Arbeitnehmerüberlassung vs. Werk-/Dienstvertrag

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 Bild: yurolaitsalbert/stock.adobe.com
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Arbeitnehmerüberlassung (Überlassung zur Arbeitsleistung) i.S. v. § 1Abs. 1 AÜG liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen. Hierbei ist die Arbeitnehmerüberlassung i.S. d. AÜG durch eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen

  • zwischen Verleiher und Entleiher einerseits (dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und
  • zwischen Verleiher und Arbeitnehmer andererseits (dem Leiharbeitsvertrag) sowie
  • durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher gekennzeichnet.

Der notwendige Inhalt eines solchen Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat (BAG, Urt. v. 5.7.2022 – 9AZR323/21, Rn. 17, NZA 2022, S. 1602).

Demgegenüber ist von Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags. In diesen letzteren Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung des wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag versprochenen Dienste oder für die Herstellung eines geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich.

Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Solche Dienst- oder Werkverträge unterliegen nicht dem AÜG (BAG, Urt. v. 21.3.2017 – 7AZR207/15, Rn. 71, NZA 2018, S. 1024).

Der Werkbesteller kann, wie sich aus § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt, dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werks erteilen. Entsprechendes gilt für Dienstverträge.

Die arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis ist von der projektbezogenen werkvertraglichen Anweisung i.S. v. § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB zu unterscheiden:

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  • Die werkvertragliche Anweisung ist sachbezogen und ergebnisorientiert. Sie ist gegenständlich auf die zu erbringende Werkleistung begrenzt.
  • Demgegenüber ist das arbeitsrechtliche Weisungsrecht personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert (BAG v. 5.7.2022 a.a.O., Rn. 19).

Der konkrete Inhalt der Rechtsbeziehung zwischen dem Vertragsarbeitgeber und dem Dritten ist sowohl auf Grundlage der ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien, als auch unter Berücksichtigung der praktischen Durchführung des Vertrags zu bestimmen.

Widersprechen sich beide, ist die tatsächliche Durchführung des Vertrags maßgeblich, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind bzw. was sie ausdrücklich gewollt haben (BAG v. 5.7.2022 a. a. O.,Rn. 20).

Einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung sind zur Feststellung eines vom Vertragswortlaut abweichenden Geschäftsinhalts nur geeignet, wenn es sich dabei nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis handelt. Dafür ist nicht die Häufigkeit, sondern Gewicht und Bedeutung der behaupteten Vertragsabweichung entscheidend (BAG v. 5.7.2022 a. a. O.,Rn. 20).

Dr. jur. Günter Schmitt-Rolfes

Dr. jur. Günter Schmitt-Rolfes
München
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· Artikel im Heft ·

Arbeitnehmerüberlassung vs. Werk-/Dienstvertrag
Seite 13
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