Gesellschafter-Geschäftsführerin als Pflegekraft im Krankenhaus

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Vor dem LSG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 5.11.2021 – L 26 BA 6/20, rk.) stritten die Deutsche Rentenversicherung und eine Pflegkraft über deren Sozialversicherungspflicht.

Die Pflegekraft war teils mehrtägig, teils eintägig in einem Krankenhaus im Einsatz, und zwar auf der Grundlage von Verträgen, die dieses mit einer Unternehmergesellschaft (UG-haftungsbeschränkt) geschlossen hatte. Deren alleinige Gesellschafter-Geschäftsführerin war die Klägerin. Sie hatte die P-UG im Jahr 2015 gegründet und sich zu deren Geschäftsführerin bestellt. Die UG ist im Handelsregister eingetragen und hat als Unternehmensgegenstand die stationäre und ambulante Krankenpflege. Die Klägerin schloss mit der P-UG einen unbefristeten Geschäftsführer-Anstellungsvertrag. Seit Mai 2016 beschäftigte die P-UG eine Arbeitnehmerin geringfügig. Das Krankenhaus stellt die Versorgung seiner Patienten grundsätzlich durch eigenes Personal sicher und hätte die Klägerin auch gern als Pflegekraft eingestellt. Dies hatte sie jedoch abgelehnt, da sie auch für weitere Krankenhausträger tätig sein wollte. Um kurzfristige Personalengpässe zu kompensieren, schloss das Krankenhaus daher mit der P-UG einen Dienstleistungsvertrag ab mit dem Gegenstand der eigenverantwortlichen Planung, Durchführung, Dokumentation und Überprüfung von häuslicher und/oder stationärer Krankenpflege. Es wurde ein Stundenhonorar vereinbart. Die P-UG unterlag keinen Weisungen des Krankenhauses und hatte das Recht, einzelne Aufträge ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Sie trug die Haftung für von ihren Erfüllungsgehilfen verursachten Schäden und hatte insoweit eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen.

Die Deutsche Rentenversicherung war der Meinung, die Zwischenschaltung der P-UG sei reine Vertragsrhetorik. Vielmehr ständen Pflegepersonen, die zeitlich begrenzt in Krankenhäusern tätig sind, wie das Stammpersonal in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Mit ihrer Berufung erhielt die Klägerin vor dem LSG Berlin-Brandenburg Recht.

Dieses stellte fest, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Krankenhaus und der Klägerin nicht vorlag. Trotz der gegebenen Dreieckskonstellation habe es sich nicht um eine Arbeitnehmerüberlassung gehandelt. Denn diese setze voraus, dass an einen Entleiher ein Arbeitnehmer überlassen wird. Als Gesellschafter-Geschäftsführerin der P-UG war die Klägerin aber nicht Arbeitnehmerin. Es bestand auch keine unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin und dem Krankenhaus.

Anhaltspunkte für eine Beschäftigung i. S. d. Sozialversicherungsrechts sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Dabei ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen und es ist auszuschließen, dass es sich dabei um einen „Etikettenschwindel“ handelt. Je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis kann ein und derselbe Beruf entweder in Form der abhängigen Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt werden.

Das Gericht ließ es dahinstehen, dass bei entsprechenden Vertragskonstellationen und nach Würdigung der jeweiligen Gesamtumstände Honorarpflegekräfte, die unter Vereinbarung einzelner Dienste in stationären Einrichtungen tätig werden, i. d. R. abhängig beschäftigt sind. Denn auch im Sozialversicherungsrecht ist die jeweils eigenständige Rechtssubjektivität natürlicher und juristischer Personen zu beachten und die Vertragsbeziehung bestand nur zwischen dem Krankenhaus und der P-UG. Das Vertragsverhältnis sei auch entsprechend praktiziert worden. Es habe der P-UG freigestanden, welche Pflegekraft es zu den Einsätzen schickt, und es gab keinen Dienstplan, nach dem sich die P-UG richten musste.

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Es handelte sich bei den Dienstleistungsverträgen auch nicht um Scheingeschäfte. Dabei ist entscheidend, ob die Parteien die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vereinbarten ernstlich wollten. Hier sprach der Umstand, dass die Klägerin eine Anstellung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausdrücklich abgelehnt hatte, dafür, dass die Parteien die Rechtsfolge eines Dienstleistungsvertrags zwischen P-UG und Krankenhaus auch wollten.

Zu guter Letzt prüfte das Gericht, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs zustande gekommen war. Dies verneinte das Gericht. Allein die „Zwischenschaltung“ der P-UG lässt nicht den Rückschluss auf eine gezielte Benachteiligung der Sozialversicherung zu. Schließlich hatte die P-UG auch mit weiteren Krankenhauseinrichtungen vergleichbare Verträge abgeschlossen. Es lag auch keine Konstellation vor, bei der die Pflegekraft zuvor als Arbeitnehmerin beschäftigt war und nach Gründung der P-UG die identische Pflegetätigkeit im Krankenhaus fortgeführt hätte. Daher sei in Konstellationen der vorliegenden Art die eigenständige Existenz und Handlungsfähigkeit der juristischen Person anzuerkennen.

In Fällen dieser Art empfiehlt es sich, ein Statusanfrageverfahren nach § 7a SGB IV in die Wege zu leiten, um entsprechende Rechtssicherheit zu erlangen.

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· Artikel im Heft ·

Gesellschafter-Geschäftsführerin als Pflegekraft im Krankenhaus
Seite 52 bis 53
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