Herr Jaenicke, können Sie zunächst erläutern, was genau unter der Automatisierung von HR zu verstehen ist?
Automatisierung in HR bedeutet, dass wiederkehrende, manuelle und administrative Prozesse durch digitale Tools und künstliche Intelligenz (KI) unterstützt oder vollständig übernommen werden. Dazu zählen die automatisierte Dokumentenerstellung, digitale Workflows und intelligente Analysen.
Ein Beispiel: Früher mussten HR-Mitarbeiter Arbeitsverträge oder Gehaltsänderungen manuell in Dokumente einfügen, ausdrucken und verschicken. Heute erledigen automatisierte Systeme dies mit wenigen Klicks, inklusive elektronischer Signatur und Archivierung. Solche Lösungen steigern nicht nur die Effizienz, sondern minimieren auch Fehler.
KI kann im Bewerbungsmanagement Lebensläufe vorab analysieren und passende Kandidaten identifizieren. Das spart Zeit und verbessert die Qualität der Auswahlprozesse.
Welche Chancen bietet die Automatisierung für Unternehmen?
Automatisierte Prozesse reduzieren den administrativen Aufwand erheblich. HR-Mitarbeiter müssen weniger Zeit für Routineaufgaben aufwenden und können sich stattdessen strategischen Themen widmen.
Datenbasierte Analysen helfen, Personalentscheidungenzu verbessern, etwa beim Erkennen von Weiterbildungsbedarf oder Umstrukturierungen. Auch die Employee Experience verbessert sich. Self-Service-Portale ermöglichen es Mitarbeitern, Anträge selbst zu stellen, ihre Lohnabrechnungen abzurufen oder Urlaub zu beantragen – ohne den Umweg über die Personalabteilung. Das erhöht die Zufriedenheit und entlastet gleichzeitig das HR-Team.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Die Einführung automatisierter Prozesse ist komplex. Viele Unternehmen haben über Jahre hinweg unterschiedliche HR-Systeme aufgebaut, die oft nicht miteinander kompatibel sind. Diese sog. Datensilos erschweren die nahtlose Integration neuer Technologien.
Zudem gibt es Widerstände innerhalb der HR-Abteilungen. Einige Mitarbeiter fürchten, dass Automatisierung ihre Aufgaben überflüssig macht. Hier ist es wichtig, klar zu kommunizieren, dass Technologie nicht den Menschen ersetzt, sondern unterstützt.
Ein weiteres Problem ist der Fachkräftemangel, insbesondere im Bereich digitaler Kompetenzen. Um Automatisierung sinnvoll einzuführen und weiterzuentwickeln, braucht es Mitarbeiter, die mit diesen neuen Technologien umgehen können.
Wie wirkt sich insbesondere die KI-Verordnung der EU aus?
Die KI-Verordnung der EU stellt neue Anforderungen an den Einsatz künstlicher Intelligenz, insbesondere im Umgang mit sensiblen Mitarbeiterdaten. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Systeme transparent arbeiten und keine diskriminierenden oder unzulässigen Entscheidungen treffen.
Ein zentraler Aspekt ist das Prinzip „Privacy by Design“. Datenschutz und Datensicherheit müssen von Beginn an in HR-Software integriert sein, statt nachträglich ergänzt zu werden. Systeme, die personenbezogene Daten verarbeiten, sollten automatisch Schutzmaßnahmen wie verschlüsselte Datenübertragung, Zugriffskontrollen oder Anonymisierung enthalten.
KI-gestützte Systeme müssen zudem nachvollziehbar sein. Unternehmen müssen dokumentieren, nach welchen Kriterien KI entscheidet, besonders im Recruiting oder bei der Karriereplanung. Nur wenn klar ist, wie eine Entscheidung zustande kommt, bleibt das Vertrauen in die Technologie erhalten und regulatorische Vorgaben werden eingehalten.
Empfehlen Sie auch kleineren Unternehmen, in die Automatisierung ihrer Personalabteilung zu investieren?
Ja, denn Automatisierung ist nicht nur für große Konzerne relevant. Auch kleine und mittelständische Unternehmen profitieren von effizienteren Prozessen und einer besseren Datenverwaltung.
Cloud-basierte HR-Lösungen bieten flexible Automatisierungsoptionen, die mit dem Unternehmen mitwachsen können. Sie sind oft modular aufgebaut, sodass Unternehmen nur die Funktionen nutzen, die sie wirklich benötigen. Investitionen in Automatisierung sollten jedoch gut geplant werden. Nicht jede digitale Lösung passt zu jedem Unternehmen. Entscheidend ist, dass sie zur Unternehmensstrategie und den vorhandenen Ressourcen passt.
Verwaltung ist heutzutage im besten Fall nur ein Teil der Personalarbeit. Welche Rolle spielt Automatisierung in anderen Bereichen?
Automatisierung ist kein Selbstzweck, sondern eine Chance für HR, die es HR-Teams ermöglicht, sich auf strategische Aufgaben zu konzentrieren. Im Recruiting helfen KI-gestützte Analysen, passende Talente schneller zu identifizieren. Software erkennt Muster in Bewerbungen und sagt voraus, welche Kandidaten gut passen.
