Corona: Auswirkungen in der Arbeitswelt

Rasche Reaktion auf globale Veränderungen
Die Corona-Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen, wenngleich ein Ende (zumindest in den westlichen Industriestaaten) in Sicht ist. Was aber hat sie positiv wie negativ mit der Arbeitswelt gemacht und was sagen die Betroffenen zu den Veränderungen? Eine weltweite Umfrage unter den Beschäftigten offenbart interessante Einblicke in das Seelenleben der Werktätigen rund um den Globus und gewährt gleichermaßen einen Ausblick auf das „New Normal“ und dessen Bedingungen.
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 Bild: Nuthawut/stock.adobe.com
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Bedürfnisse der Mitarbeiter

Weltweit wirken sich die Veränderungen durch Covid-19 auf Arbeitgeber wie Arbeitnehmer aus und stellen sie vor einzigartige Herausforderungen. Geschäftsbetriebe wurden unterbrochen, Arbeitsweisen auf den Kopf gestellt, eingeschliffene Abläufe und Standards hinterfragt. Stellenabbau und veränderte Aufgabenbereiche trafen nicht alle gleich. Aber auch Mitarbeiter, die ihre Stelle behalten haben, hatten sich an neue Arbeitsanforderungen anzupassen, Kompromisse einzugehen oder waren mit unerwarteten Optionen konfrontiert. Homeoffice, Homeschooling oder Stellenverluste wirkten sich auf die Wohnsituation aus. Wie empfinden und reagieren Arbeitnehmer angesichts dieser Herausforderungen und Veränderungen? Was sind ihre Erwartungen und Wünsche an den Arbeitsplatz der Zukunft?

Mitarbeiterbedürfnisse zu analysieren und die Auswirkungen der Entwicklungen auf Unternehmen zu verstehen, ist für Arbeitgeber der erste Schritt, die Zukunft aktiv mitgestalten zu können. Welche Bedingungen braucht es, um Talente anzuziehen und zu halten und ein Gefühl von Stabilität und Sinnhaftigkeit vermitteln zu können? Wie können Engagement und Resilienz gefördert werden? Die „People at Work 2021: A Global Workforce View“, eine Umfrage unter mehr als 32.000 Arbeitnehmern in 17 Ländern, untersuchte die Einstellungen von Arbeitnehmern auf globaler und lokaler Ebene und offenbart überraschende Ergebnisse.

Erschütterungen am Arbeitsplatz

Die üblichen Arbeitsmodelle und Arbeitszeiten wurden im Zuge der Gesundheitskrise auf den Prüfstand gestellt. Bei der Anzahl der unbezahlten Überstunden ist ein deutlicher Anstieg von durchschnittlich 7,3 auf 9,2 Stunden pro Woche zu verzeichnen. Der höchste Anteil davon entfällt auf hybrid arbeitende Mitarbeiter, die abwechselnd zu Hause und im Büro arbeiten. Gleichzeitig haben Arbeitnehmer das Gefühl, dass sie mehr flexible Arbeitsoptionen nutzen können: Das geben heute zwei Drittel (67 %) an, während vor der Pandemie nur etwas mehr als ein Viertel (26 %) dieser Aussage zugestimmt haben. Fast die Hälfte (47 %) der Arbeitnehmer berichten, dass ihre Vorgesetzten ihnen mehr Flexibilität ermöglichen, als es die Unternehmensrichtlinie vorschreibt. Dies zeigt, dass Manager bereits auf die geänderten Anforderungen und Erwartungen hinsichtlich einer flexibleren Arbeitseinteilung reagiert haben.

