Beschäftigte „in der Tätigkeit von“

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Die Klägerin ist als Fachkraft für den sozialpsychiatrischen Dienst im Gesundheitsamt des Beklagten gem. TVöD-V beschäftigt. Sie absolvierte die Ausbildung als staatlich anerkannte Kinderkrankenschwester und eine Weiterbildung als Betriebsschwester für den Erwachsenenbereich, zudem erlangte sie einen Abschluss als staatlich anerkannte Fachkraft für soziale Arbeit. Seit dem 1.9.2014 übernahm sie eine Tätigkeit im sozialpsychiatrischen Dienst des Beklagten; sie hat u. a. Entscheidungen über die zwangsweise Unterbringung psychisch kranker Menschen zu treffen. Sowohl der Arbeitgeber als auch die klagende Beschäftigte gehen von der Bewertung der Stelle mit der Entgeltgruppe S 14 aus. Da die Klägerin nicht über die staatliche Anerkennung als Sozialarbeiterin verfüge, sah sie sich gem. Nr. 2 der Grundsätzlichen Eingruppierungsregelungen (Vorbemerkungen) zur Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) korrekt in die nächst niedrigere Entgeltgruppe eingruppiert, mithin in die Entgeltgruppe S 13. Die Klägerin vertrat, zumindest in die Entgeltgruppe S 12 eingruppiert werden zu müssen, da sie schwierige Tätigkeiten ausübe und als sonstige Beschäftigte im Tarifsinn anzusehen sei.Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass die Entgeltgruppe S8b korrekt sei. Denn einerseits gelten für die Beschäftigten im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst eigene Eingruppierungsregelungen, sodass die Vormerkungen zur TVöD-Entgeltordnung nicht greifen. Anderseits hätten die Tarifvertragsparteien eine „Auffangentgeltgruppe“ mit der Formulierung „in der Tätigkeit von“ vereinbart. Diese gelte speziell für diejenigen Beschäftigten ohne hinreichende (formale) Qualifikation.

Das BAG (Urt. v. 5.5.2021 – 4 AZR 666/19) verwies den Fall zurück an das LAG und machte umfangreiche Vorgaben für eine erneute Prüfung. Die Eingruppierung der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst richtete sich gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Anlage zu Abschnitt VIII Sonderregelungen (VKA) § 56 TVöD-BT-V (Nr. 3 der Anlage D.12 TVöD-V in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung) allein nach den Merkmalen des Anhangs zur Anlage C (VKA) zum TVöD. Diese enthalten weder selbst Bemerkungen noch nehmen sie die Bemerkungen zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT in Bezug. Die Tarifhistorie zeigt nach Auffassung des BAG, dass hinsichtlich des Anhangs zur Anlage C (VKA) zum TVöD eine ähnliche Regelungstechnik wie bereits zuvor in § 2 Nr. 3 Satz 1 des Änderungstarifvertrags Nr. 1 zum BAT-O vom 8.5.1991 gewählt worden sei. Für diese Regelungen waren nach ständiger Rechtsprechung die Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen ebenfalls nicht anzuwenden. Das Überleitungsrecht der §§ 29 ff. TVÜ-VKA komme zudem im Sozial- und Erziehungsdienst gerade nicht zur Anwendung, da für diesen Tarifbereich eine zeitlich vorgezogene Überleitung vereinbart worden sei. Es komme nicht zweimal zur Überleitung in dieselben Tätigkeitsmerkmale.

Das LAG wird den Fall aufgrund der Vorgaben des BAG im Rahmen der Zurückverweisung prüfen müssen. Problematisch könnte die Sicht des BAG auf die gemutmaßten Motive der Tarifvertragsparteien sein. Diese gingen davon aus (so das BAG), dass die Tätigkeit der Entgeltgruppe S 14 grundsätzlich von einer ausgebildeten Sozialarbeiterin oder Sozialpädagogin wahrgenommen werden (solle). Dieser Umstand spreche dafür, dass eine Beschäftigte, der solche Tätigkeiten übertragen werden, auch über entsprechende Fähigkeiten und Erfahrungen verfüge. Das irritiert, denn mit der Übertragung der Tätigkeit zeigt der Arbeitgeber zwar, dass er die Aufgaben der/dem Beschäftigten zutraut. Die Rechtsfolge ergibt sich jedoch aus der Systematik der Entgeltordnung selbst – nicht aus der Übertragung der Tätigkeit an sich. Es sind dann die Voraussetzungen zur Erfüllung des „Sonstigen“ zu prüfen und ob die Klägerin vorliegend ein für die Tätigkeit erforderliches Fachwissen und eine entsprechende Verwendungsbreite mitbringt.

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Beschäftigte „in der Tätigkeit von“
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