Jahresurlaub verfällt auch ohne Antrag nicht automatisch, es sei denn …
Der automatische Verlust des bezahlten Jahresurlaubs kann nicht damit begründet werden, dass der Arbeitnehmer es versäumt hat, einen Antrag auf Urlaub zu stellen. Das geht aus zwei Urteilen des EuGH hervor. Gleichzeitig weist das Gericht auf eine Ausnahme hin: Kann der Arbeitgeber nachweisen, dass der Mitarbeiter freiwillig und in Kenntnis der Sachlage auf seinen bezahlten Jahresurlaub verzichtet hat und es ihm tatsächlich möglich war, diesen auch zu nehmen, kann der Anspruchs untergehen.
Der Kläger in einem der Ausgangsverfahren war Rechtsreferendar beim Land Berlin. In den letzten Monaten des Dienstverhältnisses nahm er keinen bezahlten Jahresurlaub. Nach Dienstende forderte er finanzielle Vergütung für die nicht genommenen Urlaubstage, was vom Land Berlin abgelehnt wurde. Im zweiten Verfahren wurde ein Beschäftigter bei der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften zwei Monate vor Ende seines Arbeitsverhältnisses aufgefordert, seinen Resturlaub zu nehmen. Der Angestellte nahm daraufhin lediglich einen Teil seines Urlaubs und verlangte für die restlichen nicht genommenen Tage Vergütung. Das lehnte die Arbeitgeberin ab.
Die zuständigen Gerichte legten dem EuGH die Frage vor, ob eine nationale Regelung europarechtswidrig ist, die den Verlust nicht genommenen Jahresurlaubs und den Verlust der finanziellen Vergütung für diesen Urlaub vorsieht, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses beantragt hat.
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Die Luxemburger Richter haben entschieden, dass das Unionsrecht einer Regelung entgegensteht, nach der Beschäftigte die ihnen zustehenden Urlaubstage und entsprechend einen Anspruch auf finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub schon allein deshalb verlieren, weil sie vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Urlaub beantragt haben. Ein Untergang des Anspruchs kommt aber dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter durch Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt hat, die Resturlaubstage rechtzeitig zu nehmen. Hierfür ist Ersterer beweispflichtig.
EuGH, Urt. v. 6.11.2018 – C-619/16, C-684/16
Aufruf zum Streik: Arbeitskampf auf Firmenparkplatz zulässig
Eine streikführende Gewerkschaft darf die zur Arbeitsniederlegung aufgerufenen Arbeitnehmer unmittelbar vor dem Betreten des Betriebs ansprechen, um sie so für einen Streik zu gewinnen. Dies ist vom Streikrecht umfasst und kann, wenn es die Örtlichkeiten hergeben, auch auf einem vom Arbeitgeber vorgehaltenen Firmenparkplatz vor dem Betriebsgelände erfolgen.
Das Unternehmen im vorliegenden Fall ist in einem außerörtlichen Gewerbegebiet ansässig und betreibt dort ein Versand- und Logistikzentrum. Hier hat es ein Gelände gepachtet, zu dem das Betriebsgebäude (über einen zentralen Eingang zugänglich) sowie ein 28.000 qm großer Parkplatz (zur Nutzung der Mitarbeiter) gehören. Das Unternehmen wurde im September 2015 an zwei Tagen bestreikt. Die hierfür verantwortliche Gewerkschaft baute für diesen Zeitraum Stehtische und Tonnen vor dem Haupteingang auf dem Parkplatz auf. Dort postierten sich ihre Vertreter und streikende Arbeitnehmer, die Flyer verteilten sowie die übrige Belegschaft zur Teilnahme am Streik aufforderten. Das Vorgehen wiederholte sich bei einem eintägigen Streik im März 2016. Die Arbeitgeberin verlangte die künftige Unterlassung solcher Maßnahmen.
Vor dem ArbG Berlin hatte sie noch Erfolg, das LAG Berlin-Brandenburg wies die Klage hingegen ab. Die hiergegen gerichtete Revision der Arbeitgeberin blieb beim BAG ohne Erfolg.
Die Abwägung der widerstreitenden Interessen ergab im konkreten Fall, dass das Unternehmen eine kurzzeitige, situative Beeinträchtigung seines Besitzes hinnehmen muss. Aufgrund der Gegebenheiten vor Ort kann die Gewerkschaft ausschließlich auf dem Firmenparkplatz agieren. Nur hier hat sie die Möglichkeit, auf Arbeitswillige einzuwirken und zum Streik aufzurufen.
BAG, Urt. v. 20.11.2018 – 1 AZR 189/17
Redaktion (allg.)

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Grundsätzliches
Das Arbeitsrecht ist ein fragmentiertes Rechtsgebiet, das in eine Vielzahl einzelner Gesetze und gesetzlicher
Problempunkt
Der Kläger im Ausgangsverfahren war Leiharbeitnehmer bei dem beklagten Personaldienstleister. Auf das Arbeitsverhältnis
Problempunkt
In den verbundenen Rechtsstreitigkeiten machten die Kläger Urlaubsansprüche im Anschluss an eine Erwerbsunfähigkeit bzw
Unternehmenswerte als Basis: Unser Weg zum Vertrauensurlaub
Die Einführung von Vertrauensurlaub war keineswegs eine Entscheidung, die spontan über
Welcher Ansicht folgen Sie: Wurde das im deutschen Entwurf umgesetzt oder nicht?
Seeland: Die Richtlinie wurde in diesem Punkt eindeutig
● Problempunkt
Die Parteien stritten über die finanzielle Abgeltung von 30 Urlaubstagen. Ab dem 25.11.2020 wurde der Arbeitnehmer mit