Auch wenn die Flexibilisierung der Arbeitsmodelle auf den ersten Blick begrüßenswert ist, wurde nicht nur die reguläre Arbeitszeit erschüttert, sondern auch der Optimismus. Covid-19 drückt die Stimmung der Arbeitnehmer: Die Mehrheit (86 %) der Beschäftigten geben zwar weiterhin an, dass sie die nächsten fünf Jahre am Arbeitsplatz optimistisch einschätzen. Das ist jedoch ein Rückgang gegenüber den 92 % vom Vorjahr. Diese Entwicklung ist verständlich, da mehr als ein Viertel (28 %) der Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verloren haben oder beurlaubt bzw. von ihren Arbeitgebern vorübergehend freigestellt wurden. Darüber hinaus musste fast jeder Vierte (23 %) eine Gehaltskürzung akzeptieren. Die Auswirkungen auf die Arbeitsplatzsicherheit und den Optimismus sind unterschiedlich. Jüngere Arbeitnehmer sind hierbei am stärksten betroffen. Dennoch sind viele Mitarbeiter der Ansicht, dass Covid-19 einen positiven Effekt auf Aspekte wie die Flexibilität und die Weiterentwicklung von Fähigkeiten haben wird. Unternehmen sollten auf diese Einstellungen reagieren und Mitarbeiter bspw. gezielt Weiterbildungen und Schulungen anbieten, oder – je nach Möglichkeiten der Tätigkeit – individuell auf flexible Arbeitsmodellwünsche eingehen.

Mehr als ein Viertel der Arbeitnehmer (28 %) berichten, dass sie aufgrund von Entlassungen in ihrem Unternehmen eine neue oder veränderte Rolle übernommen haben. Die meisten von ihnen (68 %) haben dafür auch eine Gehaltserhöhung oder einen Bonus erhalten. In diesem Jahr waren 63 % der Arbeitnehmer von Unterbezahlung betroffen und auch die Anzahl der verspäteten Zahlungen nimmt zu. Selbst bei korrekten Zahlungen hat eine mangelnde zeitliche Abstimmung zwischen Gehaltszahlung und Fälligkeitsterminen von Rechnungen für einen erheblichen Anteil der Beschäftigten (24 %) zu Schwierigkeiten geführt. Probleme in Bezug auf die Korrektheit und Pünktlichkeit bei Überweisungen beeinträchtigen diejenigen Mitarbeiter stärker, die sich Sorgen über ihre finanzielle Sicherheit oder ihren Arbeitsplatz machen oder die unter stressigeren Bedingungen härter denn je arbeiten. Unternehmen sollten zeigen, dass sie auf das finanzielle Wohl ihrer Mitarbeiter bedacht sind, indem sie bspw. Mitarbeiterpräferenzen bzgl. der Entgeltabrechnung beachten. So können Sorgen genommen und Engagement und Leistungsbereitschaft gefördert werden.

Von Work-Life-Balance zu Work-Life-Blending

Einer der zentralen Aspekte der Covid-19-Pandemie ist die Art und Weise, wie sie die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben erschwert hat. Vor Covid-19 ging es bei der Work-Life-Balance vor allem darum, dass das Privatleben vor lauter Arbeit nicht ins Abseits gerät. Jetzt muss auch auf die Risiken und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Gesundheit und Sicherheit geachtet werden. Die Menschen müssen neu überdenken, wie sich ihre Beziehungen zu Familienangehörigen und Freunden, ihr körperliches und geistiges Wohlbefinden und ihre Arbeitsweise gegenseitig beeinflussen.

Infolgedessen kam es zu einigen schwierigen Entscheidungen. Zwei Drittel (67 %) der weltweit beschäftigten Befragten berichten, dass sie aufgrund der Pandemie in Bezug auf ihr Berufs- und Privatleben einem Bereich Priorität einräumen oder einen Kompromiss eingehen mussten. Sie mussten sich entweder zwischen ihrer Arbeit und ihrer Gesundheit entscheiden, weil die Präsenzarbeit mit einem gesundheitlichen Risiko verbunden ist, oder zwischen ihrer Arbeit und der Familie, weil es sonst bei Lockdowns schwierig ist, sich um Angehörige oder um das Homeschooling der Kinder zu kümmern. Für viele Menschen war es nicht einfach, sowohl ihre privaten Bedürfnisse als auch ihre beruflichen Pflichten zu erfüllen. Das Verschwimmen der Grenzen zwischen beiden Welten erfordert von Arbeitgebern wie Arbeitnehmern eine neue Achtsamkeit und eine beständige Kommunikation.

