Ein führendes Beratungsunternehmen kündigte einem Partner und Berater fristlos nach zehn Jahren Betriebszugehörigkeit, als dieser das Anstellungsverhältnis ordentlich selbst gekündigt hatte, weil er zum Wettbewerb wechseln wollte. Der fristlosen Kündigung war vorausgegangen, dass der Unternehmensberater sein Notebook und das iPhone zurückgegeben hatte, das durch den IT-Administrator überprüft wurde. Dabei ergab sich, dass zahlreiche Dateien im Zeitraum vor Ausspruch der Eigenkündigung gelöscht, andere Dateien auf externe Datenträger kopiert und Daten zu einem speziellen Projekt A an die private E-Mail-Adresse des Beraters weitergeleitet worden waren. Der IT-Administrator empfahl daher die Einschaltung eines externen Unternehmens für weitere Untersuchungen. Dafür fielen Kosten in Höhe von über 50.000 Euro an. Der Kläger focht die fristlose Kündigung gerichtlich an, das Unternehmen machte im Wege der Widerklage Schadensersatzanspruch in Höhe der entstandenen Untersuchungskosten geltend.
Würde man auf den ersten Blick meinen, die fristlose Kündigung sei berechtigt, sah dies das LAG Hamburg anders und wies auch die Widerklage des Unternehmens auf Schadensersatz zurück (Urt. v. 17.11.2022 – 3 Sa 17/22, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt unter dem Az. 2 AZN 701/22). Das Beratungsunternehmen setzt eine webbasierte Software-Arbeitsplattform für den gemeinsamen Zugriff, die Interaktion und die Zusammenarbeit, Sharepoint, ein. Es handelt sich dabei um ein cloudbasiertes Dokumentenmanagementsystem, auf dem sämtliche Arbeitsergebnisse sowie sonstige Dokumente zu den einzelnen Projekten gespeichert werden. Zusätzlich haben die jeweiligen Mitarbeiter einen personenbezogenen Zugriff im lokalen Dateiordner auf den jeweiligen Notebooks.
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Die vom IT-Administrator ermittelten 4.270 gelöschten Dateien rechtfertigten die Kündigung nicht. Grundsätzlich ist das unberechtigte Löschen betrieblicher Dateien geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben. Dies würde allerdings voraussetzen, dass die Dateien dem Zugriff des Unternehmens durch die Löschung entzogen werden. Ein substantiierter Vortrag des Unternehmens dazu, um welche Daten es sich gehandelt habe und dass diese in den Ordnern der Firma nicht mehr vorhanden gewesen sein sollten, fehlte. Es hätte der Beklagten oblegen, im Detail vorzutragen, um welche Dateien es sich handelte, aus welchen Gründen diese für ihre Geschäftstätigkeit von besonderer Bedeutung gewesen sind und dass sie ihr aufgrund des Löschens nicht mehr zugänglich sind. Sie hatte aber weder dargelegt, dass diese Dateien im Sharepoint nicht mehr vorhanden gewesen waren, noch dass die vom Kläger gelöschten Dateien, die unstreitig wiederhergestellt werden konnten, inhaltlich nicht nur überholte Fassungen waren. Auch das unbefugte Kopieren von Daten als solches reichte nicht für die außerordentliche Kündigung. Es war nicht nachgewiesen, dass diese Daten dem Zugriff der Arbeitgeberin entzogen worden sind oder rechtswidrig verwendet wurden, etwa um sie beim Wettbewerb einzusetzen. Das Unternehmen konnte nicht nachweisen, dass die kopierten Datenträger aus dem Unternehmen entfernt wurden. Der Kläger hatte vorgetragen, er hätte die externen Festplatten im Teambüro zurückgelassen. Auch die unstreitige Weiterleitung der Daten zum Projekt A an die private E-Mail-Adresse reichte nicht für die fristlose Kündigung. Denn der Kläger behauptete, er habe diese benötigt, um streitige Bonusansprüche begründen zu können und die Daten lediglich seinem Rechtsanwalt und dem Gericht zugänglich gemacht. Nicht jedes Löschen von Dateien und E-Mails sei als erhebliche Nebenpflichtverletzung anzusehen. Ob eine solche vorliegt, könne das Gericht nur dann beurteilen, wenn es weiß, um welche Dateien es geht.
Aus diesem Grund bestand auch kein Schadensersatzanspruch in Höhe der aufgewendeten Kosten für die IT-Beratungsfirma. Bei Auftragserteilung habe kein konkreter Verdacht bestanden, wonach der Kläger E-Mails und Dateien gelöscht habe, um sie rechtswidrig zu verwenden. Die anlasslose Analyse zurückgegebener Notebooks oder Datenträger kann nach Auffassung des Gerichts keine Schadensersatzansprüche begründen.
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