„Menstruationsurlaub“: Unterstützung oder Stigmatisierung?

Bild: gillianvann / stock.adobe.com
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Die Idee des sog. „Menstruationsurlaubs“ für Arbeitnehmerinnen hat in den letzten Jahren sehr viel Aufmerksamkeit erhalten. Während in einigen asiatischen Ländern schon seit Längerem entsprechende Regelungen umgesetzt werden, ist in Europa nicht viel passiert – bis jetzt. Denn Spanien führt als erstes europäisches Land den „Menstruationsurlaub“ ein: Geplant ist eine Lohnfortzahlung für drei (bei starken Schmerzen für fünf) Tage. Die Kosten hierfür sollen von der Sozialversicherung getragen werden. Voraussetzung ist, dass die Betroffene einen Arzt aufsucht, der die Symptome bestätigt.

Das Thema ist sehr umstritten und wirft vor allem für Arbeitgeber zahlreiche Fragen auf – allen voran: Sind die derzeitigen Regelungen zur Krankschreibung nicht ausreichend? Und hier ist es zwingend, zunächst einen Blick auf die spanische Gesetzeslage in Sachen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu werfen, die stark von der deutschen Herangehensweise abweicht – ein Aspekt, der in den hiesigen Diskussionen leider allzu oft zu kurz kommt.
Innerhalb der ersten drei Tage der Arbeitsunfähigkeit muss ein spanischer Arbeitgeber keine Lohnfortzahlung leisten, es handelt sich um eine sog. Wartezeit. Ab dem vierten Tag (bis zum 15. Tag) besteht ein arbeitnehmerseitiger Anspruch auf eine sog. Beihilfe i. H. v. 60 % der Berechnungsgrundlage. Dies zahlt der Arbeitgeber bis zum 15. Tag der Erkrankung. Danach springt das staatliche Sozialversicherungssystem ein. Für die Auszahlung der Beihilfe an den Arbeitnehmer ist eine Untersuchung durch einen beamteten Arzt der Sozialversicherung Voraussetzung.
Dies vorausgeschickt, lässt die Notwendigkeit einer separaten Regelung für Frauen in einem anderen Licht erscheinen und relativiert Vorschläge für eine deutsche Regelung, denn hierzulande lautet die Gesetzeslage bekanntermaßen klar und deutlich: Der Arbeitgeber leistet die ersten sechs Wochen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Gesundheit und Wohlbefinden
Befürworter des „Menstruationsurlaubs“ argumentieren damit, dass viele Frauen während ihrer Periode mit physischen und emotionalen Beschwerden zu kämpfen haben. Starke Menstruationskrämpfe, Übelkeit, Erschöpfung und Stimmungsschwankungen können die Fähigkeit einer Frau beeinträchtigen, am Arbeitsplatz effizient zu arbeiten. Eine spezielle Freistellung ermöglicht es Frauen, sich zu erholen und besser mit diesen Herausforderungen umzugehen, was ihrer Produktivität und Gesundheit insgesamt zugutekommen könnte.
Ein weiteres Argument für den „Menstruationsurlaub“ ist, dass er ein Bewusstsein für die weibliche Gesundheit schaffen und dazu beitragen könnte, das Tabu rund um das Thema Menstruation zu brechen. Indem man Frauen die Möglichkeit gibt, offen über ihre Bedürfnisse zu sprechen, könnten Arbeitgeber sensibler und unterstützend reagieren.

Gleichstellung und Missbrauchsrisiken
Kritiker des „Menstruationsurlaubs“ sind der Meinung, dass er Frauen stigmatisieren und ihre Gleichstellung am Arbeitsplatz beeinträchtigen könnte. Die Idee, dass Frauen während ihrer Periode „ausfallen“ könnten, kann dazu führen, dass sich bereits bekannte Vorurteile verstärken und Frauen als weniger leistungsfähig oder weniger belastbar wahrgenommen werden. Dies könnte zu einer ungleichen Behandlung und möglicherweise zu Benachteiligung im Berufsleben führen.
Ein weiteres Problem ist das Risiko des Missbrauchs. Für Arbeitgeber ist es schwer einzuschätzen, inwiefern der „Menstruationsurlaub“ wirklich notwendig ist oder nur für freie Tage genutzt wird, auch wenn kaum bis keine Beschwerden bestehen. Allerdings kann die Pflicht eines Attests dem entgegenwirken (vgl. die spanische Regelung). Diese bringt zwar keine Gewissheit bzgl. der Beschwerden der Beschäftigten mit sich, der Arbeitgeber hätte aber zumindest die Sicherheit, dass die Beschäftigte einen Arzt aufgesucht hat. Zusätzlich würde eine Begrenzung der freien Tage pro Monat für Arbeitgeber eine gewisse Planungssicherheit schaffen.

Alternative Ansätze
Anstelle eines „Menstruationsurlaubs“ gibt es auch andere Alternativen zur Unterstützung während der Periode. Damit Arbeitgeber keine Bedenken vor regelmäßigen Ausfällen der Frauen haben müssen, könnten Unternehmen die Gesundheit und das Wohlbefinden direkt am Arbeitsplatz unterstützen, denn heutzutage gibt es viele Optionen, eine flexible Arbeitsgestaltung möglich zu machen. Arbeitgeber könnten etwa die Arbeitszeit während der Periode kürzen oder spontan flexibles Arbeiten genehmigen, so kann sich die Betroffene je nach Befinden entscheiden und der Arbeitgeber erleidet keinen Personalausfall.

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