Beschaffung und Nutzung von Dienstwagen für private Zwecke der Unfallkasse-Mitarbeiter nicht zulässig

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Die Unfallkasse Baden-Württemberg ist Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung u. a. für Beschäftigte in Landes- und Gemeindeunternehmen sowie für Kapitalgesellschaften, an denen das Land oder Gemeinden mehrheitlich beteiligt sind.

Im März 2017 wies das Land Baden-Württemberg als zuständige Aufsichtsbehörde die Unfallkasse darauf hin, dass die im Rahmen einer Stellenausschreibung (für einen Abteilungsleiter Prävention) angebotene private Dienstwagennutzung nicht zu deren Aufgaben gehöre und gegen die Grundsätze der Wirtschaftlich- und Sparsamkeit verstoße.

Die Unfallkasse erwiderte, von derzeit 35 dienstlichen Fahrzeugen seien 28 einzelnen ihrer insgesamt 312 Mitarbeiter fest zugeordnet. Diese dürften die Fahrzeuge auch privat nutzen. Nach einer Vorstandsrichtlinie verpflichte sich jeder berechtigte Mitarbeiter, dienstlich mindestens 6.000 km jährlich zu fahren. Ansonsten verliere er den Anspruch auf Dienstwagennutzung. Parallel hierzu könne jeder Dienstwagennutzer private Kilometer mit dem Fahrzeug zurücklegen, sei aber verpflichtet, mit einem Fahrtenbuch dienstliche und private Fahrten zu erfassen. Aus den gefahrenen Jahreskilometern würden dann die Kilometerkosten je Dienstfahrzeug ermittelt und anteilig auf die privaten und dienstlichen Kilometer verteilt. Jeder Dienstwagennutzer erstatte dann für die privat gefahrenen Kilometer seine Kosten gegenüber der Unfallkasse. Ihr Konzept zur Überlassung von Dienstwagen sei das wirtschaftlichste und kostensparendste aller Unfallversicherungsträger.

Nach aufsichtsrechtlicher Beratung verpflichtete das Land die Unfallkasse mit Bescheid vom 28.7.2020, ihren Beschäftigten diejenigen personenbezogenen Dienstfahrzeuge nicht mehr zur Verfügung zu stellen, bei denen die Unwirtschaftlichkeit mangels ausreichender dienstlicher Nutzung offensichtlich war, und zu prüfen, ob stattdessen eine bevorzugte Nutzung von Pool-Fahrzeugen in Betracht komme. Künftig seien personenbezogene Dienstfahrzeugen nur noch dann zu beschaffen, wenn von deren Wirtschaftlichkeit allein unter Zugrundelegung der dienstlichen Laufleistung, mindesten 90 Nutzungstagen und Kosten pro Kilometer im Rahmen der Wegstreckenentschädigung in Höhe von 0,35 € ausgegangen werden könne. Zur Begründung führte das Land aus, Betriebsmittel dürften nur für gesetzlich oder durch Satzung vorgesehene Aufgaben verwendet werden. Wenn Fahrzeuge wie von der Unfallkasse über das erforderliche Maß hinaus beschafft würden, widerspreche dies den gesetzlichen Vorgaben. Da die Unfallkasse gemäß ihrer Richtlinie bei personenbezogenen Fahrzeugen von lediglich 6.000 km dienstlicher Nutzung bzw. 16.000 km Gesamtlaufleistung ausgehe, überschreite sie das Maß an zulässigen Beschaffungen schon dadurch, dass sie so eine überwiegend private Nutzung der personenbezogenen Fahrzeuge ermögliche. Zudem sei eine rein dienstliche Jahreslaufleistung von nur 6.000 km unwirtschaftlich. Die Unfallkasse habe aufgrund ihrer Treuhänderfunktion gegenüber ihren Mitgliedern Verwaltungsaufgaben mit dem geringstmöglichen Aufwand zu bestreiten. Demnach müsse sich die Wirtschaftlichkeit eines Dienstfahrzeugs zwangsläufig ausschließlich aus der dienstlichen Nutzung und nicht erst in Kombination mit einer zusätzlichen privaten Nutzung ergeben.

Die hiergegen gerichtete Klage der Unfallkasse hat der 6. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg mit Urteil vom 29.6.2021 abgewiesen (L 6 U 2716/20 KL): Die Klägerin habe durch die Zurverfügungstellung personenbezogener Dienstwagen und die unwirtschaftliche Nutzung ihres Fahrzeugbestands ihr Selbstverwaltungsrecht überschritten. Auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes einer maßvollen Ausübung der Rechtsaufsicht bewege sich das Handeln der Unfallkasse nicht mehr im Bereich des rechtlich noch Vertretbaren. Die Klägerin habe sich bei der Bedarfsermittlung an Dienstkraftwagen von sachfremden, nicht mehr vertretbaren Erwägungen leiten lassen, indem sie durch die Berücksichtigung von privaten Kilometern einen deutlich höheren Bedarf ermittelt und gedeckt habe. Die Unfallkasse überschreite auch ihren gesetzlichen Aufgabenbereich, indem sie die private Nutzung nicht nur erlaube, sondern nach ihrem eigenen Vorbringen zufolge sogar wünsche, um über die damit verbundene höhere Jahreslaufleistung der Dienstkraftfahrzeuge günstigere Leasingkonditionen erzielen zu können. Zum Aufgabenspektrum der Klägerin gehöre eindeutig nicht die Überlassung von mit Mitteln der Versichertengemeinschaft finanzierten Dienstfahrzeugen an ihre Mitarbeiter zur privaten Nutzung. Die Verfahrensweise der Unfallkasse führe dazu, dass neben höheren Sachkosten für die Fahrzeuge auch Personalkosten für die Verwaltung und insbesondere für die Abrechnung des Fuhrparks generiert würden. Diese zusätzlichen Kosten seien letztlich von den Beitragszahlern zu tragen. Die Unfallkasse habe nach eigenen Angaben mehr als 10 % ihrer Mitarbeitern ein Kraftfahrzeug zur Verfügung gestellt (35 Kraftfahrzeuge bei 312 Mitarbeitern); hochgerechnet auf mehr als 300.000 Landesbeschäftigte müsste Baden-Württemberg bei gleicher Handhabe über 30.000 Kraftfahrzeuge beschaffen und seinen Bediensteten als Dienstwagen zur Verfügung stellen. Dies verdeutliche den außerordentlich hohen Umfang der dienstlichen Kraftfahrzeugflotte der Unfallkasse. Die Definition des Wirtschaftlichkeitsmaßstabs durch das Land in Höhe von 0,35 € je Kilometer orientiere sich auch zulässigerweise an den landesreisekostenrechtlichen Bestimmungen.

Pressemitteilung des LSG Baden-Württemberg vom 5.7.2021

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