Simultanübersetzer für Betriebsversammlung

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Bild: Feodora/stock.adobe.com
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In einem Logistikzentrum sind ca. 1.220 Arbeitnehmer beschäftigt, davon 582 deutsche Staatsangehörige, die übrigen sind 57 Nationalitäten mit über 50 verschiedenen Muttersprachen zuzuordnen. Für eine im Oktober 2023 geplante Betriebsversammlung beantragte der Betriebsrat im einstweiligen Verfügungsverfahren, ihm zehn Simultandolmetscher für die Sprachen Englisch, Persisch, Arabisch, Polnisch und Tigrinisch zur Verfügung zu stellen sowie die entsprechende technische Ausstattung, hilfsweise den Arbeitgeber zu verpflichten, die Kosten für die Simultanübersetzung zu erstatten. Das Unternehmen holte Angebote von zwei Anbietern für die Simultanübersetzung ein, wonach sich ergab, dass dafür mindestens 31.000 Euro anfallen. Auch war unsicher, ob für den Termin persische und tigrinische Dolmetscher verfügbar sein würden.

Die Anträge des Betriebsrats hatten in erster und zweiter Instanz keinen Erfolg. Der Hauptantrag war bereits deswegen unbegründet, weil das Unternehmen nicht zu einer Handlung verpflichtet werden kann, der es aus Gründen, die nicht in dessen Sphäre liegen, unter Umständen nicht nachkommen kann, weil entsprechende Dolmetscher nicht zu finden sind. Auch die Übernahme der Kosten für Dolmetscher und Technik konnte der Betriebsrat nicht beanspruchen, da nicht dargelegt war, dass die Kosten erforderlich sind. Jedenfalls aber wären sie unverhältnismäßig. Richtig ist zwar, dass der Arbeitgeber gemäß § 40 BetrVG die Kosten der Tätigkeit des Betriebsrats zu tragen hat, worunter auch die Kosten für Sachmittel, Informations- und Kommunikationstechnik fallen. Aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit folgt aber, dass der Arbeitgeber nur die erforderlichen Kosten übernehmen muss. Der Betriebsrat muss die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung seines Amtes und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers, auch soweit sie auf eine Begrenzung der Kostentragungspflicht gerichtet sind, gegeneinander abwägen.

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Die Entscheidung des Betriebsrats unterliegt zwar nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Hier hatte der Betriebsrat aber keine objektivierten Umstände vorgetragen, die die Erforderlichkeit rechtfertigten. Das Gericht setzt sich mit zwei älteren Urteilen der LAGs Düsseldorf und Stuttgart aus den 80er-Jahren auseinander sowie der verfügbaren Literatur. Es hält für notwendig, dass der Betriebsrat zumindest durch eine einfache Fragebogenaktion unter der Belegschaft zur Aufklärung beiträgt, inwieweit und für welche Sprachen eine Übersetzung überhaupt erforderlich ist. Der Umstand, dass unstreitig bestimmte ausländische Mitarbeiter die deutsche Sprache perfekt beherrschen, belege, dass man aus der Nationalität nicht automatisch darauf schließen könne, dass die Mitarbeiter keine ausreichenden Deutschkenntnisse hätten. Auch der Verweis auf § 80 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG verfing nicht. Danach hat der Betriebsrat die Aufgabe, die Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zu fördern. Integration bedeute jedoch nicht, dass sich das größere Ganze dem einzelnen Arbeitnehmer anpasst. Integration fordert vielmehr, dass es den nicht Deutsch sprechenden einzelnen Arbeitnehmern ermöglicht wird, ausreichend Deutsch zu lernen, um sich in die betriebliche Umgebung einzugliedern. Selbst wenn die Kosten erforderlich wären, wären sie zumindest nicht verhältnismäßig. Zur Leistungsfähigkeit des Betriebs war nichts vorgetragen worden. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass bei bejahter Erforderlichkeit der Simultanübersetzung der Arbeitgeber verpflichtet wäre, diese allen Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen und nicht nur in fünf Sprachen zu übersetzen.

Da es sich um ein einstweiliges Verfügungsverfahren handelte, ist die Entscheidung rechtskräftig (Sächsisches LAG, Beschl. v. 10.10.2023 – 2 TaBVGa 2/23, rk.).

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Simultanübersetzer für Betriebsversammlung
Seite 50 bis 51
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