Sachgrundlose Befristung und Vorbeschäftigungsverbot

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 Bild: Andreas Lischka/Pixabay
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Vor dem LAG Baden-Württemberg (Urt. v. 11.3.2020 – 4 Sa 44/19) stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer Befristung. Die Klägerin war bei der Beklagten vom 6.4.1999 bis 31.7.2000 befristet beschäftigt und als Montagearbeiterin eingesetzt. Nach fünf Monaten, zum 1.9.1999, ging das Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf die Firma ALR über. Im Jahr 2014 bewarb sich die Klägerin nach einer familiär bedingten Berufspause erneut bei der Beklagten. Auf die Frage im Personalbogen „Waren Sie schon in einem Betrieb der B-Gruppe [zu dem die Beklagte gehört] beschäftigt?“ antwortete sie mit „ja“. Die Beklagte stellte die Klägerin mit Wirkung ab 8.12.2014 befristet als Montagemitarbeiterin ein. Die Befristung wurde innerhalb von zwei Jahren dreimal bis zum 30.6.2016 verlängert, im Anschluss daran insgesamt sechsmal bis zum 30.9.2018. Dabei stützte sich die Beklagte auf die tarifliche Erweiterung der sachgrundlosen Befristungsmöglichkeiten gemäß dem anwendbaren Tarifvertrag für die Metall- und Elektrobranche.

Der Arbeitsvertrag der Klägerin enthielt unter Nr. 1.1 folgende Regelung: „Sie bestätigen, bisher in keinem befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis (einschließlich Ferienbeschäftigung) zu uns gestanden zu haben.“

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Sowohl die erste wie auch die zweite Instanz gaben der Klage statt und urteilten, dass die Befristung rechtsunwirksam sei und der Arbeitsvertrag somit auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde. Seit der Entscheidung des BVerfG vom 6.6.2018 (1 BvL 7/14, AuA 8/18, S. 487) sperrt grundsätzlich jegliche Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber die Möglichkeit einer erneuten sachgrundlosen Befristung. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung besteht nur dann ausnahmsweise nicht, wenn keine Gefahr einer Kettenbefristung besteht und das Verbot nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Dies ist nach den obersten Verfassungshütern dann der Fall, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. Es müssen die Umstände des Einzelfalls gewürdigt werden. Im konkreten Fall war die Vorbeschäftigung der Klägerin nicht anders geartet als die vertraglich geschuldete Tätigkeit im neuen befristeten Arbeitsverhältnis. Die Vorbeschäftigung war auch nicht von sehr kurzer Dauer. Selbst wenn man nur auf die Zeitstrecke von fünf Monaten bis zum Betriebsübergang abstellen würde, wäre diese zwar kurz, jedoch nach Auffassung der Richter nicht sehr kurz. Das BAG hatte bislang noch keinen Fall zu klären, in dem die Vorbeschäftigung zwar länger als drei Monate bestand, aber kürzer als sechs Monate dauerte. Die Vorbeschäftigung lag auch nicht sehr lange zurück. Das BAG geht davon aus, dass eine sehr lange Zeit bis zu einer Dauer von 20 Jahren nicht vorliegt. Denn in dieser Zeit kann der Arbeitnehmer noch einen höheren Bestandsschutz in Form von längeren Kündigungsfristen erwerben. Dementsprechend wurden Zwischenzeiträume von acht Jahren und 15 Jahren vom BAG noch nicht als sehr lang bewertet, wohl aber ein Zwischenzeitraum von 22 Jahren. Insgesamt sah das Gericht daher die Ausnahme vom Vorbeschäftigungsverbot nicht als gegeben an. Die Beklagte konnte sich insbesondere nicht auf die arbeitsvertragliche Klausel berufen, wonach die Klägerin bestätigte, bisher nicht in einem befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden zu haben. Denn diese Vertragsklausel war nach Auffassung des Gerichts gem. § 309 Nr. 12b BGB unwirksam. Danach sind Bestimmungen in AGB unwirksam, die die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändern. Es genügt bereits der Versuch des Verwenders, die Beweisposition des Kunden zu verschlechtern. Zwar veränderte die streitige Klausel die eigentliche Beweislast nicht. Sie versetzt den Arbeitgeber jedoch in die Lage, substantiiert das Vorliegen einer Vorbeschäftigung zu bestreiten und bringt die Klägerin damit in eine erhöhte Darlegungslast in der Erwiderung. Hinzu kommt, dass die Beklagte versuchte, die Tatsachenerklärung für ihren Einwand der treuwidrigen Rechtsausübung nutzbar zu machen und sich damit eine bessere Beweisposition zu verschaffen.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließ das Gericht die Revision zum BAG zu.

Dr. Claudia Rid

Dr. Claudia Rid
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, CMS Hasche Sigle, München
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Sachgrundlose Befristung und Vorbeschäftigungsverbot
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