Leugnen des Holocaust rechtfertigt fristlose Kündigung
Der Kläger war bei einer Arzneimittelherstellerin als Senior Key Account Manager gegen ein Jahresgrundgehalt von 105.600 Euro zzgl. einer erfolgsabhängigen variablen Vergütung beschäftigt. Er befand sich auf einem gynäkologischen Fachkongress im Ausland. Im Verlauf einer politischen Diskussion mit Kollegen und Kunden thematisierte der Kläger den Holocaust. Er erklärte, die historische Darstellung der Judendeportation im Dritten Reich sei in vielen Punkten „mediengesteuert“ und es gebe „Beweise“, dass überhaupt keine Judendeportation stattgefunden habe. Er berief sich in diesem Zusammenhang auf angeblich manipulierte Fotografien von Eisenbahnschienen, die es zum Zeitpunkt der Deportationen noch nicht gegeben habe und Gutachten über das Alter der Tinte auf den Tagebüchern von Anne Frank, die nach seinen Erklärungen die Berichte über die Deportation von Juden widerlegen. Die Beklagte kündigte außerordentlich fristlos.
Das LAG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 17.1.2020 – 9 Sa 434/19, rk.) sah die Kündigung als rechtmäßig an. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile ist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist der Arbeitgeberin gem. § 626 BGB nicht zumutbar. Der Kläger hat eine erhebliche Verletzung vertraglicher Pflichten begangen. Durch sein Verhalten hat er gegen § 241 Abs. 2 BGB verstoßen. Demnach ist in einem Schuldverhältnis jeder Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet. Nach Ansicht des LAG beinhaltet die Rücksichtnahmepflicht, dass der Kläger im Rahmen dienstlicher Veranstaltungen mit potenziellen Kunden verpflichtet ist, auf Äußerungen zu verzichten, die nationalsozialistische Verbrechen gegenüber der jüdischen Bevölkerung infrage stellen oder verharmlosen. Dies gilt unabhängig davon, welche Äußerungen außerhalb dienstlicher Veranstaltungen von der allgemeinen Meinungsfreiheit gedeckt sind. Die Kontakt- und Imagepflege ist eine zentrale Aufgabe des Klägers. Die Pflichtverletzung betrifft diese zentrale Aufgabe und wiegt deshalb besonders schwer. Es handelt sich hier um eine Pflichtverletzung, deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist, weshalb eine vorherige Abmahnung entbehrlich war.
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Dr. Claudia Rid
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