HR in der Pflicht

Digitalisierungsschub durch Corona
Eine aktuelle Studie zeigt: Digitalisierung schafft Zukunftsperspektiven, aber braucht die Flexibilisierung von Personal und Organisation. Die Personalfunktion spielt dabei die entscheidende Rolle und wird zum Hoffnungsträger.
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 Bild: pixabay.com
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Investitionsbedarf

Es ist schon fast ein geflügeltes Wort geworden: Corona verursacht einen Digitalisierungsschub. Die Aussage entspricht den Tatsachen. Eine Befragung unter gut 1.600 Menschen aus Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die Haufe bereits Ende April dieses Jahres vorgenommen hat, zeigt uns das zweifelsfrei. Immerhin 70 % der Befragten gaben damals an, sie könnten ihre Kernprozesse weiter digitalisieren. Und die meisten von ihnen sagten, sie wollten ihre Aktivitäten nach Corona noch intensivieren.

Gefragt, wo sie in den Jahren 2021 bis 2023 den größten Investitionsbedarf sähen, antwortete fast jeder zweite (49 %) mit Digitalisierung (vgl. Grafik 1). Auf Platz zwei landeten Investitionen in Personal und Organisation (43 %).

Dass das eine dicht auf das andere folgt, ist kein Zufall. Denn Digitalisierung ist ohne Investition in die Modernisierung und Flexibilisierung von Personal und Organisation nicht zu haben. Dafür liefert unsere Studie „Wir nach Corona. Digitalisierungspotenziale heben“ eindrückliche Belege.

Die Online-Befragung von 1.612 Mitarbeitern aus Unternehmen mit Sitz im DACH-Raum bildet einen breiten Mix an Branchen und Unternehmensgrößen ab. Unter den Befragten waren auch 200 Beschäftigte, die sich der HR-Funktion im Unternehmen zurechnen. Durchgeführt wurde die Erhebung vom Reimund Research Institut, Darmstadt (Markt- und Kommunikationsforschung).

Wer digitalisiert, flexibilisiert die Arbeitswelt

Am deutlichsten wird der Zusammenhang von Digitalisierung und Flexibilisierung, wenn wir uns jene Befragten ansehen, die in ihren Unternehmen das größte Digitalisierungspotenzial sehen. Sie machen 19 % der Stichprobe aus, können ihre Kernprozesse weiter digitalisieren und stimmen der Aussage „Wir werden die Digitalisierung im Unternehmen nach der Krise entschiedener vorantreiben“ auf einer zehnstufigen Skala mit den Höchstwerten 9 und 10 zu. Wir nennen sie die digitalen „High Potentials“.

Diese digitalen „High Potentials“ wollen deutlicher als der Durchschnitt der Befragten ihre Arbeitswelt flexibilisieren, virtuell führen, ihren Mitarbeitern mehr Selbstorganisation und Eigenverantwortung abverlangen, für mehr Informationsaustausch und Transparenz sorgen sowie die Digitalkompetenzen im Unternehmen ausbauen (vgl. hierzu Grafik 3).

Wer digitalisiert, erhöht seine Anpassungsfähigkeit

Das kommt nicht von ungefähr. Denn diese Befragten zielen auf eine Steigerung ihrer Anpassungsfähigkeit und Reaktionsschnelligkeit. Das zeigt Grafik 4.

Digitalisierung ist für diese Anpassungsfähigkeit an veränderte Marktbedingung und sich schnell ändernde Umfeldbedingungen der Hebel. Sie wirkt in Form erhöhter Kundenorientierung sowie Reaktionsschnelligkeit auf Marktveränderungen nach außen.

Doch braucht es ebenso Menschen, die diese Flexibilität sowie den größeren Gestaltungsraum schultern und leben können. Auch hier ist Digitalisierung ein Hebel und wirkt durch flexiblere Prozesse nach innen. Flexibilisierung von Personal und Organisation sowie Digitalisierung gehen damit notwendiger- und sinnvollerweise Hand in Hand.

Zuversicht wächst mit Digitalisierung und Flexibilisierung

Noch etwas ist von Bedeutung. Beide, Digitalisierung und die Flexibilisierung von Personal und Organisation, sorgen für Zuversicht. Das gilt auch und besonders in Zeiten, wo Corona uns aller Gewissheiten beraubt und unsere Geschäfte massiv beeinträchtigt.

