Ausschluss befristet Beschäftigter von Sozialplanabfindungen

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 Bild: jozefmicic/stock.adobe.com
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Im Jahr 1999 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag, der regelte, dass das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist mit dem Monat endet, in dem der Arbeitnehmer das 63. Lebensjahr vollendet. Dies war der Dezember 2022. Im Juli 2022 schlossen die Betriebsparteien einen Interessenausgleich und Sozialplan, wonach der Betrieb spätestens zum 28.2.2023 stillgelegt wird und alle Mitarbeiter eine betriebsbedingte Kündigung erhalten. Der Interessenausgleich wurde durch einen Sozialplan flankiert, der Abfindungszahlungen an die von der Betriebsschließung betroffenen Mitarbeiter vorsah. Darin war geregelt, dass folgende Mitarbeiter keine Ansprüche aus dem Sozialplan haben: „Die in einem befristeten Arbeitsverhältnis stehen, welches nicht früher als zum vereinbarten Zeitpunkt beendet wird“.

Das Unternehmen sprach gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern am 28.7.2022 ordentliche, fristgemäße Kündigungen aus, dem Kläger wurde wegen seiner vielen krankheitsbedingten Fehlzeiten personenbedingt gekündigt.

Die dagegen eingereichte Klage war erfolgreich, das Arbeitsgericht Bielefeld stellte rechtskräftig fest, dass die Kündigung vom 28.7.2022 das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Am 6.9.2022 kündigte der Kläger selbst das Arbeitsverhältnis zum 31.3.2023 und forderte eine Sozialplanabfindung i. H. v. über 50.000 Euro.

Die Klage hatte keinen Erfolg (LAG Hamm, Urt. v. 21.12.2023 – 18 Sa 787/23). Der Kläger konnte sich nicht auf einen Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan berufen. Denn er stand in einem befristeten Arbeitsverhältnis zum Unternehmen. Der Arbeitsvertrag sah vor, dass das Arbeitsverhältnis automatisch mit Vollendung des 63. Lebensjahres im Dezember 2022 endet. Sowohl die (unwirksame) Kündigung des Arbeitgebers zum 28.2.2023 als auch die Eigenkündigung des Klägers zum 31.3.2023 sehen als Endtermin für das Arbeitsverhältnis einen Zeitpunkt nach Dezember 2022 vor. Auf die Wirksamkeit der arbeitsvertraglichen Befristungsabrede kam es nach Meinung des LAG Hamm nicht an. Dies ergab eine Auslegung der Bestimmungen des Sozialplans. Die Auslegung einer Betriebsvereinbarung richtet sich wegen ihres normativen Charakters nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung. Zu berücksichtigen sind Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung. Im Zweifel gebührt der Auslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch handhabbaren Regelung führt. Nach diesen Kriterien ist für den Ausschluss von Abfindungsansprüchen die Wirksamkeit der Befristungsabrede nicht von Belang. Die Formulierung stellt nicht auf ein „wirksam“ befristetes Arbeitsverhältnis ab. Es ist im Einzelfall für die Betriebsparteien bei Abschluss der Betriebsvereinbarung auch nicht vorherzusehen, ob eine Befristungsvereinbarung sich als wirksam erweist oder nicht. Ziel beim Abschluss von Sozialplänen ist es, praktikable Regelungen zu schaffen, um den Kreis der anspruchsberechtigten Mitarbeiter hinreichend sicher einzugrenzen. Es muss insbesondere der Dotierungsrahmen für die Auszahlung von Abfindungen klar vereinbart werden, sodass der Kreis der begünstigten Arbeitnehmer klar feststehen muss. Käme es auf die Wirksamkeit der Befristungsabrede im Einzelfall an, würden diese Regelungsziele nicht erreicht. Es lag auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung vor. Zwar werden Arbeitnehmer mit einem befristeten Vertrag, der vor dem Ablauf der Kündigungsfrist einer betriebsbedingten Kündigung endet, schlechter gestellt gegenüber den Arbeitnehmern deren Arbeitsverhältnisse unbefristet sind. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Befristungsabrede ist aber kein ausgleichungspflichtiger Nachteil, wenn das Arbeitsverhältnis schon vor dem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs aufgrund der Betriebsstilllegung endet. Das Gericht ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob befristet beschäftigte Arbeitnehmer von sozialplanmäßig vorgesehenen Abfindungszahlungen ausgenommen werden dürfen, die Revision zum BAG so. Sie ist dort unter dem Az. 1 AZR 34/23 anhängig.

Dr. Claudia Rid

Dr. Claudia Rid
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, CMS Hasche Sigle, München
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· Artikel im Heft ·

Ausschluss befristet Beschäftigter von Sozialplanabfindungen
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