„Das europäische Datenschutzniveau ist andernorts ein Fremdkörper“

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 Bild: fidaolga/stock.adobe.com
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Soziale Medien sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Entsprechend findet die Nutzung von LinkedIn, Instagram und Co. auch am Arbeitsplatz statt, wodurch sich einige arbeitsrechtliche Herausforderungen ergeben können, die die Vertrags- bzw. Betriebsparteien kennen und angehen sollten. Ist die aktuelle Rechtslage in Bezug auf die Nutzung sozialer Medien während der Arbeitszeit Ihrer Ansicht nach befriedigend oder eher unbefriedigend? Lelley: Die aktuelle Rechtslage erlaubt es Unternehmen grundsätzlich, den Umgang mit sozialen Medien am Arbeitsplatz selbst zu regeln. Es gibt keine allgemeingültigen gesetzlichen Vorschriften, die vorschreiben, ob und wie soziale Medien während der Arbeitszeit genutzt werden dürfen. Und das ist auch gut so, meine ich. In vielen Fällen finden sich entsprechende Regelungen in Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen oder internen Richtlinien. Franzmann: Angesichts der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Produkte, die unter dem Sammelbegriff „soziale Medien“ zusammengefasst werden, wären gesetzliche Regelungen für ihre Anwendung im Arbeitsverhältnis schwerlich zu gestalten. Nein, das sollte schon vor Ort von den jeweiligen Vertragspartnern geregelt werden. Zumal die Nutzung sozialer Medien je nach Arbeitsplatz ablenkendes Nichtstun, aber auch die Verwirklichung der Arbeitspflicht sein kann. Welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen können Arbeitnehmern drohen, wenn sie soziale Medien während der Arbeitszeit exzessiv nutzen? Lelley: Wenn Arbeitnehmer soziale Medien während der Arbeitszeit übermäßig nutzen, kann dies als Arbeitszeitbetrug gewertet werden. Hierbei handelt es sich um eine schwerwiegende Pflichtverletzung, die arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Abmahnungen oder, bei fortgesetztem Fehlverhalten, sogar eine fristlose Kündigung nach sich ziehen kann. Und das sehen wir in der Praxis auch immer wieder – leider. Franzmann: Da kann ich nicht widersprechen. Komme ich meinen vertraglich übernommenen Pflichten nicht nach, riskiere ich Konsequenzen. Der Beschäftigungs- und Entgeltpflicht auf Arbeitgeberseite korrespondiert die Arbeitspflicht auf der Arbeitnehmerseite. Halte ich letztere zurück, störe ich das Synallagma, mit allen Konsequenzen: kein Entgelt, im schlimmsten Falle Abmahnungen und die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, wenn die verbotene extensive Nutzung erst im Nachgang offenbar wird. Gibt es Unterschiede in der Handhabung der privaten und beruflichen Nutzung sozialer Medien am Arbeitsplatz? Lelley: Ja, die Unterschiede zwischen der privaten und beruflichen Nutzung sozialer Medien sind arbeitsrechtlich von großer Bedeutung. Die private Nutzung während der Arbeitszeit kann, wie bereits erwähnt, disziplinarische Konsequenzen nach sich ziehen. Die berufliche Nutzung, etwa im Rahmen von Marketingaktivitäten oder der Kommunikation mit Kunden über soziale Netzwerke, ist hingegen meist ein fester Bestandteil des modernen Arbeitsalltags. In diesen Fällen ist es wichtig, dass Unternehmen klare Richtlinien zur Nutzung und zum Auftreten in sozialen Medien festlegen. Franzmann: In der Tat. Gehört etwa die Recherche im Internet zu meinen beruflichen Pflichten, ist das Medium ein Werkzeug, nichts anderes als die Kelle des Maurers. Recherchiert der Maurer – um im Bild zu bleiben – während seiner Arbeitszeit die Bundesligatabelle, lässt sich dies nur schwerlich mit seinem Pflichtenkreis in Bezug setzen. Die berufliche Nutzung sozialer Medien ist als Teil der Arbeitsaufgabe gewollt und letztlich unerlässlich. Die private Nutzung ist bestenfalls geduldet und zumeist zeitlich auf das Nötigste reduziert. Welche Rechte haben Arbeitgeber in Bezug auf die Überwachung der Social-Media-Aktivitäten ihrer Mitarbeiter? Lelley: Die Überwachung der Netzaktivitäten von Mitarbeitern ist ein sensibles Thema. Arbeitgeber dürfen die Nutzung nur dann überwachen, wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt, etwa um