Überflüssige Änderungskündigung und Annahme unter Vorbehalt

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 Bild: Mars0hod/stock.adobe.com
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Ein Unternehmen, das Medizinprodukte vertreibt, unterhielt drei Ladenfilialen in den Städten C, L und B. In der Filiale in B beschäftigte es drei Arbeitnehmer, in C zwei und L ebenfalls zwei Mitarbeiter. Im März 2022 fassten die Gesellschafter den Beschluss, den Standort B zu schließen. Der Mietvertrag über die Geschäftsräume wurde zum 30.11.2022 gekündigt. Die drei Arbeitnehmer erhielten Änderungskündigungen, mit denen ihnen die Weiterarbeit zu unveränderten Bedingungen am Standort C angeboten wurde. Eine der Gekündigten nahm das Angebot unter dem Vorbehalt seiner sozialen Rechtfertigung an und erhob Kündigungsschutzklage. Die Klägerin argumentierte, dass sie eine kürzere Anfahrt nach L habe und eine Änderung der Arbeitsbedingungen sie so wenig wie möglich belasten dürfe. Das Unternehmen setzte dagegen, dass die Filiale in L mit zwei Vollzeitarbeitnehmern ausreichend besetzt sei, es jedoch in C Personalbedarf habe.

Die Klage war in beiden Instanzen ohne Erfolg und wurde abgewiesen. Die Parteien hatten den Arbeitsort im Arbeitsvertrag nicht vertraglich festgelegt. Daher war das Unternehmen berechtigt, die Fortsetzung der Tätigkeit vom Standort in C im Wege des Direktionsrechts zuzuweisen. Soll das Weisungsrecht durch eine vertragliche Regelung eingeschränkt werden, muss dies hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen. Allein die Nennung der Adresse der Filiale im Arbeitsvertrag genügt nicht. Auch eine Konkretisierung auf den Arbeitsort in B hatte nicht stattgefunden. Es handelte sich somit um den Fall der überflüssigen Änderungskündigung. Eine dagegen gerichtete Klage ist abzuweisen, wenn das Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen wurde. Hätte die Mitarbeiterin das Angebot jedoch abgelehnt und hätte sich dadurch die Änderungskündigung in eine Beendigungskündigung umgewandelt, wäre diese unverhältnismäßig und daher sozial ungerechtfertigt (vgl. BAG, Urt.v. 22.9.2016 – 2 AZR 509/15). Das BAG hat es bisher offengelassen, wie die Frage zu bewerten ist, wenn der Arbeitnehmer ein entsprechendes Änderungsangebot unter Vorbehalt annimmt. In der Literatur wird jedoch die Auffassung vertreten, dass die Änderungskündigung dann nicht wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unwirksam ist, denn Streitgegenstand ist dann nur die Berechtigung des Angebots auf Änderung der Arbeitsbedingungen, nicht jedoch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Selbst wenn das Weisungsrecht die Versetzung von B nach C nicht gedeckt haben sollte, wäre die ausgesprochene Änderungskündigung rechtens. Vorliegend wurde die unternehmerische Entscheidung zur Schließung der Filiale in B getroffen und auch umgesetzt. Der Arbeitgeber war nicht verpflichtet, eine Weiterbeschäftigung in L zu offerieren, da es dort keine freie Stelle gab. Einen Anspruch auf einen Ringtausch mit den beiden in L beschäftigten Arbeitnehmerinnen hat die Klägerin nicht (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 1.3.2024 – 8Sa80/23, rk.).

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