Neue BAG-Rechtsprechung zum Urlaubsrecht

1105
 Bild: hd3dsh/stock.adobe.com
Bild: hd3dsh/stock.adobe.com

Die Sommerurlaubszeit rückt näher, darum erscheint es zweckmäßig, sich wieder einmal mit dem gesetzlichen Urlaubsrecht und insbesondere mit neuerer Rechtsprechung des BAG zu diesem Themenkreis zu befassen.

An Neuerungen aus der Rechtsprechung des BAG springen zwei Themenkreis ins Auge, nämlich

  • Urlaubsabgeltung und Verjährung sowie
  • Urlaubsabgeltung und tarifvertragliche Ausschlussfrist.

Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten (§ 7 Abs. 4 BUrlG).

Dieser Urlaubsabgeltungsanspruch kann sowohl nach alter als auch nach neuester Rechtsprechung des BAG sowohl der Verjährung und/oder der Verwirkung gemäß tarifvertraglicher Ausschlussfristen unterfallen.

Verjährung

Das BAG hat bereits am 20.12.2022 (9 AZR 266/29) entschieden, dass Urlaubsansprüche verjähren können, wobei die dreijährige Verjährungsfrist jedoch erst am Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch informiert und ihn im Hinblick auf die Verfallfristen aufgefordert hat, den Urlaub tatsächlich zu nehmen (vgl. auch die ausführliche Analyse hierzu von Lausenmeyer/Wasser, AuA 1/23, S. 8ff., unter dem Titel Rechtsprechung als Reformator des Urlaubsrechts: Verfall von Urlaubsansprüchen). Hat der Arbeitgeber diesen Mitteilungsobliegenheiten nicht entsprochen, kann der nicht erfüllte gesetzliche Urlaub aus möglicherweise mehreren Jahren im laufenden Arbeitsverhältnis weder nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen noch nach § 195 BGB verjähren und ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.

  • Der Senat hat damit die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund der Vorabentscheidung vom 22.9.2022 (C-120/21) umgesetzt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs tritt der Zweck der Verjährungsvorschriften, nämlich die Gewährleistung von Rechtssicherheit, in der vorliegenden Fallkonstellation hinter dem Ziel von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zurück, die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme zu schützen. Die Gewährleistung der Rechtssicherheit dürfe nicht als Vorwand dienen, um zuzulassen, dass sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis berufe, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben. Der Arbeitgeber könne die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole.
  • Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt seinerseits der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist für die Abgeltung beginnt i.d.R. am Ende des Jahres, an dem das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten ankommt. Die richtige Beendigung des Arbeitsverhältnisses bildet eine Zäsur.
  • Hierbei ist zu beachten, dass der Urlaubabgeltungsanspruch anders als der Urlaubsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet ist, sondern sich auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt.

Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG, Urt. v. 31.1.2023 – 9 AZR 456/20).

#ArbeitsRechtKurios: Amüsante Fälle aus der Rechtsprechung deutscher Gerichte - in Zusammenarbeit mit dem renommierten Karikaturisten Thomas Plaßmann (Frankfurter Rundschau, NRZ, Berliner Zeitung, Spiegel Online, AuA).

Tarifvertragliche Ausschlussfristen

Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG kann der Anspruch auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs als reiner Geldanspruch tariflichen Ausschlussfristen unterfallen. Daran hält das BAG fest. Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bildet eine Zäsur.

Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist anders als der Urlaubsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt.

Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG, Urt. v. 31.1.2023 – 9 AZR 244/20).

Dr. jur. Günter Schmitt-Rolfes

Dr. jur. Günter Schmitt-Rolfes
München
AttachmentSize
Beitrag als PDF herunterladen247.32 KB

· Artikel im Heft ·

Neue BAG-Rechtsprechung zum Urlaubsrecht
Seite 14
Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

Mit den Urteilen vom 20.12.2022 (9 AZR 266/20 und 9 AZR 245/19) und vom 31.1.2023 (9 AZR 456/20 und 9 AZR 244/20) hat das BAG seine

Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

Nach wie vor ist die Literatur der Gesetzgebung voraus, die es weder in der GroKo 2018 noch in der Ampelkoalition 2021 fertigbringt, ein

Premium
Bild Teaser
Body Teil 1

Problempunkt

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete zum 31.7.2017. Im Anschluss verlangte sie vom Arbeitgeber Urlaubsabgeltung für

Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

pünktlich zum Start ins neue Jahr werfen wir einmal einen detaillierten Blick auf das Urlaubsrecht und damit einhergehend natürlich auch

Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

Der Küttner feiert runden Geburtstag und wird 30: Das jährlich seit 1994 neu erscheinende und von erfahrenen Richtern, Anwälten und

Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

Der Urlaubsanspruch dient der Erholung der Arbeitnehmer. Für Unternehmen bedeutet er oftmals eine