Rechtsmissbräuchliches Teilzeitverlangen

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Ein Teilzeitbegehren nach § 8 TzBfG kann nicht nur aus betrieblichen Gründen abgelehnt werden, es kann sich auch als rechtsmissbräuchlich erweisen.

Ein bei einem Luftfahrtunternehmen beschäftigter Flugzeugführer mit schulpflichtigen Kindern beantragte die Reduzierung seiner Arbeitszeit um 7,7 % auf 92,3 % der Vollarbeitszeit durch Freistellung an 28 zusammenhängenden Tagen ab Beginn der jeweiligen Sommerschulferien in Nordrhein-Westfalen. Bei dem Unternehmen gab es eine Betriebsvereinbarung „Urlaubsvergabe“, die ein komplexes, im Wesentlichen aus Seniorität und sozialer Auswahl bestehendes Vergabesystem vorsah. Damit bezweckten die Betriebsparteien eine rollierende Urlaubsvergabe in den Schulferien, da jedes Jahr etwa 20 die Sommerferien betreffende Urlaubsanträge von Flugkapitänen aus Kapazitätsgründen abgelehnt werden müssen.

Während die erste Instanz der Klage stattgab, hobdas LAG Köln (Urt. v. 18.1.2018 – 7 Sa 365/17, rk.) das Urteil auf und wies die Klage ab.

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Die Kammer war der Auffassung, dass dem Teilzeitbegehren der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegensteht. Zwar ist ein auf eine geringfügige Arbeitszeitreduzierung gerichtetes Teilzeitverlangen nicht per se rechtsmissbräuchlich (BAG, Urt. v. 18.8.2009 – 9 AZR 517/08), es können aber im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die den Teilzeitantrag als treuwidrig erscheinen lassen. Dies hatte das BAG im Fall einer Verringerung der Arbeitszeit eines Piloten um 3,29 % bei einer Verteilung der reduzierten Arbeitszeit dergestalt, dass der Kläger jeweils vom 22. Dezember des Jahres bis zum 2. Januar des Folgejahres nicht zu arbeiten hatte, bejaht (BAG, Urt. v. 11.6.2013 – 9 AZR 786/11, AuA 8/14, S. 485).

Ausschlaggebend war im entschiedenen Fall vor dem LAG Köln, dass die Betriebsparteien für die Vergabe der Urlaube während der Sommerferien ein komplexes Vergabeverfahren entwickelt haben und das Teilzeitbegehren diesen Vergabemechanismus konterkarieren würde. Der Kläger nutzt eine nach § 8 TzBfG bestehende formale Rechtsposition, um eine Freistellung durchzusetzen, die er als Urlaubsanspruch nicht durchsetzen könnte. Dies geht erkennbar zulasten einer größeren Anzahl anderer vergleichbarer Mitarbeiter.

Auch betriebliche Gründe standen dem Teilzeitbegehren entgegen. Das in der Betriebsvereinbarung angelegte Organisationskonzept zur Urlaubsvergabe stand dem Teilzeitwunsch ebenfalls entgegen.

Dr. Claudia Rid

Dr. Claudia Rid
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, CMS Hasche Sigle, München
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Rechtsmissbräuchliches Teilzeitverlangen
Seite 114 bis 115
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