Die Übereinstimmungen in dieser Hinsicht sind auf der ganzen Welt erstaunlich hoch. Die größte Herausforderung ist, gesund zu bleiben. Darauf folgen die Erfüllung der Anforderungen von Beruf und Familie, der Umgang mit Stress, die Aufrechterhaltung der Produktivität und die Bewältigung der Arbeitsbelastung.

Unternehmen und HR-Teams müssen sich mit den Konsequenzen dieser zusätzlichen Bemühungen auseinandersetzen. Sie müssen nicht nur analysieren, ob die derzeitige finanzielle Vergütung angesichts der neuen Verantwortlichkeiten oder veränderten Stellenfunktion noch angemessen ist, sondern auch auf die Folgen für das Wohlbefinden und die Motivation der Mitarbeiter eingehen. Die Ergebnisse zeigen, dass es für die Förderung der geistigen und körperlichen Gesundheit der Belegschaft wichtig ist, Stress und Sorgen zu reduzieren, Burn-outs zu verhindern und auf Fairness zu achten.

Engagement und Resilienz

Die globale Arbeitsplatzstudie von ADP zeigt, dass bereits 2018 die am stärksten engagierten Arbeitnehmer hauptsächlich virtuell tätig waren. Aber was geschah, als auf einmal fast alle virtuell arbeiten mussten? Die Personen, die vor dem Shutdown virtuell gearbeitet haben, sind immer noch am häufigsten voll engagiert und hoch resilient. Der Wechsel des Arbeitsorts nach Hause hat sich nicht wie erwartet negativ ausgewirkt. Mitarbeiter, die zu 100 % im Homeoffice arbeiten, sind immer noch engagierter und resilienter als diejenigen, die nicht in Telearbeit sind. Das Vertrauen in die Teamleitung ist nach wie vor die Grundlage für das Engagement. Arbeitnehmer sind 14-mal häufiger voll engagiert, wenn sie der Teamleitung vertrauen. Unternehmen und Führungskräfte sollten daher dafür sorgen, dass Mitarbeiter ein Vertrauensverhältnis aufbauen können. Wertschätzung, Anerkennung und eine kontinuierlich geführte Kommunikation spielen hierbei eine essenzielle Rolle. Nicht zuletzt unterstützt ein reibungsloser Payroll-Prozess Unternehmen dabei, zusätzliche Stressfaktoren bei Arbeitnehmern zu reduzieren. Zu spät erhaltenes Gehalt kann sich schließlich keiner leisten.

Profitieren Sie vom Expertenwissen renommierter Fachanwält:innen, die Sie über aktuelle Entscheidungen des Arbeitsrechts informieren. Es werden Konsequenzen für die Praxis benannt und Handlungsempfehlungen ausgesprochen.

Covid-19: Gender Pay Gap

Zwei Drittel (67 %) der weltweit befragten Beschäftigten berichten, dass sie wegen der Pandemie Kompromisse in Bezug auf ihr Berufs- und Privatleben eingehen mussten. Die Studienergebnisse zeigen, dass insbesondere Frauen und Eltern unter der zusätzlichen Belastung leiden. 15 % der berufstätigen Eltern geben an, dass sie oder eine andere Person in ihrem Haushalt freiwillig aus dem Berufsleben ausgeschieden sind. Bei Eltern mit Kindern unter einem Jahr steigt diese Zahl auf 26 %. Die Hälfte der Teilnehmer (52 %) sind der Ansicht, dass die Unterstützung der Arbeitgeber für berufstätige Eltern innerhalb eines Jahres auslaufen wird. Angesichts dieser Situation melden vor allem Frauen, dass der Umgang mit Stress eine Herausforderung für sie darstellt. Frauen sind im Vergleich zu Männern auch weniger zuversichtlich, was ihre beruflichen Perspektiven betrifft. Mitarbeiterinnen erhalten darüber hinaus seltener eine Gehaltserhöhung oder einen Bonus für die Übernahme einer neuen oder veränderten Rolle als Mitarbeiter.

Während einige Arbeitgeber es sich verständlicherweise nicht leisten können, in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten Lohnerhöhungen oder Boni zu zahlen, ist es eine traurige Tatsache, dass Frauen unverhältnismäßig stark darunter leiden. Das zeigt, wie weit wir noch gehen müssen, um die systemische Ungleichheit zu beseitigen und den Gender Pay Gap zu schließen.

