Gleichbehandlungsgrundsatz, Auskunftsanspruch, Darlegungs- und Beweislast

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 Bild: Andrii Zastrozhnov/stock.adobe.com
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Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, seine rechtliche Struktur und seine Umsetzung in der betrieblichen Praxis geben immer wieder Anlass zu gerichtlichen Auseinandersetzungen und entsprechenden gerichtlichen Verfahren.

Gleichbehandlungsgrundsatz

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz wird durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt, welcher lautet:

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“

Dieser Grundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln.

Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Der Vorrang der Vertragsfreiheit, der auch im Arbeitsrecht gilt, ändert nichts daran, dass dieser Gleichbehandlungsgrundsatz auch bei der Zahlung der Arbeitsvergütung anwendbar ist, wenn diese durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben wird oder der Arbeitgeber die Leistung nach einem erkennbaren generalisierenden Prinzip gewährt, indem er Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer erlaubt noch nicht den Schluss, diese bildeten eine Gruppe. Eine Gruppenbildung liegt erst dann vor, wenn die Besserstellung nach bestimmten Kriterien vorgenommen wird, die bei allen Begünstigten vorliegen.

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist auch dann anwendbar, wenn der Arbeitgeber – nicht auf besondere Einzelfälle beschränkt– nach Gutdünken oder nach nicht sachgerechten oder nicht bestimmbaren Kriterien Leistungen erbringt.

Darlegungs- und Beweislast

Die Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz liegt grundsätzlich beim anspruchstellenden Arbeitnehmer.

Danach hat er die Voraussetzungen des Anspruchs auf Gleichbehandlung darzulegen und vergleichbare Arbeitnehmer zu nennen, die ihm gegenüber vorteilhaft behandelt werden.

Ist dies erfolgt, muss der Arbeitgeber – wenn er anderer Auffassung ist – darlegen,

  • wie groß der begünstigte Personenkreis ist,
  • wie er sich zusammensetzt,
  • wie er abgegrenzt ist und
  • warum der klagende Arbeitnehmer nicht dazugehört.

Der Arbeitgeber hat die nicht ohne Weiteres erkennbaren Gründe für die von ihm vorgenommene Differenzierung offenzulegen und jedenfalls im Rechtstreit mit einem benachteiligten Arbeitnehmer so substantiiert darzutun, dass durch das Gericht beurteilt werden kann, ob die Gruppenbildung auf sachlichen Kriterien beruht.

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Mit diesen Grundsätzen hat das BAG das „Wissensgefälle“, das in aller Regel zwischen Arbeitgeber und anspruchstellendem Arbeitnehmer zu dessen Lasten besteht, in den Griff genommen und ausgeglichen.

Auskunftsanspruch

Problematisch wird die Situation, wenn der anspruchstellende Arbeitnehmer keine konkreten Informationen über vergleichbare Arbeitnehmer hat, die ihm gegenüber vorteilhaft behandelt werden, sondern nur einen begründeten und in sich schlüssigen dringenden Verdacht, der natürlich nicht ausreicht, um einen prozessual durchsetzbaren arbeitsrechtlichen Anspruch zu begründen. Denn grundsätzlich besteht keine aus besonderen Rechtsgründen abgeleitete Pflicht zur Auskunftserteilung durch den Arbeitgeber, denn die Zivilprozessordnung kennt keine – über die anerkannten Fälle der Pflicht zum substantiierten Bestreiten hinausgehende – Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweisbelasteten Partei.

Von diesem Grundsatz abweichend kann allerdings materiellrechtlich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Auskunftspflicht des Arbeitgebers bestehen.

Der Auskunftsanspruch nach § 242 BGB setzt im Einzelnen voraus:

  • das Vorliegen einer besonderen rechtlichen Beziehung,
  • die dem Grunde nach feststehende oder (im vertraglichen Bereich) zumindest wahrscheinliche Existenz eines Leistungsanspruchs des Auskunftsfordernden gegen den Anspruchsgegner,
  • die entschuldbare Ungewissheit des Auskunftsfordernden über Bestehen und Umfang seiner Rechte sowie
  • die Zumutbarkeit der Auskunftserteilung durch den Anspruchsgegner.

Schließlich dürfen durch die Zuerkennung des Auskunftsanspruchs die allgemeinen Beweisgrundsätze nicht unterlaufen werden (zu allem: BAG, Urt. v. 12.10.2022 – 5 AZR 135/22).

Dr. jur. Günter Schmitt-Rolfes

Dr. jur. Günter Schmitt-Rolfes
München
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Gleichbehandlungsgrundsatz, Auskunftsanspruch, Darlegungs- und Beweislast
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