Vor dem LAG Mecklenburg-Vorpommern stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen des Vorwurfs, eine unzulässige Konkurrenztätigkeit unterstützt zu haben.
Der Arbeitgeber betreibt einen Pflegedienst. Die Mitarbeiterin trat am 1.5.2021 als Pflegehelferin in Vollzeit ein. Der Arbeitsvertrag beinhaltete ein explizites Abwerbeverbot und Wettbewerbsverbot sowie die Verpflichtung, sämtliche vertraulichen Angelegenheiten wie insbesondere Patientendaten geheim zu halten. Die Pflegehelferin war in einem Pflegeheim eingesetzt, in dem neun zum Teil an Demenz leidende Bewohner rund um die Uhr betreut wurden. Einer der Bewohner war ihr pflegebedürftiger Vater, für den sie umfassende Vollmachten zur Regelung seiner Angelegenheiten hatte. Der Pflegdienst setzte in dem Pflegeheim regelmäßig 13 Beschäftigte ein. Am 7.9.2022 führte die Geschäftsführerin des Pflegedienstes eine Informationsveranstaltungin dem Pflegeheim durch und kündigte die Erhöhung der Eigenanteile zu den Pflegeleistungen an. Bei dem Vater der Klägerin sollte sich der Eigenanteil von bislang rd. 600 Euro auf nunmehr 1.670 Euro erhöhen. Im Nachhinein bot die Geschäftsführerin kulanzweise für einen Übergangszeitraum einen Betrag von 780 Euro an. Am 4.10.2022 führten zwei Pflegedienstleiterinnen eines konkurrierenden Pflegdienstes in dem Heim eine Informationsveranstaltung durch. Die Klägerin suchte am 10.10.2022 den konkurrierenden Pflegedienst auf, um dort an einem Vorstellungsgespräch zwecks Begründung eines Arbeitsverhältnisses teilzunehmen. Am 13.10.2022 kündigte sie ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 15.11.2022.
Mit gleichlautendem Schreiben vom 14.10.2022 kündigten sämtliche Bewohner des Pflegeheims ihre jeweiligen Pflegeverträge wegen der „unverhältnismäßigen Preiserhöhung“. Die Klägerin unterzeichnete das Kündigungsschreiben für ihren Vater.
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Am selben Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung. Sechs der Kolleginnen der Klägerin, die bislang in dem Heim eingesetzt waren, schieden ebenfalls aufgrund von Eigenkündigungen bei der Beklagten aus, die übrigen beschäftigte die Beklagte in einer anderen Wohngruppe. Die Klägerin nahm am 16.11.2022 eine neue Beschäftigung beim konkurrierenden Pflegedienst auf.
Die gegen die außerordentliche Kündigung erhobene Klage war in zweiter Instanz erfolgreich. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern sah die Kündigung als unwirksam an (Urt. v. 26.3.2024 – 5Sa89/23). Zwar ist es dem Arbeitnehmer aufgrund des vertraglichen Wettbewerbsverbots untersagt, nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse aufzunehmen, sondern auch einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen. Eine unerlaubte Wettbewerbstätigkeit oder die Unterstützung eines Wettbewerbers kann eine außerordentliche Kündigung „an sich“ rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn etwa Abmahnung, Versetzung oder ordentliche Kündigung den Zweck der Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses nicht erreichen können. Auch der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers ist im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere hinsichtlich einer möglichen Wiederholungsgefahr von Bedeutung.
Auch die Weitergabe persönlicher Daten von Patienten an einen anderen Pflegedienst stellt eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten dar. Allerdings konnte die Beklagte der Klägerin nicht nachweisen, dass sie Patientendaten an den konkurrierenden Pflegedienst weitergeleitet hatte oder dass sie die Rädelsführerin war, die sämtliche anderen betreuten Heimbewohner dazu anstiftete, ihre Pflegeverträge zu kündigen. Durch die Kündigung des Vertrags zur Pflege für ihren Vater hat die Klägerin keine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt. Vielmehr war sie als Bevollmächtigte ihres Vaters berechtigt und verpflichtet, dessen Interessen wahrzunehmen. Zu diesem Zweck durfte sie die persönlichen Daten ihres Vaters einem anderen Pflegedienst übermitteln. Ein aktives Einwirken der Klägerin auf andere in dem Heim beschäftigten Mitarbeiter, den Arbeitgeber zu wechseln, war weder im Einzelnen vorgetragen noch unter Beweis gestellt. Die Mitarbeiter haben sich etwa zur Hälfte für den Wechsel zum konkurrierenden Pflegedienst entschieden und zur anderen Hälfte für den Verbleib bei der Beklagten. Für die Vermittlung konkreter Arbeitsverträge mit dem Konkurrenzunternehmen gab es keine Anhaltspunkte.
Dr. Claudia Rid
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