Bereitschaftsdienst oder Bereitschaftszeit? Diese Frage hatte kürzlich das LAG Baden-Württemberg für die Nachtschichten eines Erziehers zu entscheiden. Der Kläger arbeitete für die beklagte Stiftung, die Kinder- und Jugendeinrichtungen betreibt, als Betreuer einer Jugendwohngruppe. Für das Arbeitsverhältnis galten die „Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes“ (AVR). Seine Nachtschichten, die überwiegend von 22:00 bis 6:00 Uhr dauerten, verbrachte der Kläger im Nachtbereitschaftszimmer des Hauses, in dem die Jugendgruppe lebte. Dabei war es ihm erlaubt und möglich zu schlafen. Regelmäßige Kontrollgänge waren nicht vorgeschrieben, nur bei Störungen und Zwischenfällen hatte der Kläger selbstständig seine Arbeit aufzunehmen. Er war der Auffassung, die Nachtschichtzeiten seien als Bereitschaftszeiten wie Vollarbeitszeit zu vergüten. Die beklagte Stiftung hielt sie hingegen für Zeiten des Bereitschaftsdienstes.
Das LAG gab der Stiftung Recht (Urt. v. 21.1.2019– 1 Sa 9/18; Rev. eingelegt, Az. BAG: 6 AZR 122/19). Ihrem äußeren Erscheinungsbild nach sind sich Bereitschaftsdienst (§ 4 Abs. 3 Anlage 33 AVR) und Bereitschaftszeit (§ 8 Abs.1 Anlage 33 AVR) sehr ähnlich. Sie unterscheiden sich aber in der Intensität der Belastung. In der Bereitschaftszeit muss der Mitarbeiter nicht nur selbstständig im Bedarfsfall, sondern auch auf Anordnung seine Arbeit aufnehmen. Das bedeutet, er kann sich nicht auf eine festgelegte Zeit des Ruhens oder sogar Schlafens einstellen. Der Kläger leistete daher „nur“ Bereitschaftsdienst, da er während der Nachtschicht mit keiner Arbeitsaufforderung rechnen musste und schlafen konnte. Selbst wenn es sich bei seinen Nachtschichten um Bereitschaftszeiten handeln würde, hätte der Kläger allerdings keinen Anspruch auf Vergütung wie Vollarbeitszeit. Einen solchen Anspruch sieht die Anlage 33 zum AVR – auch bei fehlerhaft angeordnetem Bereitschaftsdienst– nicht vor.
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Sebastian Günther
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Problempunkt
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