„HR sollte Weiterbildung als strategisches Element begreifen“

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 Bild: fidaolga/stock.adobe.com
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Während die einen betriebliche Weiterbildungen als wichtige und notwendige Investitionen in die Zukunft sehen, vermuten andere dahinter einen versteckten Kündigungsgrund. Die ausschlaggebende Frage sollte daher lauten: Wie wichtig und realistisch ist die Weiterbildung von Belegschaften tatsächlich? Welche rechtlichen Spielräume haben Arbeitgeber, wenn sie ihre Mitarbeiter zur Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen verpflichten wollen – und welche Vorschriften sind dabei zu beachten?

Arbeitgeber dürfen grundsätzlich Weiterbildungen anordnen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse vorliegt. Das ist z. B. bei technischen Neuerungen, gesetzlichen Anforderungen oder veränderten Tätigkeitsprofilen gegeben. Das Direktionsrecht nach § 106 GewO deckt das ab, wenn die Maßnahme im Zusammenhang mit der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit steht. Aber: Grenzen gibt es hinsichtlich des Umfangs und der Zumutbarkeit. Unternehmen können sich daher durch Weiterbildungsvereinbarungen absichern, in denen Inhalte, Dauer, Kostenverteilung und Rückzahlungsverpflichtungen bei Eigenkündigung geregelt sind.

Können Unternehmen Beschäftigte zur Rückzahlung der Weiterbildungskosten verpflichten, wenn diese nach einer solchen Schulung kündigen?

Ja, das ist möglich – wenn die Rückzahlungsklauseln sauber formuliert sind. Die Rechtsprechung (z. B. BAG, Urt. v. 1.3.2022 – 9 AZR 260/21) verlangt, dass die Bindungsdauer in einem angemessenen Verhältnis zur Investition steht: Für eine Schulung, die wenige Tage daurt, kann es keine Zwei-Jahres-Bindung geben. Zudem muss klar sein, dass der Arbeitnehmer freiwillig daran teilgenommen hat und dass eine Rückzahlung ausschließlich in den Fällen arbeitnehmerseitiger Kündigung oder verhaltensbedingter Kündigung durch den Arbeitgeber fällig wird. Wichtig: Rückzahlungsklauseln sind AGB und werden streng geprüft.

Wie lässt sich betriebliche Weiterbildung strategisch nutzen, ohne Misstrauen in der Belegschaft zu wecken?

Weiterbildung darf kein Feigenblatt sein für geplanten Personalabbau. Wer die Belegschaft wirklich mitnehmen will, kommuniziert offen: Welche Skills braucht das Unternehmen in zwei Jahren? Wo können Mitarbeitende mitgestalten? Transparenz schafft Vertrauen – gerade in Zeiten von Transformation, KI und Fachkräftemangel. HR sollte Weiterbildung nicht als Einzelmaßnahme, sondern als strategisches Element der Personalentwicklung begreifen. Weiterbildung kann man auch im Rahmen von Mitarbeiterentwicklungsgesprächen verankern, individuelle Pläne aufstellen – und dokumentieren. Das ist auch arbeitsrechtlich hilfreich bei späteren Diskussionen über Eignung oder Versetzung.

Ist es zulässig, gezielt nur bestimmte Mitarbeiter weiterzubilden – z. B. leistungsstarke oder jüngere Beschäftigte? Steht einem solchen Vorgehen der Gleichbehandlungsgrundsatz entgegen?

Die Weiterbildung nur bestimmter Mitarbeiter kann zulässig sein, aber Vorsicht: Die Auswahl muss sachlich gerechtfertigt sein. Altersdiskriminierung (§ 1 AGG) oder Benachteiligung wegen Teilzeit oder Elternzeit sind ganz klar verboten. Entscheidend ist der Zweck, den die Maßnahme verfolgt: Dient sie der Vorbereitung auf eine Führungsrolle oder der Spezialisierung für ein neues Projekt? Dann kann selektive Förderung zulässig sein – das ist zumindest meine Meinung. Wichtig ist die Dokumentation der Kriterien. Wer nach dem Gießkannenprinzip fördert, verschenkt Ressourcen. Wer gezielt fördert, braucht klare und rechtssichere Leitlinien. Was ich schon bei vielen erfolgreichen Unternehmen gesehen habe: Ein Weiterbildungskonzept mit definierten Zielgruppen, Anforderungen und Auswahlprozessen beugt nicht nur arbeitsrechtlichen Risiken vor, sondern wirkt auch nach innen motivierend.

Wie sollten Arbeitgeber mit Mitarbeitern umgehen, die Weiterbildungen verweigern und welche Rolle spielen die Gründe der Verweigerung – z. B. die Angst vor Überforderung oder Veränderung?

Solche Fälle sind Alltag. Erstmal gilt: Der Arbeitgeber kann nur anordnen, was im Rahmen des Weisungsrechts liegt – also berufsbezogene Schulungen, nicht z. B. ein Persönlichkeitsseminar auf Kreta. Das hört man ja auch eher aus der Betriebsratsfortbildung – und ist natürlich nicht ganz ernst gemeint. Aber auch berechtigte Ängste sollten vom Arbeitgeber ernst genommen werden. Hier zeigt sich, wie gut das im Unternehmen funktioniert. Verweigert sich jemand hartnäckig ohne sachlichen Grund, kann das arbeitsrechtliche Konsequenzen haben – etwa eine Abmahnung. Doch soweit muss es gar nicht erst kommen: Wer Weiterbildung als Teil der Unternehmenskultur etabliert, schafft Akzeptanz und reduziert Widerstände. Gute Kommunikation ist hier die beste „Rechtsstrategie“.

Dr. Jan Tibor Lelley

Dr. Jan Tibor Lelley
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner, BUSE, Frankfurt am Main
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· Artikel im Heft ·

„HR sollte Weiterbildung als strategisches Element begreifen“
Seite 40 bis 41
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