Vergleichsverhandlungen hemmen Ausschlussfrist

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Eine arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung, die vorsieht, dass ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmten Frist gerichtlich geltend gemacht werden muss, ist nach entsprechender Anwendung von § 203 Satz 1 BGB für den Zeitraum gehemmt, in dem die Parteien Vergleichsverhandlungen führen.

Ein technischer Sachbearbeiter war bei der Beklagten bis Mitte 2015 beschäftigt und erhielt für seine Tätigkeit 4.361 Euro brutto/Monat. Eine Klausel seines Arbeitsvertrags verlangte, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Im Falle der Ablehnung hätte die betroffene Vertragspartei innerhalb von weiteren drei Monaten ab Zugang der Ablehnung die Forderung bei Gericht geltend machen müssen. Andernfalls sollten die Ansprüche verfallen. In einem Schreiben vom 14.9.2015 forderte der Sachbearbeiter die Beklagte auf, insgesamt 32 Urlaubstage mit einem Betrag i. H. v. 6.387,52 Euro abzugelten. Zudem brachte er 4.671,88 Euro brutto als Vergütung von 182,25 Überstunden in Ansatz, die sich auf seinem Arbeitszeitkonto befanden. Am 28.9.2015 lehnte der Arbeitgeber die Ansprüche ab, machte aber auch deutlich, dass er an einer einvernehmlichen Lösung interessiert sei. Die daraufhin durchgeführten Vergleichsverhandlungen dauerten bis zum 25.11.2015 an, blieben jedoch ohne Erfolg. Der Arbeitnehmer erhob am 21.1.2016 Klage und verfolgte seine geltend gemachten Ansprüche weiter. In den ersten beiden Instanzen unterlag er. Die Ansprüche seien verfallen, weil sie nicht rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht wurden.

Ein Überblick über die drei Teilbereiche des „Kollektiven Arbeitsrechts“: Betriebsverfassungsrecht (BetrVG, SprAuG, EBRG), Unternehmensmitbestimmungsrecht (DrittelbG, MitbestG, Montan-MitbestG), Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht (TVG, Artikel 9 III GG)

Die Revision des Klägers vor dem BAG hatte hingegen Erfolg. Die dreimonatige Ausschlussfrist zur gerichtlichen Geltendmachung wurde danach vom Kläger gewahrt. Für die Dauer der gerichtlichen Vergleichsverhandlungen war sie analog § 203 Satz 1 BGB gehemmt. Dieser Verhandlungszeitraum wird nach entsprechender Anwendung von § 209 BGB nicht mit in die Ausschlussfrist eingerechnet.

BAG, Urteil vom 20.6.2018 – 5 AZR 262/17

Redaktion (allg.)

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Vergleichsverhandlungen hemmen Ausschlussfrist
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