die Einhaltung betrieblicher Vorgaben sicherzustellen oder Missbrauch vorzubeugen. Eine lückenlose Überwachung der privaten Nutzung, etwa durch Tracking-Programme oder dauerhafte Kontrolle, wäre datenschutzrechtlich unzulässig. Franzmann: Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung der freien Entfaltung der Persönlichkeit verbietet gläserne Belegschaften. Weder die anonyme und lückenlose Kameraüberwachung des Betriebs noch die dauerhafte Nachvollziehbarkeit des Nutzerverhaltens durch Tracking- oder Ortungssysteme ist erlaubt. Ein Arbeitgeber muss nicht alles wissen können dürfen, jedenfalls nicht durch den Einsatz technischer Einrichtungen, wozu die hier fraglichen sozialen Medien zählen. Arbeitnehmer sind keine Objekte, sondern subjektive Rechtspersönlichkeiten. Wie können Unternehmen klare Richtlinien für soziale Medien erstellen, um Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden? Und welche Rolle spielt die Mitbestimmung dabei bzw. sollte sie spielen? Lelley: Klare Richtlinien sind für Unternehmen unverzichtbar, um Missverständnisse und Konflikte zu minimieren. Diese Richtlinien sollten eindeutig regeln, wann und wie soziale Medien während der Arbeitszeit genutzt werden dürfen. Was die Rolle der Mitbestimmung anbelangt, da schaue ich jetzt einmal interessiert zu Herrn Franzmann herüber (bildlich gesprochen). Franzmann: Den Ball greife ich natürlich gerne auf. Soziale Medien sind technische Einrichtungen, die regelmäßig geeignet sind, das Verhalten und/oder die Leistung von Arbeitnehmern zu überwachen. Damit ist der Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG eröffnet, der die Einführung und Nutzung sozialer Medien in der Arbeitswelt von der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats abhängig macht. Diese Zustimmung wird regelmäßig durch den Abschluss von Betriebsvereinbarungen ausgeübt, die die Regeln der Nutzung festlegen, Berechtigungskonzepte beinhalten und die erlaubten Auswertungen auflisten. Wie beeinflussen die Datenschutzgesetze, wie etwa die DSGVO, den Umgang mit sozialen Medien im Arbeitsumfeld? Und dann natürlich die (fast) unvermeidbare Anschlussfrage: Braucht Deutschland ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz? Lelley: Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) haben großen Einfluss auf den Umgang mit sozialen Medien im Arbeitsumfeld. Besonders wenn Mitarbeiter soziale Netzwerke beruflich nutzen, sind Unternehmen verpflichtet, die datenschutzrechtlichen Bestimmungen genau einzuhalten. Dies betrifft vor allem die Erhebung, Verarbeitung und Speicherung personenbezogener Daten. Auch die Überwachung der Nutzung sozialer Medien durch Mitarbeiter darf nur im Einklang mit der DSGVO und dem BDSG erfolgen. Der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter steht also schon stets im Vordergrund. Ob ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz da noch verbessern könnte, weiß ich nicht. Franzmann: Auch wenn es jetzt überrascht, ich teile die Auffassung von Herrn Lelley. Wir Praktiker kümmern uns bei der Einführung von Hard- und Software sehr detailliert und zeitaufwendig um Nutzungsregeln und stehen in globalen, internationalen Konzernen oftmals auf der Bremse. Amerika hat ein brutal anderes Datenschutzverständnis und Softwaretools werden nun einmal in großem Umfang dort entwickelt. Das europäische Datenschutzniveau ist andernorts ein Fremdkörper. Geht Deutschland hier eigene und ggf. komplexere Wege, werden Betriebsräte noch mehr unter Druck geraten, ohne sich zumindest kontinentaleuropäischer Solidarität zu versichern.

Das Buch geht auf die realen Arbeitssituationen, die im Umbruch sind, ein und zeigt sowohl arbeitsrechtliche Herausforderungen als auch erste, bereits in der Unternehmenspraxis umgesetzte Lösungsansätze auf.

Dr. Jan Tibor Lelley

Dr. Jan Tibor Lelley
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner, BUSE, Frankfurt am Main

Armin Franzmann

Armin Franzmann
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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· Artikel im Heft ·

„Das europäische Datenschutzniveau ist andernorts ein Fremdkörper“
Seite 42 bis 43

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