Auflösungsantrag des Arbeitnehmers nach Arbeitgeberkündigung
Ein in einem Logistikunternehmen angestellter Lackierer erkrankte am 15.6.2021 und übermittelte am selben Tag per WhatsApp eine für die Dauer von zehn Tagen ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Darauf antwortete sein Vorgesetzter: „Was ist das für ein Kindergarten. Wenn sich da nichts ändert, ändere ich was. Viel sag ich nicht dazu. Entweder du bist morgen da und heutiger Vorfall wird geklärt, dann geht’s weiter. Ansonsten – ist es erledigt.“ Der Kläger schrieb am 16.6. zurück, dass er es gesundheitlich nicht schaffe vorbeizukommen. Daraufhin sprach das Unternehmen die ordentliche Kündigung aus, die der Kläger gerichtlich angriff. In der Güteverhandlung erklärte der Justiziar des Unternehmens die Rücknahme der Kündigung. Der Kläger erweiterte seine Klage um einen Auflösungsantrag, wonach das Arbeitsverhältnis zum 31.7. aufzulösen ist und die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung verurteilt werde, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde. Die Kündigungsschutzklage war erfolgreich, den Auflösungsantrag wies das Gericht jedoch zurück (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 30.12.2022, Az.17 Sa 11/22, rk.).
Zur Begründung des Auflösungsantrags brachte der Lackierer vor, ihm sei mit der WhatsApp-Nachricht gedroht worden, dass sich sein Arbeitsverhältnis erledige, wenn er nicht trotz Krankschreibung zur Arbeit erscheine. Er werde an seinem Arbeitsplatz schikaniert und zu mehr Arbeit aufgefordert. Ihm sei vorgeworfen worden, dass es an seinem Arbeitsplatz aussehe „wie bei den Assis“ und dass ihm das nächste Mal etwas von seinem Lohn abgezogen werde. Zudem habe die Beklagte im Rahmen des Prozesses vorgetragen, der klägerische Vortrag sei falsch, widersprüchlich, rechtsmissbräuchlich, unredlich und geradezu abenteuerlich und ohne Substanz.
Dies alles sah das Gericht nicht für ausreichend für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses an. Nach § 9 KSchG hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen, wenn das Gericht feststellt, dass das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung nicht aufgelöst ist, dem Arbeitnehmer jedoch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Die Unzumutbarkeit ist nicht identisch mit der Sozialwidrigkeit der Kündigung, sie muss auch nicht das Gewicht eines wichtigen Grundes haben. Beleidigungen im Zusammenhang mit dem Ausspruch der Kündigung oder unzulässige Maßregelungen können Gründe für eine Auflösung sein. Das Gericht sah in der WhatsApp-Nachricht des Vorgesetzten nicht die Aufforderung, trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit zur Arbeit zu erscheinen, sondern im Betrieb zu erscheinen, um den Vorfall vom Vortag zu klären. Dies stelle keine Drohung mit dem Verlust des Arbeitsplatzes dar. Dass die Beklagte im Verlauf des Prozesses trotz Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung Bedenken am Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers geäußert und auf strafrechtliche Konsequenzen hingewiesen hatte, ließ die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ebenfalls nicht als unzumutbar erscheinen. Bei dem schriftsätzlichen Vortrag handle es sich zwar um „scharfe Worte“. Man darf aber mit starken eindrücklichen Ausdrücken und sinnfälligen Schlagworten seine Rechtsposition begründen.
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