Ein Hersteller von Landbohranlagen stellte im Jahr 2011 einen Vice President Sales ein, der aus dem Homeoffice heraus arbeitete. Sein Bruttomonatsverdienst lag bei über 15.500 Euro. Das Unternehmen stellte ihm einen Dienstwagen der Marke BMW 320d Touring (Diesel) mit einem Tankvolumen von 49l zur Verfügung. Außerdem händigte es die Dienstwagenrichtlinie aus, aus der sich ergab, dass der Mitarbeiter verpflichtet ist, den Pkw bei Dienstreisen einzusetzen. Bei der Fahrzeugübergabe wurden dem Angestellten zwei Tankkarten ausgehändigt. Mit diesen Tankkarten betankte er in der Zeit von 2019 bis 2021 in 28 Fällen sein Privatauto mit Superkraftstoff, in einem Zeitraum vom 3.2.2018 bis Juni 2021 tankte er Dieselkraftstoff in einer Bandbreite von 66 bis 90l für seinen VW Tuareg. Schließlich setzte er die Tankkarten auch für eine Cabriopflege im Wert von 12,99 Euro für seinen privaten Porsche Cabrio ein. Insgesamt entstanden so Kosten in Höhe von 2.801,04 Euro. Nachdem diese Tankvorgänge einer Mitarbeiterin in der Buchhaltung aufgefallen waren, wurde die Geschäftsführung informiert, die eine fristlose, hilfsweise ordentliche, Kündigung aussprach.
Dagegen ging der Mitarbeiter gerichtlich vor und bekam in der ersten Instanz Recht.
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Das LAG Niedersachsen hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab (Urt. v. 29.3.2023 – 2Sa313/22). Der Kläger rechtfertigte sich damit, dass die Dienstwagenrichtlinie nicht klar genug zum Ausdruck brachte, dass er die Tankkarten nicht für die Betankung seiner beiden Privatfahrzeuge einsetzen dürfe. Er habe diese zum Teil auch für berufliche Fahrten genutzt. Abgesehen davon habe er – nachdem er die Tankkarten über zehn Jahre in dieser Weise nutzte – darauf vertrauen dürfen, dass dies in Ordnung sei. Damit hatte der Kläger keinen Erfolg. Auch die Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein. Dabei muss der kündigende Arbeitgeber die Kündigungsgründe darlegen und beweisen. Er muss ggf. auch diejenigen Tatsachen beweisen, die einen Rechtfertigungsgrund für das Verhalten des Arbeitnehmers ausschließen.
Nachdem unstreitig war, dass der Kläger die Tankkarten für private Tankvorgänge und eine Cabriopflege eingesetzt hatte, ging es im Wesentlichen darum, ob vor Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung erforderlich gewesen wäre. Dies verneinte das Gericht im konkreten Fall. Werden in einem Arbeitsverhältnis Tankkarten, Kreditkarten oder Kontokarten zur Verfügung gestellt, so ist zunächst davon auszugehen, dass diese lediglich für die Bestreitung der arbeitsvertraglichen Pflichten und dienstliche Zwecke gedacht sind. Schließlich sah die Dienstwagenrichtlinie vor, dass der Mitarbeiter verpflichtet ist, den Dienst-Pkw bei Dienstreisen einzusetzen. Er kann daher nicht eigenmächtig entscheiden, für Dienstreisen seine Privatwagen einzusetzen. Der diesbezügliche Vortrag war auch zu pauschal. Eine Abmahnung ist dann entbehrlich, wenn es um schwerwiegende Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme oder Duldung des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. So lag der Fall hier. Der Kläger hatte seinen Arbeitgeber um 2.801,04 Euro geschädigt. Im Rahmen der Interessenabwägung bewertete das Gericht die lange Betriebszugehörigkeit, das Alter und die Unterhaltspflichten. Dennoch war es der Meinung, dass sich das Fehlverhalten nicht als Bagatellfall darstellte und dass das Vertrauen in die Vertragstreue des Angestellten zerstört war (Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt unter dem Az. 2 AZN 296/23).
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Problempunkt
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