Fragen an Dr. Marc Schlette

„Man muss versuchen, bescheiden zu bleiben“
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Dr. Marc Schlette, Chief Human Resources Officer (CHRO) von thyssenkrupp Materials Services, Essen Bild: thyssenkrupp
Dr. Marc Schlette, Chief Human Resources Officer (CHRO) von thyssenkrupp Materials Services, Essen Bild: thyssenkrupp

Wären Sie nicht Personaler geworden, was dann?

Als Kind wollte ich zunächst Lehrer werden, auch wegen der Ferien. Nach dem Abitur wollte ich unbedingt mein eigenes Geld verdienen. Daher Bankausbildung statt Studium. Nach sechs Jahren wollte ich unbedingt studieren, hätte nach den Abschlüssen gerne auch dauerhaft wissenschaftlich gearbeitet. Die Uni war ein wunderbarer Ort für mich, vielleicht auch deshalb, weil ich vorher den Arbeitsalltag schon kannte.

Warum haben Sie sich für Ihren Beruf entschieden?

Personaler bin ich auch ein Stück weit durch Glück und Zufall geworden. Nach Bankausbildung, Studium und Promotion habe ich eine große Chance bei der IG Metall bekommen. Da war ich zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort und habe Förderer und Freunde gefunden.

Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf?

So wie es jetzt gekommen ist, empfinde ich das als absolutes Privileg. Ich liebe die Personalarbeit, das weiß ich nach fast acht Jahren HR. In der Arbeit erfahren Menschen Wert und Würde. Diese Arbeit maßgeblich mitzugestalten, das ist schon was. Und Menschen für unser Unternehmen zu gewinnen, macht einfach Freude! In meiner Rolle kann ich etwas bewirken. Das ist sehr erfüllend.

Was hat Sie in Ihren ersten Berufsjahren am meisten geprägt?

Ich habe während meiner Ausbildung in der Bank und in den Berufsjahren gelernt, was Kollegialität im besten Sinne bedeutet. Gleichzeitig bin ich im Bankgeschäft allen Aspekten von Freud und Leid begegnet, das war schon eine Lebensschule. Dafür bin ich bis heute dankbar. Eine kleine Genossenschaftsbank ist sozusagen ein Nukleus des Lebens, das hilft, man lässt sich nicht mehr so leicht etwas vormachen.

Welcher Rat hat Ihnen auf Ihrem beruflichen Weg am meisten genützt?

Der Rat meiner Frau Nicole schlägt i. d. R. alle anderen Vorschläge. Man muss versuchen, bescheiden zu bleiben. Es ist ansonsten weniger der einzelne Rat, es sind eher die besonderen menschlichen Begegnungen. Hier hatte ich das Glück, außerordentlich gute Ratgeber zu haben. Ein summa summarum dieser Begegnungen ist sicher, dass intellektueller Fleiß und Anstrengung sich lohnen. Und dass Empathie und die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, Erfolgsvoraussetzungen sind. Und dass man besser etwas mehr hält als man verspricht.

Welche (sozialen) Netzwerke nutzen Sie?

LinkedIn im beruflichen Kontext und als Amateur schon mal Facebook, aber nur, um mich mit Freunden zum Laufen zu verabreden und ansonsten rein informativ auf dem neuesten Stand der aktuellen Verschwörungstheorien zu sein [lacht].

Welche berufliche Entscheidung würden Sie rückwirkend anders treffen?

Sicher macht man im operativen Alltag so manches falsch und denkt hinterher, hätte ich mal … Wenn ich konkret werden soll: Vor Jahren war ich über die Potenzialbeurteilung eines Managers zunächst beleidigt. Ich hatte mich selbst besser gesehen. Dabei war das, was die Führungskraft gemacht hat, genau richtig und im gegebenen System sogar sehr wohlwollend. Das habe ich aber erst viel später durchschaut und verstanden und gelernt, dass Selbstüberschätzung gefährlich ist.

Arbeitnehmer sind dann gut, wenn …

… sie ihr Wissen und Können für das Unternehmen einsetzen und sich selbst dabei als Mensch treu bleiben. Wenn sie ein gegenseitiges Leistungsversprechen eingehen, erfüllen und umgekehrt selbstbewusst auf Erfüllung pochen. Das setzt auf der einen Seite gute Führung voraus. Und auf der anderen Seite die Bereitschaft, sich anzustrengen.