HR-Manager müssen sich außerdem bewusst sein, dass Mitarbeiter möglicherweise nicht so frei zwischen Heimarbeit und Präsenzzeit entscheiden können, wie es scheint. Es gibt noch massive Unterschiede zwischen der Belastung von Männern und Frauen durch unbezahlte Hausarbeit und Kinderbetreuung. Das weit verbreitete Arbeiten von zu Hause aus hat diesem Problem größere Sichtbarkeit verliehen, aber es gibt kaum Anzeichen für einen langfristigen Einstellungswandel, was bedeutet, dass weibliche Beschäftigte möglicherweise größeren Druck verspüren, weiterhin zu Hause zu arbeiten, wenn sie die Wahl haben, um ihr zusätzliches unbezahltes Arbeitspensum zu erleichtern. Männliche Kollegen, die scheinbar weniger Hindernisse haben, am Arbeitsplatz physisch anwesend zu sein, werden daher allein durch die Sichtbarkeit einen größeren Einfluss bei der Entscheidungsfindung und höhere Aufstiegschancen haben. Daher könnten schlecht geplante flexible Arbeitsrichtlinien die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern am Arbeitsplatz erheblich verschärfen.

Verstehen Sie die Gründe, warum sich die Menschen für oder gegen flexibles Arbeiten entscheiden, und nutzen Sie dies, um bessere Richtlinien zu entwickeln. Nehmen Sie auch eine „Leistung statt Präsenz“-Mentalität an, indem Sie sich auf die Arbeit konzentrieren, die die Mitarbeiter tatsächlich leisten. Schaffen Sie sinnvolle Gelegenheiten, um die virtuelle Beteiligung mit der im Büro geleisteten Arbeit zu integrieren.

Die Wahrnehmung von Fairness spielt eine entscheidende Rolle für die Loyalität und das Engagement von Arbeitnehmern, was sich wiederum auf die Produktivität und die Bindung von Talenten auswirkt – und darüber hinaus auf die Reputation. Wenn Frauen das Gefühl haben, dass ihre Bemühungen übersehen werden – vor allem verglichen mit ihren männlichen Kollegen –, ist das eine Situation, die Arbeitgeber um jeden Preis vermeiden sollten.

Blick nach vorn

Trotz des Drucks der Covid-19-Pandemie und der Unklarheit darüber, wie lange ihre Auswirkungen anhalten werden, bleibt die Stimmung der Arbeitnehmer – zumindest für 82 % – positiv und die allgemeine Gemütsverfassung scheint von gemessenem Vertrauen in die Zukunft geprägt zu sein. Obwohl viele Menschen beruflich schwer getroffen wurden, besteht das Gefühl, dass jedes Unglück auch sein Gutes haben könnte. Insbesondere im Hinblick auf den beschleunigten Übergang zu flexiblen Arbeitsmustern oder die Entwicklung neuer Fähigkeiten, die Arbeitnehmern bei der Erholung der Weltwirtschaft für die „neue Normalität“ zugutekommen sollten. Verständlicherweise steht für viele jedoch die Job- oder finanzielle Sicherheit im Vordergrund, und diese Bedenken spiegeln leider die Realität wider. In einem Jahr, in dem viele Unternehmen vorübergehend oder dauerhaft schließen oder ihre Geschäftstätigkeit erheblich ändern mussten, waren die Auswirkungen der Disruption und der Unsicherheit auf die Belegschaft tiefgreifend. Die Herausforderung für Arbeitgeber und HR-Teams besteht nun darin, Wege zu finden, um die positiven Aspekte zu nutzen und die negativen Aspekte so weit wie möglich zu mildern, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter optimistisch, motiviert und befähigt bleiben, gute Fortschritte zu erzielen.

Martijn Brand

Martijn Brand
Senior Vice President, General Manager Central Europe, ADP
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· Artikel im Heft ·

Corona: Auswirkungen in der Arbeitswelt
Seite 40 bis 42
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