In der Personalentwicklung liefern datenbasierte Analysen wertvolle Erkenntnisse. Unternehmen können gezielt Weiterbildungen anbieten, die genau auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter zugeschnitten sind. Auch die Mitarbeitereinbindung wird durch digitale Tools gestärkt. Feedback- und Kommunikationsplattformen ermöglichen regelmäßigen Austausch und fördern eine offene Unternehmenskultur.
Wie sollten Unternehmen die Veränderungsprozesse handhaben? Solche Transformationen stellen sowohl Technik als auch Belegschaft oftmals vor Herausforderungen.
Neue Technologien sollten schrittweise eingeführt werden. Wenn Unternehmen zu viele Veränderungen auf einmal umsetzen, kann das Mitarbeiter überfordern. Wichtig ist auch eine transparente Kommunikation. Mitarbeiter sollten frühzeitig über geplante Änderungen informiert und in den Prozess eingebunden werden. Schulungen und Trainings helfen, Vorbehalte abzubauen und die Akzeptanz neuer Technologien zu erhöhen.
Change-Management ist ein kontinuierlicher Prozess. Unternehmen müssen flexibel bleiben und auf Feedback reagieren.
Welche Rolle nimmt die Personalabteilung in diesem Prozess ein?
HR ist der zentrale Treiber der digitalen Transformation. Die Personalabteilung muss nicht nur Prozesse optimieren, sondern auch den kulturellen Wandel begleiten. HR fungiert als Schnittstelle zwischen Management und Belegschaft und trägt die Verantwortung für die Entwicklung digitaler Kompetenzen im Unternehmen.
Und das übrige Management bzw. die jeweiligen Führungskräfte?
Führungskräfte spielen eine zentrale Rolle bei der Einführung neuer Technologien. Sie müssen den Wandel aktiv unterstützen und selbst vorleben. Gleichzeitig sollten sie eine innovationsfreundliche Kultur fördern, Offenheit für neue Technologien zeigen und Mitarbeiter zur Nutzung digitaler Lösungen ermutigen.
Welche Abteilungen spielen darüber hinaus Schlüsselrollen?
Neben HR sind IT, Compliance und Datenschutz besonders wichtig. Die IT-Abteilung sorgt für die technische Umsetzung und Integration neuer HR-Tools. Compliance- und Datenschutzteams stellen sicher, dass gesetzliche Vorgaben eingehalten werden. Auch Fachabteilungen müssen an der Gestaltung automatisierter Prozesse mitwirken, damit sie den Bedarf decken.
Welche Aufgaben kommen in der nächsten Zeit auf Verantwortliche zu?
Eine zentrale Aufgabe für HR-Verantwortliche ist die Schulung der Belegschaft im Umgang mit neuen Technologien. Automatisierung und KI verändern HR-Prozesse grundlegend. Damit diese effizient genutzt werden können, müssen Mitarbeiter die Systeme verstehen und sicher anwenden.
Auch der Datenschutz gewinnt an Bedeutung. Die verstärkte Nutzung digitaler HR-Lösungen erfordert höchste Sicherheitsstandards, besonders bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch KI. Unternehmen müssen sicherstellen, dass Datenschutzrichtlinien sowohl technisch als auch organisatorisch konsequent eingehalten werden.
Gleichzeitig werden Belegschaften vielfältiger. Unternehmen brauchen flexible Arbeitsmodelle, die hybride, digitale und feste Strukturen verbinden. HR muss Lösungen entwickeln, die Zusammenarbeit erleichtern und unterschiedliche Bedürfnisse berücksichtigen.
Welchen Handlungsbedarf sehen Sie schon jetzt?
Unternehmen sollten jetzt in Automatisierung und KI investieren, um manuelle Prozesse zu reduzieren. Ein integrierter HR-Tech-Stack vermeidet Datensilos und optimiert Prozesse. Self-Service-Portale entlasten HR-Teams und ermöglichen Mitarbeitern mehr Eigenverantwortung.
Die Automatisierung von HR-Prozessen ist eine große Chance für Unternehmen. Sie steigert Effizienz, verbessert die Mitarbeitererfahrung und schafft Freiräume für strategische Aufgaben. Entscheidend ist eine gut durchdachte Einführung, die sowohl technologische als auch kulturelle Aspekte berücksichtigt.
Vielen Dank, Herr Jaenicke.
Das Interview führte Anne Politz.
Ulrich Jaenicke

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Bereits zum 19. Mal findet am 5. März 2025 von 9:00 bis 18:00 Uhr der Mannheimer Arbeitsrechtstag statt. Veranstalter ist Prof. Dr. Frank
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Obwohl KI mittlerweile in aller Munde ist, gibt es bislang keine anerkannte Definition. Nach allgemeiner Auffassung
Die Zahlen zeigen eine dramatische Entwicklung: Laut einer im vergangenen Jahr weltweit durchgeführten Umfrage des Personaldienstleisters
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Etwa jedes achte Unternehmen in Deutschland nutzt KI (Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 453 v. 27.11.2023