In unserer Erhebung sind die digitalen High Potentials deutlich zuversichtlicher als der Durchschnitt der Befragten – sowohl die Unternehmenszukunft als auch die persönliche Zukunft betreffend (vgl. Grafik 5).

Zugleich erweisen sich jene Befragten, die ihr Personal und ihre Organisation modernisieren und flexibilisieren, als zuversichtlicher als jene, die in dieser Hinsicht zögern. Die Befragten, die zuversichtlich in die Unternehmenszukunft blicken, liegen in ihren Einschätzungen zu den in Grafik 3 dargestellten Fragen (Digitalisierung trifft auf moderne Arbeitswelt) bis zu zehn Prozentpunkte über den Einschätzungen des Durchschnitts aller Befragten.

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Die digitale Transformation darf daher als Hebel gesehen werden, der sowohl Zuversicht als auch Zukunftsperspektiven nach Corona eröffnet. Allerdings nur dann, wenn dasZusammenspiel von Implementierung neuer Technologien mit der Flexibilisierung der Arbeitswelt berücksichtigt wird. Und wer, wenn nicht HR, sollte diese Transformation auf zwei Ebenen professionell und engagiert treiben?

Die HR-Fachleute unter unseren Befragten scheinen diese Chance und Herausforderung erkannt zu haben. Sie wollen deutlich stärker digitalisieren als der Durchschnitt der Befragten. Der Anteil an Personalfachleuten, die ihre Aktivitäten zur Digitalisierung nach Corona sogar noch verstärken wollen, liegt bei 79 %, während er im Durchschnitt aller Befragten nur 71 % ausmacht.

Erwartungsgemäß schätzen die Personalfachleute auch alle Themen rund um Arbeitsorganisation, Weiterbildung und sonstige Personalthemen wichtiger ein als der Durchschnitt der Befragten. Doch genau hier liegt die große Herausforderung für die Unternehmensfunktion nach Corona. Wenn HR seine Agenda zum Aufbruch in die digitale Transformation durchbringen und damit einen eigenständigen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten will, muss man den Rest der Organisation mit Blick auf die nötige Modernisierung von Personal und Organisation überzeugen.

Hier hat HR die Organisation noch nicht hinter sich

Abweichende Bewertungen der Dringlichkeit zeigen sich dort, wo HR deutlicher als der Durchschnitt der Befragten folgenden Aussagen zustimmt: Wir brauchen

  • individuellere Regeln für Arbeitszeit und Arbeitsort (HR 44 % vs. total 39 %),
  • mehr Digitalkompetenz (HR 41 % vs. total 29 %),
  • mehr Informationsaustausch und Transparenz (HR 37 % vs. total 30 %),
  • mehr Selbstorganisation und Eigenverantwortung (HR 36 % vs. total 31 %),
  • mehr virtuelle Führung über digitalisierte Kommunikationskanäle (HR 36 % vs. total 31 %).

Am deutlichsten aber klafft die Lücke mit Blick auf den notwendigen Change-Bedarf, der mit der Digitalisierung und der Flexibilisierung der Arbeitswelt einhergeht (siehe hierzu anschaulich Grafik 6). Dort sieht HR –zu Recht– höhere Hürden als der Durchschnitt aller Befragten.

Deshalb gilt: Corona kann der Digitalisierung zum Durchbruch und digitalisierenden Unternehmen zu Zuversicht und Zukunftsperspektiven verhelfen. Allerdings nur dann, wenn es HR gelingt, auf den Zusammenhang von Flexibilisierung der Arbeitswelt und Digitalisierung hinzuweisen und die beiden Aspekte im Unternehmensalltag überein zu bekommen.

Wenn die Personalfachleute hier einen guten Job machen und die beiden Hebel kundig betätigen, kann aus dem größten Wirtschaftseinbruch der vergangenen Jahre eine Riesenchance werden, die Anpassungsfähigkeit und Zukunftsfestigkeit des Unternehmens nachhaltig zu steigern. Den Schlüssel dafür besitzt HR.

Andreas Meya

Andreas Meya
Head of Market Intrapreneurs, Haufe, Freiburg i. Br.
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· Artikel im Heft ·

HR in der Pflicht
Seite 598 bis 599
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