Was war Ihre beruflich schwerste Entscheidung?

Als Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat eine Standortschließung mitzutragen, um ein Investment in andere Standorte zu sichern und möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten.

Nach dem erfolgreichen Start im Jahr 2018 folgt nun der 2. Band!
Für das Buch #AllesRechtKurios hat der bekannte Juraprofessor Arnd Diringer wieder amüsante Fälle aus der Rechtsprechung deutscher Gerichte zusammengetragen.

Welche Themen stehen in den nächsten Monaten auf Ihrer Agenda?

Erstens: Schutz der Gesundheit unserer Mitarbeitenden inmitten der Corona-Pandemie. Zweitens: Neugestaltung der Arbeitswelt (Mobiles Arbeiten und Digitalisierung). Drittens: Transformation von Materials Services. Ich möchte in meiner Position dabei mithelfen, dass die Veränderungsprozesse für die Menschen transparent, fair und wertschätzend laufen. Dazu gehört, dass wir in die Qualifikation von Menschen investieren und dafür sorgen, dass sie den gemeinsamen Weg mitgehen können und wollen.

Was bedeutet Arbeit für Sie?

Es ist mein Lebensthema. Der Begriff der Arbeit ist deshalb so faszinierend, weil es zugleich die Würde und die Bürde der menschlichen Existenz ist. Der Spannungsbogen zwischen großer Gestaltung und elementarster Dienstleitung. Ein ganz sensibler Bereich. Die Arbeitswelt ist voller Chancen und Möglichkeiten gelungenen Lebens. Aber – vor allem in der Geschichte, mancherorts aber leider auch noch heute – auch voller Leiden und Demütigungen, vor allem für diejenigen, die keine Stimme und keine Macht haben. Ich kann mir aber bis heute menschliches Glück nicht ohne erfüllte Arbeitstätigkeit vorstellen.

Was ist Ihre größte Leidenschaft?

Das langsame Laufen langer Strecken. Es gibt kaum etwas Besseres, als einen Marathon zu finishen.

Verraten Sie uns Ihr Lebensmotto?

Das wechselt. Je nachdem, mit welcher Lage man gerade fertig werden will. Alles Leben ist Problemlösen.

Vita

Ausbildung zum Bankkaufmann sowie Studium der Politikwissenschaft (Abschluss als Diplom-Sozialwissenschaftler, Politikwissenschaft, Politische Philosophie) mit anschließender Promotion an der Universität Duisburg-Essen.

Nach Studium und Promotion Laufbahn bei der IG Metall, zunächst als Sekretär beim IG-Metall-Vorstand, später als Bezirkssekretär der IG-Metall-Bezirksleitung NRW.2013 Eintritt in den thyssenkrupp-Konzern: Zunächst Leitung des Bereichs Labour Relations bei der thyssenkrupp AG, ab Mitte 2015 zusätzlich dazu Verantwortung für den Bereich HR Strategy und Projects. Im Oktober 2017 Wechsel zur thyssenkrupp Steel Europe AG, dort Leitung der Zentralfunktion Human Resources Management. Vor seinem Eintritt bei thyssenkrupp war Schlette im Personalbereich der Volkswagen AG tätig.

Seit dem 1.5.2020 ist er CHRO von thyssenkrupp Materials Services.

Dr. Marc Schlette

Dr. Marc Schlette
Chief Human Resources Officer (CHRO), thyssenkrupp Materials Services, Essen
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Fragen an Dr. Marc Schlette
Seite 42 bis 43
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Body Teil 1

Wären Sie nicht Personalerin geworden, was dann?

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Wären Sie nicht Personalerin geworden, was dann?

Dann hätte ich wohl Tiermedizin studiert. Ich bin sehr ländlich groß geworden und

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Wären Sie nicht Jurist geworden, was dann?

In jedem Fall hätte ich einen Beruf ergriffen, wo ich nah an den Menschen bin.

Der Beruf

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Wären Sie nicht Personalerin geworden, was dann?

Ich wäre wahrscheinlich Vertrieblerin. Die Themen Personal/Rekrutierung, Beratung und

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Wären Sie nicht Personaler geworden, was dann?

Landschaftsgärtner! Ich bin ein kreativer Mensch und mag es, draußen in der freien Natur

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Wären Sie nicht Personaler geworden, was dann?

Eigentlich wollte ich Sprachen unterrichten, weil ich eine große Leidenschaft für Spanisch