BAG kippt Berliner Kopftuchverbot

Quelle: pixabay.com
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Ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen i. S. d. Berliner Neutralitätsgesetzes ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das hat das BAG in einem Urteil vom 27.8.2020 (8 AZR 62/19) entschieden.

Eine Dipl.-Informatikerin hat sich beim Land Berlin im Rahmen eines Quereinstiegs mit berufsbegleitendem Referendariat als Lehrkraft für die Fächer Informatik und Mathematik beworben. Sie ist gläubige Muslima und trägt ein Kopftuch. Nach Absolvierung eines Vorstellungsgesprächs wurde sie von der Zentralen Bewerbungsstelle auf die Rechtslage nach dem Berliner Neutralitätsgesetz hingewiesen, woraufhin sie zu verstehen gab, dass sie ihr Kopftuch auch im Unterricht nicht ablegen werde. Die Bewerbung blieb erfolglos. Die Informatikerin nahm das Land Berlin im Klagewege auf Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG in Anspruch. Das beklagte Land habe sie unter Verstoß gegen das AGG wegen ihrer Religion benachteiligt. Dieser Verstoß sei nicht durch § 2 Berliner Neutralitätsgesetz gerechtfertigt. Dort ist ein pauschales muslimisches Kopftuchverbot innerhalb der Dienstzeit geregelt. Das verstoße nach Ansicht der Klägerin gegen die Glaubensfreiheit nach Art. 4 GG. Hiergegen wandte das beklagte Land ein, das verfassungsgemäße und europarechtskonforme Neutralitätsgesetz, das eine Regelung zur Verpflichtung der Lehrkräfte enthalte, im Dienst u. a. keine auffallenden religiös geprägten Kleidungsstücke zu tragen, stelle eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung i. S. d. § 8 Abs. 1 AGG dar. Die Wahrung der strikten staatlichen Neutralität im Unterricht sei aus präventiven Gründen erforderlich. Es bedürfe nicht des Nachweises einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden.
Das ArbG Berlin wies die Klage ab. Das LAG Berlin-Brandenburg verurteile das Land zur Zahlung einer Entschädigung i. H. v. 5.159,88 Euro. Hiergegen legte das beklagte Land Revision ein. Auch die Klägerin legte Anschlussrevision ein und begehrte eine höhere Entschädigung.

Beide Revisionen hatten indes keinen Erfolg. Die Klägerin kann vom beklagten Land Berlin eine Entschädigung in zuvor angegebener Höhe nach § 15 Abs. 2 GG wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG verlangen. Sie hat als Bewerberin eine unmittelbare Benachteiligung i. S. v. § 3 Abs. 1 AGG erfahren. Das Gespräch mit dem Mitarbeiter der Zentralen Bewerbungsstelle im Anschluss an das Bewerbungsgespräch begründet die Vermutung, dass die Klägerin wegen der Religion benachteiligt worden ist. Eine Rechtfertigung der Benachteiligung nach § 8 Abs. 1 AGG kommt nicht in Betracht. Das Land Berlin konnte sich nicht erfolgreich auf die abstrakte Regelung zum Kopftuchverbot in § 2 Berliner Neutralitätsgesetz berufen. Es handelt sich um einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Religionsfreiheit nach Art. 4 GG. Die Regelung des Berliner Neutralitätsgesetzes ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass das Trageverbot eines sog. islamischen Kopftuchs nur dann gilt, wenn eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität existiert. Das war vorliegend nicht der Fall. Aus Sicht des BAG war die Höhe der Entschädigung ebenfalls nicht zu beanstanden, sodass die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg im Ergebnis bestätigt wurde.

#ArbeitsRechtKurios: Amüsante Fälle aus der Rechtsprechung deutscher Gerichte - in Zusammenarbeit mit dem renommierten Karikaturisten Thomas Plaßmann (Frankfurter Rundschau, NRZ, Berliner Zeitung, Spiegel Online, AuA).

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