Im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses schlossen die Parteien am 4.10.2021 einen gerichtlichen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.6.2022, also rund neun Monate später, endete. Darin regelten sie u. a.: Der Kläger wird unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung sowie unter Anrechnung auf etwaig noch offene Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt. Eine Erledigungsklausel nahmen die Parteien nicht auf. Im Nachgang zu diesem Vergleich machte der Kläger die Abgeltung von insgesamt 553,20 Stunden aus den Jahren 2020 und 2021 geltend. Als Marktleiter eines Verbrauchermarkts habe seine wöchentliche Arbeitszeit 37,5 Stunden betragen, die er auf sechs Tage verteilt habe. Dabei habe er relativ freie Hand gehabt, wie er sich die Arbeitszeit einteilt. Die Beklagte habe aber gewusst, dass deutlich mehr als die vertraglich vereinbarten Überstunden angefallen seien.
Die Klage hatte vor dem LAG Hamm keinen Erfolg (Urt. v. 24.3.2023 – 1 Sa 1217/22). Dem Anspruch steht die im gerichtlichen Vergleich enthaltene Vereinbarung über die Freistellung unter Anrechnung auf Freizeitausgleichsansprüche entgegen. Diese Formulierung sei weit zu verstehen und mit Freizeitausgleichsansprüchen seien alle Ansprüche gemeint, die der Kompensation für ein erbrachtes Arbeitszeitvolumen zuzurechnen sind. Es handle sich um eine typische Formulierung in arbeitsgerichtlich protokollierten Aufhebungsvereinbarungen. Ansprüche auf Freizeitausgleich, mögen sie aus Arbeitszeitkonten oder erbrachten Überstunden folgen, sollen in den Zeitraum der Freistellung hineinfallen und mit der bezahlten Freistellung verrechnet werden. Abgesehen davon war die Klage auch deswegen unbegründet, weil es dem Kläger nicht gelungen war, die Leistung der behaupteten Überstunden und deren Veranlassung durch die Beklagte darzulegen. Unstreitig hatte der Arbeitgeber die Überstunden nicht ausdrücklich angeordnet. Der Kläger konnte indes nichts vortragen, was auf eine Duldung oder Billigung von Stunden, die über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit hinausgingen, hindeutete.
Eine Billigung kann etwa dann angenommen werden, wenn ein Vorgesetzter eine bestimmte Anzahl von Stunden abzeichnet. Hingegen reicht es nicht aus, wenn der Arbeitgeber etwaige vom Arbeitnehmer gefertigte Arbeitsaufzeichnungen lediglich widerspruchslos entgegennimmt (vgl. hierzu BAG, Urt. v. 4.5.2022 – 5 AZR 539/21).
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