungskontrollklage. Im Verlauf des Verfahrens regte das Arbeitsgericht einen Vergleich an. Die Parteien waren auch grundsätzlich bereit, das Arbeitsverhältnis befristet fortzusetzen. Die Klägerin unterbreitete dem Gericht daher einen Vergleichsentwurf und bat es, diesen Entwurf als Vergleich vorzuschlagen. Die Beklagte indessen legte dem Gericht einen eigenen Vergleichsentwurf vor. Nach der dann folgenden außergerichtlichen Abstimmung legte die Klägerin dem Richter einen weiteren Vergleichsvorschlag vor, welcher ausformuliert war und der getroffenen Einigung entsprach. Die Beklagte teilte daher dem Gericht ihr Einverständnis mit. Per Beschluss wurde dann das Zustandekommen des Vergleichs gem. § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO festgestellt.

Noch vor Ende der so ausgehandelten Befristung erhob die Klägerin erneut eine Befristungskontrollklage und begehrte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis auch durch die vergleichsweise Befristung nicht beendet werde. Die Beklagte meinte, der Vergleich genüge den Anforderungen des Gesetzes, die Klägerin handele rechtsmissbräuchlich. Außerdem läge auch ein anderer Sachgrund (Vertretungsbedarf) vor.

Entscheidung

Das BAG gab der Klägerin in den zentralen Punkten Recht: Die Vergleichsbefristung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen und die Mitarbeiterin hat sich auch nicht rechtsmissbräuchlich verhalten. Lediglich zur Überprüfung der Frage, ob der Sachgrund des Vertretungsbedarfs vorlag, wurde die Sache zur weiteren Klärung an das LAG zurückverwiesen.

Das BAG bestätigte zunächst, dass eine Vergleichsbefristung grundsätzlich ein Sachgrund sein kann und keiner (weiteren) gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Denn aus Art. 12 GG ist das Arbeitsgericht verpflichtet, den Arbeitnehmer vor einem grundlosen Verlust seines Arbeitsplatzes zu bewahren und es hat einen angemessenen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen zu suchen. Diese Funktion erfüllt das Arbeitsgericht durch sein ordnungsgemäßes Mitwirken beim Zustandekommen des Vergleichs allerdings nur dann, wenn es sich auch inhaltlich mit dem Vergleich befasst und also insbesondere dann, wenn es den Vergleich selbst vorschlägt. Nur dann ist i. d. R. eine hinreichende Gewähr dafür gegeben, dass diese Befristung nicht deswegen gewählt wurde, um dem Arbeitnehmer grundlos den gesetzlichen Bestandsschutz zu nehmen. Das BAG erinnerte hier in aller Deutlichkeit an den Schutzauftrag der Richter.

Davon zu unterscheiden sind die Fälle des § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO. Hier einigen sich die Parteien und teilen dies dem Gericht mit. Dieses stellt dann per Beschluss noch fest, dass und wie die Parteien sich geeinigt haben. Es erfolgt dabei allenfalls eine Prüfung, ob der Vergleich sittenwidrig, strafrechtlich relevant oder aus sonstigen Gründen unzulässig ist. Dieses Verfahren wurde hier letztlich gewählt. Zwar hatte die Klägerin dem Gericht anfangs einen eigenen Vergleichsentwurf übermittelt – und das Gericht gebeten, diesen Entwurf zu übernehmen und ihn als eigenen Vorschlag zu unterbreiten. Da die Beklagte aber einen eigenen, abweichenden Entwurf vorgelegt hatte, ist es hierzu nicht gekommen. Stattdessen haben die Parteien sich anschließend außergerichtlich geeinigt und das Ergebnis dem Gericht mitgeteilt. In diesen Fällen, so das BAG, fehlt es i. d. R. an der erforderlichen verantwortlichen Mitwirkung des Gerichts. Im Ergebnis lag daher keine wirksame Vergleichsbefristung vor.

Das BAG stellte außerdem recht lapidar fest, dass die Klägerin nicht rechtsmissbräuchlich gehandelt hat, da sie bei der Beklagten kein schutzwürdiges Vertrauen geschaffen hat. Insbesondere, da die Klägerin die Beklagte nicht dazu veranlasst hatte, den Vergleich nur im Wege des § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO (und nicht anders) zu schließen.

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Konsequenzen

Soll eine Befristung per Vergleich vereinbart werden, ist dringend darauf zu achten, dass er vom Gericht selbst kommt. Ansonsten sind die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 8 TzBfG nicht erfüllt. Hier muss insbesondere der Arbeitgeber aufpassen, nicht in eine Falle des Arbeitnehmers zu geraten.

Praxistipp

Außergerichtlich erzielte Vergleiche Sollten in jedem Fall dem Gericht mit der Bitte vorgelegt werden, es möge den Vergleichsvorschlag den Parteien als eigenen, also gerichtlichen Vergleichsvorschlag, unterbreiten. Nur dann ist eine verantwortliche Mitwirkung des Gerichts gegeben. Jedes andere Vorgehen ist mit Risiken behaftet und lädt geradezu zu weiteren Streitigkeiten ein.

RA Daniel Jutzi, Osnabrück

Redaktion (allg.)

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